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Swissness – eine wertvolle Bezeichnung

Anastasia Li-Treyer, Direktorin von Promarca(jh) Marken gehören zum Leben. Doch die Markenartikelhersteller haben in allen Sparten zu kämpfen. GS1 network im Gespräch mit Anastasia Li-Treyer, Direktorin von Promarca, über den Produktionsstandort Schweiz, Handelskonzentration, Swissness und Produktfälschung.

 

GS1 network: Welche Aufgaben nimmt Promarca als Verband der Markenartikelhersteller in der Wirtschaft und Politik wahr?
Anastasia Li-Treyer: Seit 80 Jahren vertritt Promarca die Interessen von Markenunternehmen gegenüber Politik, Handel und Öffentlichkeit. Wir tun dies über Stellungnahmen bei den Behörden und einen konstruktiven, faktenbasierten Dialog mit dem Handel und der Öffentlichkeit.

Wie sind die Hersteller in der Schweiz punkto Firmengrösse, Sortimentsbreite, Mitarbeiter usw. aufgestellt?
Unsere 98 Mitgliedsunternehmen erarbeiten einen Nettoumsatz von mehr als 10 Milliarden Franken, beschäftigen rund 16 000 Mitarbeitende und führen über 2000 Marken. Diese Zahlen alleine zeigen, wie wichtig Markenunternehmen für die Schweiz sind. Als Treiber von Innovation und Wertschöpfung investieren diese Unternehmen jedes Jahr mehrere hundert Millionen Franken in den Standort Schweiz und in Forschung und Entwicklung.

Wie würden Sie die Handelskonzentration in der Schweiz beschreiben? Welche Konsequenzen hat die hohe Konzentration?
In der Schweiz teilen sich praktisch zwei Grossverteiler den Markt, wovon einer nur wenig Markenartikel führt. Das ist weltweit einmalig, aber auch äusserst bedenklich, was den Wettbewerb anbelangt. Grossverteiler können zwischen vielen Markenlieferanten auswählen. Die Hersteller von Markenartikeln haben nur noch einen flächendeckenden Kanal. Die Situation wird ausserdem durch den hohen Eigenmarkenanteil – den höchsten Europas – verschärft. Dies ist eine äusserst schwierige Ausgangslage für Markenartikelhersteller.

Wie schätzen Sie die Chancen und Risiken des Produktionsstandorts Schweiz ein?
Es gibt immer noch viele Unternehmen, die in der Schweiz produzieren und dies auch weiterhin tun werden. Swissness spielt hier eine nicht vernachlässigbare Rolle. Trotzdem sollten Handel und Industrie wachsam sein und sich einsetzen, damit nicht die Warenvielfalt abnimmt und das Warenangebot in der Schweiz blind an die europäische Norm angepasst wird. Es sollten Voraussetzungen geschaffen werden, um auf die spezifischen Bedürfnisse der Schweizer Konsumenten eingehen zu können. Nur so wird die Attraktivität des Standorts Schweiz für Markenunternehmen beibehalten.

Das durchschnittliche Preisniveau liegt in der Schweiz rund 30 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Besonders auffällig sind die Unterschiede bei Nahrungsmitteln; Fleisch ist in der Schweiz bis zu 50 Prozent teurer. Welche Faktoren verursachen die Hochpreisinsel Schweiz?
Höhere Preise für einen Teil der Produkte entstehen in der Schweiz grösstenteils durch deutlich höhere Kosten und Auflagen als in anderen Ländern. Dazu gehören Zölle, Vorschriften betreffend Verpackungs- und Produktinformation, Umwelt- und Gesundheitsanforderungen, höheres Lohnniveau usw. Die Hersteller sind genauso wie der Handel interessiert, ihre Produkte zu einem möglichst günstigen und marktgängigen Preis zu verkaufen. Die Forderung, das Schweizer Preisniveau müsse sich dem deutschen anpassen – nur weil Deutschland das tiefste Preisniveau in ganz Europa hat –, ist eine Illusion.

