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Beispiel rechtlicher Standardisierung

Beispiel rechtlicher StandardisierungDie Incoterms sind ein Regelwerk der ICC Paris. Sie definieren die Lieferbedingungen für den internationalen Warenhandel zwischen den Kaufparteien. Diese sind in 13 Trade Terms (Lieferklauseln) gegliedert. Die letzten Änderungen stammen aus dem Jahr 2010.

(rv) Jedes Land hat seine eigenen Gesetze, und sobald ein internationaler Sachverhalt vorliegt, stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Recht.

Die Incoterms können diesen Konflikt zwar nicht lösen, doch beinhaltet jede der Klauseln ein Konzept zur Regelung der Verpflichtungen von Verkäufer und Käufer. Auf diese Weise tragen die IncotermsKlauseln auf vertraglicher Ebene zur Vereinheitlichung des internationalen Warenverkehrs bei.

Entstehung der Incoterms
Schon früh waren die im Aussenhandel tätigen Wirtschaftstreibenden bemüht, die Vertragsbeziehungen im internationalen Warenkauf durch standardisierte Abreden zu regeln. So entwickelte sich eine Klauselpraxis, die dem Bedürfnis nach vorgeformten Musterverträgen entsprach. In einer ersten Phase entstanden die sogenannten Trade Terms. Sie gaben Aufschluss darüber, wie die handelsüblichen Vertragsformeln in den verschiedenen Ländern ausgelegt wurden. Da diese Auslegungen sehr uneinheitlich waren, konnten sie nur die Vorarbeit für eine einheitliche Auslegung von handelsüblichen Vertragsformeln im internationalen Verhältnis darstellen. Mit dem Ziel der Vereinheitlichung der wichtigsten Verpflichtungen von Käufer und Verkäufer entstanden die Incoterms von 1936. Die Verwurzelung dieser Incoterms im internationalen Warenverkehr wurde jedoch durch den Zweiten Weltkrieg verhindert. Nach Ende des Krieges waren sie teilweise bereits wieder überholt. In Revisionsbemühungen entstanden dann die Incoterms 1953, welche eine einheitliche Regelung von wesentlichen Verkäufer und Käuferpflichten im Rahmen der wichtigsten Typen der im internationalen Handel gebräuchlichen Lieferverträge zum Gegenstand hatten und mittels einer Kurzformel wichtige Vertragspunkte zum Ausdruck bringen. Da der internationale Warenverkehr einem steten Wandel unterworfen ist, müssen auch die Incoterms regelmässig den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Diese Änderungen werden in Abständen von jeweils zehn Jahren durch die ICC (Internationale Handelskammer) mit Sitz in Paris vorgenommen. Die letzten Änderungen stammen aus dem Jahr 2010.

Die Incoterms im Überblick
Die Incoterms lassen sich in vier Kategorien einteilen: C, D, E und FKlauseln. Bei den EKlauseln handelt es sich um Abholklauseln, wobei Risiko und Kosten schon früh auf den Käufer übergehen. Die DKlauseln sind sogenannte Ankunftsklauseln, bei welchen die Verpflichtungen des Verkäufers erst im Ankunftsland erfüllt sind. Cund F Klauseln sind Versendungsklauseln, bei denen die Verpflichtung des Verkäufers darauf beschränkt ist, die Ware an den Frachtführer zu übergeben. Die Klauseln werden neu in zwei Gruppen unterteilt: Klauseln für den See und Binnenschifffahrtstransport und Klauseln für jede Transportart.

Klauseln für jede Transportart
EXW (Ex Works / Ab Werk)
Diese Klausel bedeutet, dass der Verkäufer seine Lieferpflicht erfüllt hat, wenn er die Ware dem Käufer bei sich
oder an einem anderen, vertraglich vereinbarten Ort zur Verfügung stellt. Der Käufer hat also sämtliche Kosten und Gefahren, welche mit dem Transport der Ware verbunden sind, selber zu tragen. Diese Klausel stellt eine Mindestverpflichtung für den Verkäufer dar. In den Incoterms 2010 wird nun deutlich darauf hingewiesen, in welchen Fällen die Anwendung dieser Klausel problematisch bzw. ungeeignet ist.

FCA (Free Carrier / Frei Frachtführer)
Bei dieser Klausel verpflichtet sich der Verkäufer dazu, die Ware auf seine Kosten einem vom Käufer genannten Frachtführer an einem vereinbarten Ort zu übergeben. Ab dem Zeitpunkt der Übergabe trägt der Käufer das Risiko sowie die Transportkosten.

