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«Die Arbeit am nationalen Qualifikationsrahmen schreitet gut voran.»

Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) steht vor zahlreichen grossen Aufgaben. Im Rahmen der Teilnahme an der Fachkräfteinitiative unter Leitung des Staatssekretariats für Wirtschaft strebt man danach, die MINT- Fächer im Bildungswesen attraktiver zu machen. Ausserdem sollen einige Zugangsbeschränkungen für Fachhochschulen fallen. Nächstes Jahr werden mehrere logistische Berufe erstmals im neuen «Nationalen Qualifikationsrahmen» auftauchen, der die Schweizer Abschlüsse international besser vergleichbar machen soll. Martin Fischer, Leiter der Kommunikationsabteilung des SBFI, bricht ausserdem immer wieder eine Lanze für die Qualität der Schweizer Berufsbildung.

GS1 network: Bildung, Forschung und Innovation sind die Leitsterne Ihres Amtes. Spielt denn die Logistik­ branche bei einem dieser Themen aus Ihrer Sicht eine wahrnehmbar wichtige Rolle?
Martin Fischer: Diese drei Wörter bezeichnen eher die Felder, die wir för- dern, was unsere Aufgabe als dafür zuständige Bundesstelle ist. Die Logistikbranche ist dabei aus unserer allgemeinen Sicht so bedeutsam wie die anderen Wirtschaftszweige. Wer sich innerhalb unserer Amtsorganisation jedoch mit logistischen Berufen befasst, weiss natürlich um die besondere Bedeutung der Branche und kennt ihre Stärken. Erfreulicherweise gibt es sehr viele Ausbildungen in diesem Bereich auf ganz unterschiedlichen Bildungsniveaus.

Für die Logistikbranche ist der Fachkräftemangel kein leeres Schlagwort, sondern eine tägliche Herausforderung. Wie geht das SBFI mit diesem Thema um?
Wir sind in die Fachkräfteinitiative des Staatssekretariats für Wirtschaft involviert, die bei Weitem nicht bloss auf Bildung beschränkt ist. Mehrere Departemente des Bundes arbeiten auf verschiedenen Handlungsfeldern zusammen. Davon betrifft uns besonders dasjenige der Höherqualifizierung. Hier laufen derzeit verschiedene Massnahmen, mit denen wir unter anderem die MINT-Berufe fördern möchten. Allerdings geschieht das nicht nur mit Blick auf die Universitäten, sondern auch auf Stufe der Fachhochschulen. Beispielsweise gibt es ein Projekt, bei dem Inhaberinnen und  Inhaber von eidgenössischen Fähigkeitszeugnissen in bestimmten Bereichen wie Elektrotechnik oder Gebäudetechnik auch Zulassungsprüfungen an Fachhochschulen ablegen können. Damit möchten wir den Wert der höheren Berufsbildung verbessern.

Aus dem Bereich Logistik sind für drei Berufe die Profile bereits eingereicht und in Weiterbearbeitung: dipl. Logistikleiter/in, dipl. Supply Chain Manager/in sowie Logistikfachmann/-frau.

Ferner unterziehen wir das Berufsbildungsgesetz einer Teilrevision. Die Teilnehmer an vorbereitenden Kursen auf eidgenössische Prüfungen können wir dann künftig direkt finanzieren. So fördern wir nicht mehr die Anbieter solcher Kurse, sondern die Teilnehmer selbst. Wenn das Parlament 2016 den notwendigen Mitteln zustimmt, wird die Vorlage ab 2017 umgesetzt.

Wie ist der aktuelle Stand dieser Fachkräfteinitiative, und welche nächsten Schritte sind vorgesehen?
Die Fachkräfteinitiative ist ja auf lange Sicht angelegt. Schon jetzt, nach zwei bis drei Jahren, eine Bewertung zu ma- chen, ist nicht wirklich seriös. Bildungs- biografien laufen lebenslang, und der Arbeitsmarkt ist in ständiger Bewe- gung. Ein quantitatives Messen wird hier immer schwierig sein. Weil wir aber mit den Verbundpartnern aus der Wirtschaft zusammen agieren, werden wir zu gegebener Zeit aus deren Feedback sicher Rückschlüsse ziehen können.

Zur Fachkräfteinitiative gehört ja auch der nationale Qualifikationsrahmen, der die Schweizer Ausbildungsabschlüsse mit denen Rest­ europas vergleichbar macht. Welche Effekte erwarten Sie davon?
Die Arbeiten sind in gutem Fortschritt begriffen. Mit dem nationalen Quali- fikationsrahmen   wird   jedem   Berufsbezeichnung auch eine beschreibende Zeugniserläuterung beigefügt. Das verbessert die Vergleichbarkeit von schweizerischen und internationalen Bildungsabschlüssen. Davon profitieren beispielsweise «international» ausgebildete HR-Fachkräfte in Schweizer Betrieben: Sie haben dann mehr Wissen über den Wert einer Schweizer (Berufs-)Ausbildung und können sie dadurch besser einordnen.

