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Lehre und Praxis – Hand in Hand?

Das A und O einer gut funktionierenden Wirtschaft sind bekanntlich gut ausgebildete Fachkräfte. In der Schweiz hat sich die Logistikaus- und -weiterbildung den Anforderungen der Praxis im Laufe der Zeit immer wieder angepasst.

(bs) Werfen wir einen Blick zurück ins Jahr 1994. Im Artikel «Die Zukunft der Spedition » war unter anderem zu lesen, dass ein Ausbau der Logistik, auch im Dienstleistungsbereich, erforderlich sei. Strategisches Denken und Handeln, ausgerichtet auf den dauerhaften Wettbewerbsvorteil, seien überlebensnotwendig geworden. Dabei – so der Artikel – «steht die Logistik als strategisches Unternehmenskonzept […] zur Stärkung der Marktposition.» Zu dieser Zeit hat die Logistik in vielen Unternehmungen an Bedeutung gewonnen und das Angebot an Logistik- Aus- und Weiterbildungen zugenommen. Da der Begriff Logistik dabei die Organisation, Planung, Steuerung, Abwicklung und Kontrolle des gesamten Warenflusses mit den damit verbundenen Informations- und Werteflüssen umfasst, ist leicht zu erkennen, wie vielseitig und komplex die Logistik bezüglich fachlicher Spezialisierung, Aufgaben und Kompetenzen ist.
Klaus [1] unterscheidet weiterhin in der Logistik drei Anforderungsprofile des Berufsbilds:

  • operative Funktionen, wie Lager und Transportaktivitäten
  • Querschnitts- und Managementfunktionen zur Optimierung von inner- und ausserbetrieblichen Prozessen und Schnittstellen
  • Netzwerkkonfiguration mit dem Supply Chain Design, Supply Chain Management und der Flussoptimierung, -stabilisierung und -lenkung

Nicht zuletzt sind die unterschiedlichen Anforderungen einzelner Branchen zu berücksichtigen. Dies hat in der Konsequenz zu unterschiedlichen, klar getrennten Ausbildungsrichtungen und -niveaus geführt: Ein eigentliches Berufsbild «Logistiker/in» gibt es nicht.

Schweizerisches Berufsbild für Spezialisierte Fachanwender

Früher lag der Schwerpunkt der Ausbildung eher auf Inhalten und Wissen. Heute basiert sie stattdessen auf Berufsprofilen, Arbeitsprozessen sowie Kompetenzen. Kompetenz bedeutet dabei «das Potential in einer konkreten Handlungssituation adäquat und professionell zu handeln oder anders ausgedrückt, durch Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz die Praxis an konkreten Arbeitssituationen zu bewältigen.» [2]
In der heutigen, praxisorientierten Logistikausbildung geht es letztlich um die Qualifizierung spezialisierter Fachanwender, die nach Möglichkeit in möglichst vielen Teilbereichen der Logistik einsetzbar sind. [3]

Praxisorientiert und durchlässig

Einige Beispiele der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen, dass regelmässig Massnahmen zur Sicherstellung von Praxisbezug und Transparenz ergriffen werden. So wurden mit dem Berufsbildungsgesetz von 2002 die Organisationen der Arbeitswelt (OdAs), beispielsweise Berufsverbände, vermehrt in die Verantwortung bei der berufspraktischen Aus- und Weiterbildung miteinbezogen. Damit sollte der Praxisbezug von der beruflichen Grundbildung (EFZ) bis hin zu den Höheren Fachschulen (HF) gewährleistet werden.
Im Projekt Swiss Supply Chain wurden für die Abschlüsse auf Stufe eidgenössischer Fachausweis und eidgenössisches Diplom gemeinsame Fächer und Lerninhalte festgelegt und in sogenannten Basismodulen gebündelt und geprüft. Gemäss dem Motto «Kein Abschluss ohne Anschluss» ist es heute zudem möglich, über die Höheren Fachschulen auch ohne Matura an Fachhochschulen oder Universitäten zu studieren. Die Durchgängigkeit der verschiedenen Abschlüsse ist somit gewährleistet. Auf internationaler Ebene dauern die Bestrebungen um die internationale Anerkennung der Berufsbilder noch an.

CFO asks CEO: «What happens if we invest in developing our people and then they leave us?» CEO: «What happens if we don’t, and they stay?» - Gelesen auf LinkedIn 

Zusammenfassend kann von einem soliden Aus- und Weiterbildungsniveau in der Schweiz gesprochen werden, das der heutigen Praxis gerecht wird. Die vielen Titel machen jedoch die Rekrutierung der richtigen Personen mit den für das Unternehmen erforderlichen Kompetenzen nicht immer leicht. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Bildungsinstitutionen verschiedene Bildungsschwerpunkte setzen können, die aber zum gleichen Abschluss führen.

Ein Blick in die Zukunft

Die Logistik wird generell von vier Trends getrieben. So wird sie neben der Konjunktur und gestiegenen Kundenanforderungen auch von Technologie und Organisation beeinflusst. Hierzu gehören unter anderem neue Formen der internen und externen Zusammenarbeit oder neue Informationstechnologien, Automatisierung und Identifizierung. Nicht zuletzt sind globale Trends wie Supply Chain Security und Green Logistics zu nennen. [3]
Damit die Logistikausbildung in Zukunft praxisgerecht bleibt, müssen wir uns auf der Tertiärstufe (Berufsprüfungen, Höhere Berufsprüfung und Höhere Fachschulen) vom «Wissen auf Vorrat», welches sehr schnell veraltet, verabschieden. Stattdessen muss das Verstehen von logistischen Zusammenhängen durch analytische Fähigkeiten und Abstraktionsvermögen ergänzt werden. Neben dem Präsenzunterricht steht das selbstgesteuerte und kompetenzbasierte Lernen im Vordergrund. Ferner sind gerade in der Aus- und Weiterbildung die Altersunterschiede und die damit verbundenen Erfahrungs- und Kompetenzunterschiede zu berücksichtigen. Damit muss die Frage gestellt werden, ob der Stoff von A bis Z durchzuarbeiten ist oder ob der Lernende genau dort abgeholt wird, wo seine persönlichen Defizite bestehen [4], damit er so seine Aufgaben im Unternehmen besser erfüllen und seine Arbeitsmarktchancen verbessern kann.
Die Logistik der Zukunft wird noch vernetzter, noch globaler und noch technischer. Damit steigen nicht nur die Anforderungen an die Fach- und Methodenkompetenzen. Interkulturelle Managementfähigkeiten und Sozialkompetenz werden an Bedeutung zunehmen. Hier sind auch die Unternehmen gefordert, den Praxistransfer sicherzustellen.

Beat Schlumpf
GSL Consulting GmbH, Biberist


Literatur

[1] Vgl. Klaus Peter und Krieg Winfried (Hrsg.), Gabler-Lexikon Logistik. Management logistischer Netzwerke und Flüsse, 1998
[2] Schubiger Andreas, Berufsfelddidaktik der beruflichen Grundbildung und höheren Berufsbildung, ZbW – Zentrum für berufliche Weiterbildung, Schulungsunterlagen zum Lehrdiplom Höhere Fachschulen im Nebenberuf, 2012
[3] Klumpp Mathias, ILD/FOM Logistikforschung, Band 6 – Logistiktrends und Logistikausbildung, 2020, S. 1
[4] Prof. Dr. Christopher Jahns, EBS Universität, DVZ/Log.Kompass, Forschungsagenda Logistik – Die Weiterbildungsgiganten, 2011, S. 36
 

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