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«Jungs! … und Ivana»

Sie hat klare Ziele, sie hat Power und sie liebt die Logistik. Bereits in jungen Jahren hat Ivana Filipovic ihre Kaderstelle bei der Logistikabteilung von Norbert Dentressangle in der Schweiz angenommen. Porträt einer jungen Gipfelstürmerin.

 

 

(kb) Kaum durch die Eingangstüre, werden wir von unserer freudig strahlenden Interviewpartnerin begrüsst. Während der Fotograf kaum Zeit hat, sein Equipment abzulegen, und die Redaktorin noch nicht einmal Stift und Block gezückt hat, erzählt das quirlige Energiebündel beim Begrüssungskaffee bereits munter von ihrem Job und ihrer Firma. Aber wie sie uns noch sagen wird: Improvisation ist alles.

Die Ausnahme bestätigt die Regel

Selten sind sie, die Frauen in der Logistik. Noch seltener sind diejenigen, die gezielt ihren Weg in die eher männerlastige Branche gehen. Die Motivation von Ivana Filipovic ist während ihrer Lehrzeit gereift, als sie mit wirtschaftlichen Problemen ihres Lehrbetriebs konfrontiert wurde. Nach der Lehre kam die Kauffrau zum Schluss, dass sie gerne in eine Firma ginge, in der nicht alles glatt läuft. «Denn reine Routine in einem gut funktionierenden Betrieb ist nichts für mich.» Sie machte schliesslich Logistik respektive Supply Chain Management als Tätigkeitsfeld für sich aus: «Hier entstehen die Kosten und somit auch die Probleme.» Über Mund-zu-Mund-Propaganda kam sie zur Logistikabteilung von Norbert Dentressangle in der Schweiz.
Bei diesem französischen Logistik- und Transportdienstleister fühlte sich Ivana Filipovic schnell wohl: «Was für mich hier den Reiz ausmacht, ist die Tatsache, dass ich immer improvisieren muss und dass kein Tag ist wie der andere. Hier kann ich entdecken, kreativ sein und etwas schaffen.» Und lachend fügt sie hinzu: «Vielleicht bringt der niedrige Altersdurchschnitt von 27,5 Jahren bei uns eine Art organisiertes Chaos.»

Hohe Erwartungen

Sie begann ihre Karriere als Customer Solutions Engineer – bis die damalige Leiterin des Business Development kündete. Mit 24 Jahren wurde ihr die Kaderstelle unter Auflage einer Probezeit von sechs Monaten angeboten. «Der Druck war enorm hoch, aber mein Chef hatte Vertrauen. Und schlussendlich habe ich es mit Zielstrebigkeit und Ehrgeiz geschafft», erinnert sie sich. Der Aufstieg war steinig. Insbesondere der französische Mutterkonzern hätte sich lieber eine erfahrene Kraft gewünscht, und auch bei Meetings mit anderen Business Development Managern musste sich die Niederbipperin mit kroatischen Wurzeln erst Respekt verschaffen. «Eine Frau zu sein und dann auch noch jung dazu, das war natürlich nicht so einfach.»

Zehn Wochen Lager pro Jahr

Konkret ist die Leiterin des Business Development für die Kundenakquisition zuständig. Diese umfasst weniger die Gewinnung von Neukunden als vielmehr den Ausbau von Projekten bestehender Kunden. «Ein Grossteil meiner Arbeit ist Projektmanagement. Ich muss Projekte planen, erklären und schulen. Prozessbeschreibungen und -optimierungen gehören ebenfalls dazu.» Es versteht sich von selbst, dass sie hierfür entsprechendes Fachund Praxiswissen benötigt. Aus genau diesem Grund ist sie pro Jahr zu zehn Wochen Tätigkeit im Lager verpflichtet.

