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Gesund und teuer

Gesund und teuerLaut Monitoring des Bundesamtes für Gesundheit sind im Jahr 2008 die Gesundheitskosten weiter angestiegen. Die Kosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beliefen sich pro versicherte Person auf 2973 Franken.

(gk) Die Kosten des schweizerischen Gesundheitssystems steigen von Jahr zu Jahr, und mit ihnen die Prämien der Krankenversicherungen. Nachdem der Prämienanstieg in den vergangenen Jahren durch Auflösung von Reserven der Versicherungen künstlich niedrig gehalten wurde, droht zum Jahres ende ein Anstieg von über 10 Prozent.

Dies hat zu hektischen und zum Teil wenig durchdachten Vorschlägen für Massnahmen zur Kosteneindämmung geführt. Selbst wenn diese Massnahmen eingeführt werden und Erfolg haben sollten, spricht nichts dafür, dass damit die grundlegenden Probleme des Gesundheitswesens behoben werden.

Aufgaben und Probleme im Gesundheitswesen
Es gibt im Gesundheitswesen drei zentrale Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, zwischen denen jedoch Zielkonflikte bestehen. Es geht erstens darum zu verhindern, dass erforderliche medizinische Betreuung nicht gewährt wird, weil Patienten nicht in der Lage sind, die Kosten dafür aufzubringen.
Zweitens soll Verschwendung vermieden werden, und drittens soll sich auch im Gesundheitsbereich die Versorgung an den individuellen Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Die besondere Schwierigkeit ergibt sich im Gesundheitssektor aus dem Zusammentreffen von drei Problemen:
1. Da die Patienten kaum in der Lage sind zu beurteilen, was für sie in ihrer jeweiligen Situation angemessen ist, bestimmt der Arzt als Anbieter weitgehend selbstständig über die erbrachten Leistungen («anbieterinduzierte Nachfrage»).
2. Da ein grosser Teil der Leistungen nicht über den Markt abgerechnet wird, wo Leistungen mit Gegenleistungen verrechnet werden, sondern über Versicherungen, bei denen dieses Prinzip gelockert wird, taucht das Problem des «moralischen Risikos» auf, das heisst, dass Menschen nach Abschluss einer Versicherung ihr Verhalten ändern.
3. Da die Prämien nicht risikoabhängig sind, droht die Gefahr der «negativen Auslese», das heisst, nur Patienten mit hohem Risiko werden eine Versicherung abschliessen. Die deshalb eingeführte allgemeine Pflichtversicherung führt zu zusätzlichen Schwierigkeiten, insbesondere setzt sie bei den Versicherern Anreize, sich um die Gewinnung möglichst guter Risiken statt um Kostensenkung zu bemühen.
Angesichts dieser Problematik gibt es nicht die ideale Lösung; es kommt vielmehr darauf an, durch eine Kombination von Elementen des Wettbewerbs, gepaart mit intelligenter staatlicher Regulierung, eine möglichst gute Lösung zu realisieren. Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung der Kosten dargestellt, anschliessend wird die grundsätzliche Problematik aufgezeigt und schliesslich werden Ansätze für kostensenkende Reformen diskutiert.

Höhe, Anstieg und Struktur der Kosten
Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eines der teuersten Gesundheitssysteme. Dies gilt nicht nur absolut, sondern auch relativ, das heisst, in Bezug auf das Bruttoinlandprodukt. Bis zu einem gewissen Punkt schlagen sich höhere Gesundheitsausgaben in einer Verbesserung objektiver Gesundheitsindikatoren wie beispielsweise der Lebenserwartung als auch subjektiver Indikatoren wie der Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem nieder. Die Schweiz weist hier sehr gute Werte aus, das heisst, den hohen Kosten steht auch eine hervorragende Qualität des Gesundheitssystems gegen über, die allen Einwohnern, also auch jenen, die nur über ein ge ringes Einkommen verfügen, zugute kommt.

Darin unterscheidet sich die Schweiz beispielsweise von den Vereinigten Staaten, deren Gesundheitssystem noch teurer ist, was jedoch bei weitem nicht allen Einwohnern zugute kommt. Dennoch sollte man angesichts der hohen Kosten des schweizerischen Systems sowie angesichts der Tatsache, dass andere Staaten ein ähnlich gutes System bei deutlich geringeren Kosten haben, die Frage nach der Effi zienz und damit auch nach erforderlichen Reformen stellen.

Die Struktur der Kosten ist mit zwei Ausnahmen in den letzten Jahrzehnten relativ konstant geblieben: Der Anteil der Kosten für die ambulante Behandlung hat deutlich zu- und jener für die Zahnbehandlung deutlich abgenommen. Die Kosten der stationären Behandlung machen fast die Hälfte der gesamten Kosten aus. Damit sind sie erstens im internationalen Vergleich sehr hoch. Zweitens aber ist dieser Anteil in vergleichbaren Ländern in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken, in der Schweiz jedoch in etwa konstant geblieben. Dies deutet darauf hin, dass bei uns die stationäre im Vergleich zur ambulanten Behandlung ein zu grosses Gewicht hat.

Mengen und Preise dürften sich in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich entwickelt haben. Während bei der ambulanten Behandlung eine deutliche Mengenausweitung festzustellen ist, die auch mit der zunehmenden Ärztedichte zusammenhängen dürfte, stellen wir bei den Medikamenten sowie insbesondere im stationären Bereich vor allem einen Preisanstieg fest. Versuche, den Kostenanstieg einzudämmen, müssen daher in den einzelnen Bereichen an unterschiedlichen Punkten ansetzen.