Ein weiteres erklärtes Ziel des nationalen Qualifikationsrahmens ist das Darstellen der Gleichwertigkeit von akademischen Abschlüssen und Berufsbildungszeugnissen. Viele Zugezogene kennen das Schweizer System nicht. Sie meinen, es sei ein Makel, keinen Hochschulabschluss zu haben. Das ist jedoch nicht so. Allerdings gibt es hier noch viel Arbeit zu leisten, da es ja schon im Bereich der Grundbildung rund 230 verschiedene Berufe gibt. Aus dem Bereich Logistik sind für drei Berufe die Profile bereits eingereicht und in Weiterbearbeitung:  dipl. Logis- tikleiter/in, dipl. Supply Chain Mana- ger/in sowie Logistikfachmann/-frau. Erste Veröffentlichungen aus dem nationalen Qualifikationsrahmen können im Januar 2016 erwartet.

Im Bildungsmarkt ist eine Akademisierung zu beobachten, vor allem Fachhochschulen werben mit zahlreichen CAS, DAS und MAS um zahlungskräftige Kunden. «Sur Dossier» wird fast jeder aufgenommen. Die höhere Fachprüfung ist der Verlierer bei dieser Entwicklung. Sehen Sie das auch so?
Wir stellen fest, dass angebotsseitig sehr viel in dieser Richtung läuft. Effektiv gibt es ein Spannungsfeld, ob man die Weiterbildung auf Stufe der Berufsbildung oder der Hochschulschiene macht. Deshalb möchten wir mit unseren Arbeiten auch den Weg der höheren Fachprüfung als sinnvoll und nachhaltig profilieren. Die Unternehmen werden vermutlich auch morgen noch ein gesundes Bewusstsein dafür haben, dass jemand mit einer praxis- orientierten Ausbildung ein anderes Vorwissen mitbringt als jemand mit einer rein theoretischen Vorbildung. Allerdings gehört die Regulierung dieses Feldes dem Markt, den Bildungswilligen und den Arbeitgebern mit ihren Personalentscheiden.

Welche Vorstellungen hat das SBFI zum idealen Verhältnis von Berufs­ bildung und akademischer Bildung?
Es ist nicht an einer Bundesstelle, zu  solchen Fragen Vorstellungen zu entwickeln. In der Schweiz kann das Individuum seine  Wahl treffen, und staatliche Steuerung ist dementsprechend kaum ein Thema. Der Wert einer Berufsbildung ist ja weithin anerkannt. Betrachtet man die Zahlen der Schul- abgänger, die eine Berufsausbildung wählen, muss man sich keine Sorgen machen.
 
Die Schweiz ist für ihre Innovationsstärke bekannt. Welchen politischen Rahmen halten Sie hier für wichtig?
Wie bei der Fachkräfteinitiative werden auch hier mehrere  Politikbereiche angesprochen. Neben unserer Forschungs- und Innovationspolitik sind günstige Regelungen für KMU und eine geringe Regulierung des Arbeitsmarktes wichtig. Sozialer Friede ist eine entscheidende Vorbedingung für Investitionen, ebenso eine mass- volle Steuerpolitik. Dazu kommen ein hoher Bildungsstand und viel beruf- liches Können in der Bevölkerung. Herausheben möchte ich auch die Forschungsfreiheit. Aber das sind nur einige wichtige Punkte.

Welche Rolle hat die internationale Zusammenarbeit?
Internationale Kooperation ist einer der wichtigen Treiber für Innovationen. Wir erleben das immer wieder bei Forschungszusammenarbeit in internationalen Organisationen. Schwarm- intelligenz ist hier kein leerer Begriff. Die  freie Zirkulation von Menschen und ihrem Wissen ist solchen Prozessen sehr förderlich.

Zum Schluss würden wir gern noch wissen, vor welchen bildungspolitischen Herausforderungen die Schweiz ganz allgemein derzeit steht.
Da gibt es zahlreiche, aber sie haben einen gemeinsamen Nenner: heute, morgen und auch übermorgen den Rahmen bereitzustellen, dass sich so viele Menschen wie möglich so gut wie möglich bilden können in unserem Land. Das ist die Herausforderung.  ||

Die Fragen stellte Alexander Saheb.

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