Welche Möglichkeiten würden Sie in Betracht ziehen, damit die Schweiz günstiger wird?
Durch den intelligenten Abbau von Handelshemmnissen, zum Beispiel durch Freihandelsabkommen, kann bereits viel erreicht werden. Parallelimporte markengeschützter Güter sind ja schon seit 1996 zugelassen. Ziel muss sein, rechtliche Auflagen und unnötige administrative Vorschriften zu reduzieren, aber auch Wettbewerb zu fördern. Keine leichte Aufgabe, vor allem weil man das Kind nicht mit dem Bad ausschütten darf. Dem  Schweizer Konsumenten geht es – laut einer kürzlich publizierten Studie – in Bezug auf Kaufkraft am besten. Wir haben die höchste Kaufkraft weltweit und geben nur 7 Prozent unseres Haushaltsbudgets für Lebensmittel aus. Was nützen mir tiefe Preise, wenn meine Kaufkraft sinkt? Was halten Sie vom Gesetzgebungsprojekt «Swissness», das auch für Lebensmittel gelten soll?

Was halten Sie vom Gesetzgebungsprojekt «Swissness», das auch für Lebensmittel gelten soll?
Promarca glaubt, dass für ein rohstoffarmes Land wie die Schweiz die Wertschöpfung das richtige Kriterium ist, um Swissness abzugrenzen. Wenn 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz generiert werden, soll sich ein Produkt auf Swissness beziehen können, und dies sollte für alle Produkte gelten.

Gehen wir davon aus, dass ein Produkt nur als Schweizer Produkt gilt, wenn es vollständig in der Schweiz hergestellt wird: Was wären die Folgen?
Dies als einziges Kriterium anzuwenden, würde bedeuten, nicht zu erkennen, was die Stärken der Schweiz in dieser globalisierten Welt heute sind. Die Schweiz steht für Wertschöpfung. Dazu gehören Forschung und Entwicklung, Know-how, Tradition, hervorragende Qualität usw. und nicht nur Produktion. Swissness ist eine wertvolle Bezeichnung, die aber an Kraft und dementsprechend auch an Wert verlieren würde, wenn sie nur von ganz wenigen Unternehmen genutzt werden könnte.

Sie präsidieren den Verein STOP PIRACY. Die Organisation will verstärkt gegen Fälschungen und Produktpiraterie vorgehen. Welche Ziele verfolgt STOP PIRACY, und welche Massnahmen sollen zum Erfolg führen?
STOP PIRACY klärt die Öffentlichkeit über die negativen Folgen von Fälschung und Piraterie auf. Haben Sie gewusst, dass die Fälschungsindustrie Teil des organisierten Verbrechens ist? Solche Botschaften kommunizieren wir unter anderem mit Flyern, Medienkonferenzen, Plakatkampagnen, Kinospots oder via Zoll, Reisebüros und unsere Website www.stop-piracy.ch. Zudem vernetzt STOP PIRACY das Wissen von privaten Partnern und Behörden und verbessert so die Koordination.

Welche Möglichkeiten bestehen auf gesetzlicher Ebene?
Rechtsinhaber und ausschliessliche Lizenznehmer können Fälschungen in der Regel zivilrechtlich, strafrechtlich oder über den Zoll abwehren. Die Hersteller sind dabei gefordert, stark mit den Behörden zu kooperieren. Es lohnt sich, auch im FMCG-Bereich: Im Jahr 2008 hielt der Zoll an den EU-Aussengrenzen 2 434 959 Nahrungsmittel und Getränke sowie 4 588 317 Kosmetik- und Körperpflegeprodukte aufgrund eines Fälschungsverdachts zurück.

Unternehmen die Behörden Ihrer Meinung nach genug im Kampf gegen die Fälschungen?
Die Schweizer Behörden zeigen sich auf allen Stufen sehr engagiert. So fordert Bundesrätin Doris Leuthard öffentlich auf unserer Website: «Innovationen lassen die Wirtschaft wachsen. Kaufen Sie Originale, stoppen Sie Piraterie.» Ausserdem ist das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum, die Kompetenzstelle des Bundes für das Immaterialgüterrecht, beispielsweise in der Gesetzgebung und der internationalen Kooperation sehr aktiv.

Die Abwehr der Produktfälschung ähnelt doch sehr dem Kampf gegen die Hydra. Ist eine Bekämpfung der Produktpiraterie überhaupt realistisch?
Alle Massnahmen, die die Chance erhöhen, Fälscher zu erwischen, bringen uns einen Schritt vorwärts. Ganz verhindern lässt sich das Phänomen erst, wenn die Konsumenten nicht mehr bereit sind, Fälschungen zu kaufen, Fälscher zu finanzieren und dadurch ihre eigene Wirtschaft zu schwächen. STOP PIRACY setzt sich für die Sensibilisierung der Konsumenten ein.

Die Fragen stellte Joachim Heldt.

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