CPT (Carriage paid to / Frachtfrei)
Danach liefert der Verkäufer die Ware dem von ihm selbst benannten Frachtführer. Dabei trägt er die Beförderungskosten bis zum vereinbarten Bestimmungsort. Die Transportgefahr geht bei der Übergabe an den ersten Frachtführer auf den Käufer über.

CIP (Carriage and Insurance paid to / Frachtfrei versichert)
Auch hier trägt der Verkäufer die Beförderungskosten bis zum vereinbarten Bestimmungsort. Zusätzlich muss er aber auf seine Kosten eine Transportversicherung zugunsten des Käufers abschliessen. Bei dieser Versicherung genügt die Mindestdeckung.

DDP (Delivered Duty paid / Geliefert verzollt)
Diese Klausel beinhaltet die maximal mögliche Verpflichtung für den Verkäufer. Das heisst, dass die Ware vom Verkäufer dem Käufer an dem im Kaufvertrag genannten Bestimmungsort im Einfuhrland zollabgefertigt zur Verfügung zu stellen ist. Der Verkäufer trägt dabei die Frachtkosten, die Einfuhrzölle und die Nebenabgaben. Bei dieser Klausel gibt es jedoch keine Transportversicherungspflicht.

DAT (Delivered at Terminal / Geliefert Terminal)
Bei dieser neuen Klausel verpflichtet sich der Verkäufer, die Ware an einem vom Käufer genannten Terminal zur Verfügung zu stellen. Hier ist insbesondere die Informationspflicht des Käufers wichtig, denn der Terminal muss so genau wie möglich angegeben werden. Gefahr und Kosten gehen erst auf den Käufer über, wenn die Ware an diesem Terminal entladen zur Verfügung gestellt wird.

DAP (Delivered at Place / Geliefert benannter Ort)
Auch diese Klausel ist neu und besagt, dass der Verkäufer dem Käufer die Ware am genannten Bestimmungsort unentladen zur Verfügung stellen muss. Auch hier muss der Käufer den Bestimmungsort so genau als möglich bezeichnen. Kosten und Gefahr gehen an diesem Ort auf den Käufer über.

Klauseln für den See- oder Binnenschifffahrtstransport
FAS (Free alongside Ship / Frei Längsseits Schiff)
Diese Klausel bedeutet, dass der Verkäufer seine Lieferpflicht erfüllt hat, sobald die Ware längsseits des Schiffs im genannten Verschiffungshafen gebracht wurde. In diesem Zeitpunkt geht die Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung auf den Käufer über. Der Käufer trägt ab diesem Zeitpunkt alle Kosten.

FOB (Free on Board / Frei an Bord)
Dabei endet die vertragliche Verpflichtung des Verkäufers, wenn die Ware im genannten Hafen auf das vom Käufer genannte Schiff verladen wurde. Massgeblich als Schnittstelle ist nicht mehr die Reling. Der Käufer trägt ab diesem Zeitpunkt die weiteren Kosten sowie die Gefahr, dass die Ware auf dem Transport beschädigt wird.

CFR (Cost and Freight / Kosten und Fracht)
Bei dieser Klausel trägt der Verkäufer die Frachtkosten bis zum vertraglich vereinbarten Bestimmungshafen. Die Gefahr geht im Verschiffungshafen bzw. an Bord des Schiffes über.

CIF (Cost, Insurance and Freight / Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungshafen)
Diese Klausel ist grundsätzlich gleichen Inhalts wie die CFR-Klausel, mit dem Unterschied, dass der Verkäufer zusätzlich die Transportversicherung für die Gefahr von Beschädigung oder Verlust der Ware während des Transports abzuschliessen hat. 