Die glorreichen zwanzig Minuten

Bei der Logistikabteilung von Norbert Dentressangle in der Schweiz besteht die Führungsriege – mit Ausnahme von Ivana Filipovic – aus Männern. «Anfangs hiess es noch ‹Jungs! … und Ivana›. Jetzt bekomme ich scherzhaft zu hören, dass ich ja selbst schon fast wie ein Mann sei.» Wie sie sich das erklärt? «Nun, ich bin eben einfach nicht so etepetete und gehe den Männern damit auf den Wecker.» Das heisst aber nicht, dass sie etwas Weiblichkeit nicht vermisst. Im Gegenteil: Sie fehlt ihr manchmal schon. Aber um Distanz zu wahren, dürfe sie eben einfach nicht zu weiblich sein – keine schönen Nägel, kein Rock, keine High Heels und auch kein zu auffälliges Make-up. Sie schaut lachend auf ihre Absatzschuhe: «Das ist die Ausnahme. Die habe ich nur an, weil Sie hier sind. Aber sonst ist das nicht möglich. Das würde zu Fehlinterpretationen führen und meine Akzeptanz unterhöhlen.» Respekt konnte sie sich mit ihrer praktischen Arbeit im Lager erarbeiten «Dort weiss man, dass ich mir die Hände schmutzig mache.»

«Ich liebe meinen Beruf und würde die Logistik nie aufgeben wollen.»

Doch nicht nur äussere Aspekte lassen sie die Zusammenarbeit mit Frauen vermissen. So zieht sie weibliche Stutenbissigkeit männlichem Imponiergehabe vor. «Männer müssen schnell mal zeigen, wer der Bessere ist. Mit Zickereien habe ich jedoch gar kein Problem. Ohren zu und durch.» Was intern gut funktioniert, läuft extern nicht immer gleich gut. Sie ist es gewohnt, dass Kunden sie misstrauisch einer Prüfung unterziehen. Sie nennt es «die glorreichen zwanzig Minuten ». «Einmal wurde ich wirklich von einem Kunden gefragt, ob ich überhaupt wisse, was 17-Zoll-Reifen sind.» Aber damit müsse man leben. «Ich denke, dass man sich als Frau immer besser vorbereiten muss als ein Mann, wenn man Gehör finden will.»

Von Imageproblemen und Rabenmüttern

Für Ivana Filipovic ist dies jedoch kein reines Logistikproblem. «Als Frau bekommt man generell mehr Steine in den Weg gelegt, das gilt auch für andere Branchen.» Ihrer Meinung nach ist gerade in der Schweiz ein Umdenken in der Gesellschaft nötig. Aber warum sind nun gerade in der Logistik so wenige Frauen zu finden? Die einzige Absolventin ihrer Weiterbildung, die in die Logistik ging, sieht durchaus ein Imageproblem. «Die Leute denken bei Logistik immer nur an Lager.» Die grossen Schweizer Logistikplayer seien zudem nur in der Schweiz tätig. Fehlende Möglichkeiten für Tätigkeiten im Ausland seien für viele junge Leute ein K.-o.-Kriterium. Und nicht zuletzt sind die verhältnismässig tiefen Löhne der Branche nicht ausser Acht zu lassen. Die niedrigen Margen der Branche erlauben weitere Vergünstigungen wie beispielsweise Kinderkrippenplätze nicht – was wiederum für Frauen ein Ausschlusskriterium sein kann.
Zwar ist Ivana Filipovic davon überzeugt, dass eine gezielte Förderung von Frauen nötig ist, sieht jedoch bessere Rahmenbedingungen, wie etwa Krippenplätze, nicht als alleinige Lösung. «Wie ich bereits gesagt habe, ist ein Umdenken nötig. Ich schliesse da explizit auch die Frauen ein. Wir stempeln uns leicht als Rabenmütter ab, wenn wir das Kind in die Krippe geben. In anderen Ländern, wie beispielsweise Frankreich, ist das gang und gäbe.»