Die Änderungen der Revision von 2010 im Allgemeinen
Die Änderungen gründen einerseits wie bis anhin in der Handelspraxis, ergeben sich erstmals aber auch aus der rapiden Verbreitung der elektronischen Kommunikation im Laufe des vergangenen Jahrzehnts. Bei allen Klauseln ist deshalb neu vorgesehen, dass alle Dokumente durch elektronische Mitteilungen ersetzt werden können. Dies gilt jedoch nur, wenn dies auch der praktischen Übung entspricht oder von den Parteien vereinbart wurde. Wegen der veränderten Gefahrenlage wurde in allen Klauseln die Verpflichtung des Verkäufers eingeführt, auf Verlangen des Käufers alle für die Sicherheitsüberprüfung der Ware erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es erfolgt zudem die Klarstellung bei allen Klauseln, dass sich die Pflicht zur Bereitstellung von Dokumenten und Informationen für den Transport und die Einfuhr auch auf die sicherheitsrelevanten Informationen bezieht. Die Schifffahrtsklauseln DAF (Delivered at Frontier) sowie DES (Delivered ex Ship) wurden durch die Klausel DAP (Delivered at Point) ersetzt, welche für alle Transportarten verwendbar ist. Diese neue Klausel stellt klar, dass der Verkäufer die Waren zwar als Bringschuld an den Bestimmungsort zu liefern hat, die Lieferung aber mit der Zurverfügungstellung der Ware auf dem für den Versand bestimmten Transportmittel vollendet ist. Zudem wurden die Klauseln DDU (Delivered Duty unpaid) und DEQ (Delivered ex Quay) durch die Klauseln DAT (Delivered at Terminal) und DAP (Delivered at Place) ersetzt.

Rechtliche Qualifikation
Die Incoterms sind ein Instrument (oder eben Standard), das durch die Internationale Handelskammer den Handelsparteien zur Verfügung gestellt wird. Damit grenzen sie sich deutlich von einer nationalen gesetzlichen oder internationalen völkervertraglichen Regelung ab, die durch die zuständigen staatlichen Organe im Gesetzgebungsverfahren genehmigt worden sein muss. Sie werden auch nicht automatisch zum Vertragsbestandteil, denn es gibt auf internationaler Ebene keine Bestimmung, welche die Anwendung oder die Geltung von Incoterms zwingend vorschreibt. Zum Vertragsbestandteil werden sie folglich nur, wenn die Parteien die Klausel explizit in ihrer Vereinbarung erwähnen. Die Parteien entscheiden selbst über deren Anwendung. Zu beachten ist, dass die Klausel immer von einer Ortsbezeichnung begleitet wird. Je nach Klausel ist von einer anderen Ortsbezeichnung auszugehen: • Abgangsort: EXW • Bestimmungsort: FCA, CPT, CIP, DDP, DAP und DAT Verschiffungshafen: FAS und FOB • Bestimmungshafen: CFR und CIF Wichtig ist zudem, welche Fassung der Incoterms vereinbart worden ist. Um insbesondere diejenigen Handelsverträge an den Aktualisierungen der Incoterms teilhaben zu lassen, in denen Leistungen über eine bestimmte Dauer erbracht werden, empfiehlt es sich, die jeweils gültige Fassung der Incoterms als anwendbar zu vereinbaren. Damit können allfällige Missverständnisse vermieden werden. Sind die Klauseln im Vertrag vereinbart worden, so gehen sie den gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen der Vertragsfreiheit vor. Wichtig ist zu beachten, dass die Klauseln nur im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien gelten und nicht auch im Verhältnis zu Dritten, wie zum Beispiel Spediteuren, Versicherungen oder Frachtführern. Die Incoterms regeln Vertragspunkte, welche sich bei jedem Warenhandelsvertrag immer wieder stellen und zwischen den Parteien geklärt werden müssen. Der Regelungsbereich der Incoterms beschränkt sich dabei auf Transportkosten, Versicherungskosten, Zölle, Einfuhr- und Mehrwertsteuern, Beschaffung und Aushändigung notwendiger Dokumente und Regelung des Zeitpunktes, ab welchem die Preisgefahr übergeht. Fragen nach Eigentumsübergang, Rechtswahl, Gerichtsstand, Zahlungsabwicklung, Haftungsausschlüssen, Mängeln und Leistungsstörungen sowie Übergang der Verfügungsbefugnis werden durch die Incoterms nicht geregelt.

Robert Vogel, lic. jur. Rechtsanwalt LL.M. Internationales Wirtschaftsrecht 

 

Zum Schluss …
Standardisierung bedeutet zwangsläufig Definition. Erkennen Sie den Gegenstand der folgenden Definition? «Selbstreproduzierende Kleinflugkörper auf biologischer Basis mit fest programmierter automatischer Rückkehr aus beliebigen Richtungen und Distanzen.» Richtig, die Brieftaube, definiert von der Schweizer Armee, deren Brieftaubendienst 1995 aufgelöst worden ist.


 

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