Gelebte Theorie

Ihr berufliches Ziel für die nächsten zwanzig Jahre ist ein CEO-Posten. Aus diesem Grund hat sie sich zu einer Weiterbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz entschlossen und parallel zu ihrer beruflichen Tätigkeit den Bachelor- Studiengang «Internationales Management» absolviert. Die Doppelbelastung verkraftete sie aufgrund der enorm praxisorientierten Fachhochschulausbildung gut: «Vieles fiel mir durch meinen Beruf und meine Erfahrung sehr leicht.» Trotz ihrer Tätigkeit in der Logistik hat sie sich in einem ersten Schritt gegen eine Logistik-Weiterbildung entschieden. «Ich denke, dass die Management- Aspekte für einen CEO-Posten wichtig sind.» Den Master möchte sie jedoch nicht in der Betriebswirtschaftslehre machen. Sie strebt den Studiengang Supply Chain Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston an. «Ich setze mir immer sehr hohe Ziele. Ich habe bereits Kontakt aufgenommen, um mich darüber zu informieren, wie ich zu einem Studium dort zugelassen
werden kann.»

Von anderen lernen

Man lernt nie aus. Ganz getreu ihrem Lebensmotto «The best always want to be better» lernt Ivana Filipovic gerne von anderen. Als konkretes Vorbild nennt sie Hillary Clinton. «Sie ist eine faszinierende Frau. Sie kommt in den Raum, ist präsent und jeder hört ihr zu.» Auch zwei Männer beeindrucken sie besonders: Robin Cornelius, CEO von Switcher, sowie Steve Jobs. An beiden schätzt sie, dass sie «es einfach so sagen, wie es ist. Sie sind direkte und offene Persönlichkeiten mit Charisma, von denen ich mir viel abschaue.»

Oasen der Ruhe

Privat lässt es die junge Frau ruhiger angehen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag, so sagt sie, freut sie sich auf die Ruhe in ihrer Wohnung. Die Ferien jedoch verbringt sie konsequent ausserhalb der eigenen vier Wände, um auf ihren Reisen immer wieder etwas Neues zu entdecken. Top-Destination ist aufgrund ihrer Leidenschaft Ägypten. «Ich bin ein absoluter Tauchfan. Manchmal tauche ich im Bodensee, aber generell ist es in der Schweiz schwierig mit dem Tauchen.»
Zum Abschluss des Gesprächs lässt sie es sich natürlich nicht nehmen, uns auf einen Rundgang ins Lager mitzunehmen. Und während die Flurförderzeuge durch die Halle fahren, Ware in Empfang genommen und eingelagert wird, hat Ivana Filipovic sichtlich Spass, uns den Ort, der jedes Jahr für zehn Wochen ihr Arbeitsplatz ist, näherzubringen.
Zum Abschied strahlt sie immer noch. «Ich mache meinen Job einfach so gerne und habe deshalb wahnsinnig Freude, wenn ich davon erzählen kann.» Das nimmt man ihr sofort ab. Und schon flitzt die lebhafte Verkaufsleiterin auch wieder los.

Katharina Birk

 

Die Logistikabteilung von Norbert Dentressangle in der Schweiz

Seit der Gründung 1979 in Frankreich entwickelte sich der Konzern von einer reinen Transportgesellschaft zu einer führenden europäischen Gruppe im Bereich Transport und Logistik. Die Norbert-Dentressangle-Gruppe ist heute in 26 Ländern vertreten, agiert auf vier Kontinenten und beschäftigt rund 33 000 Mitarbeitende. Im Herbst 2005 öffnete Norbert Dentressangle mit der Logistikplattform Niederbipp seine Tore in der Schweiz. Das Unternehmen entwickelte sich beachtlich schnell und konnte in der Schweiz seine Marktposition über die Jahre ausbauen. Mit Stolz präsentiert die Gruppe heute vier Standorte in der Schweiz und einen Fuhrpark von über zwanzig Fahrzeugen. Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit zählt Norbert Dentressangle zu den grössten und umsatzstärksten Logistik- und Transportanbietern.
 

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