Die Kostenentwicklung in der Schweiz ist jedoch nicht singulär, sondern sie ist eingebettet in eine internationale Tendenz zum relativen Anstieg der Gesundheitsausgaben. Dies deutet darauf hin, dass es Gründe für diesen Anstieg gibt, die nicht im schweizerischen System liegen und die, soll die Qualität nicht verschlechtert werden, kaum ausser Kraft gesetzt werden können.

Die grundsätzliche Problematik des Gesundheitswesens
Wie ausgeführt wurde, ergeben sich die Probleme bei der Finanzierung des Gesundheitswesens vor allem dadurch, dass die Leistungen nicht über freiwillige Zahlungen in einem Markt, sondern über Versicherungen abgerechnet werden, welche dafür Prämien verlangen, die zudem (z.B. im Vergleich zu einer Kraftfahrzeughaftpfl ichtversicherung) unabhängig vom Risiko des Versicherten sind. Würden Gesundheitsleistungen wie andere Dienst leistungen über den Markt abgerechnet, wären wir froh, dass wir einen so florierenden Sektor in unserer Wirtschaft haben. Dies gilt insbesondere angesichts der jetzigen Krise. Die Art der Finanzierung beruht auf einem (implizit gefassten) gesellschaftlichen Beschluss, dass die Leistungen der medizinischen Grundversorgung allen Kranken in unserem Land unabhängig von ihrem Einkommen zur Verfügung stehen sollen. Dies aber führt zum oben erwähnten moralischen Risiko.

Dessen Auswirkungen wie auch jene der anbieterinduzierten Nachfrage können durch geeignete institutionelle Massnahmen zwar begrenzt, aber nicht gänzlich vermieden werden. Hier liessen sich durch Reformen Einsparungen erzielen. Diese bewirken eine zeitweise, aber kaum eine dauerhafte Verringerung des Kostenanstiegs und damit auch des Anstiegs der Prämien für die obligatorische Krankenversicherung. Zudem sollte man bei allen Massnahmen immer auch mögliche negative Nebenwirkungen bedenken.

Die Einheitsprämie bzw. die Tatsache, dass die Prämien die individuellen Risiken nicht reflektieren, führt dazu, dass sich der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen hauptsächlich um gute Risiken und kaum um kostengünstige Behandlungen dreht. Durch einen guten Risikoausgleich zwischen den Kassen lässt sich diese Fehlentwicklung zumindest abschwächen und damit auch ein Beitrag zur Kostensenkung erreichen.

Hohe Medikamentenpreise
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich bei Gesundheitsleistungen in erheblichem Umfang um Güter handelt, die bei steigendem Einkommen überproportional nachgefragt werden, ist jedoch auch in Zukunft mit steigenden Gesundheitsausgaben zu rechnen. Gleichzeitig wirkt die zunehmende Alterung der Bevölkerung in diese Richtung. Daher werden die Prämien für die Krankenversicherung vermutlich auch in Zukunft stärker steigen als die Einkommen. Daran kann die Politik nichts ändern, wenn sie die Qualität der gesundheitspolitischen Versorgung nicht beeinträchtigen will.

Dazu kommt die ambivalente Rolle des technischen Fortschritts in der Medizin. Einerseits begrüssen wir alle Fortschritte in diesem Bereich. Während er in anderen Bereichen häufi g die Kosten senkt, treibt der technische Fortschritt im medizinischen Bereich die Kosten eher in die Höhe. Dies hängt zum Teil mit den hohen Preisen für neue Medikamente zusammen, vor allem aber damit, dass dadurch nicht nur allgemein, sondern auch bei schweren Krankheiten die Lebenserwartung erhöht wird, was kostentreibend wirkt. Dazu kommt, dass der technische Fortschritt bei den Medikamenten häufig nicht nachhaltig ist: Viren, gegen die Medikamente eingesetzt werden, mutieren und werden resistent, sodass gegen die gleichen Krankheiten wieder neue Medikamente entwickelt werden müssen.

Die Rationierung kommt
Angesichts dieser Tatsache und der Erwartung, dass der Anteil der Gesundheitsausgaben am Einkommen auch in Zukunft steigen dürfte, werden wir uns der Notwendigkeit einer Rationierung im Gesundheitswesen auf Dauer nicht entziehen können. Dabei sollten wir uns bewusst sein, dass wir faktisch immer schon Rationierung betrieben haben und auch heute betreiben. Wenn beispielsweise über die Einrichtung eines regionalen Herzzentrums entschieden wird, geht es auch darum, wie gross bei einem Herzinfarkt die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten ist; die Ablehnung der Errichtung eines solchen Zentrums bedeutet, dass – im Durchschnitt – eine bestimmte Anzahl von Patienten pro Jahr frühzeitig sterben wird. Und auch die Frage, wie viel Forschung wir im medizinischen Bereich betreiben, kann einen Einfluss auf die Überlebenschancen zukünftiger Patienten haben. Auch im Gesundheitswesen geht es, wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, um die Abwägung von Nutzen und Kosten. Je stärker wir uns dessen bewusst sind, desto mehr können wir dazu beitragen, den gesundheitspolitischen Diskurs zu versachlichen.

Solange man sicherstellen will, dass die Qualität der medizinischen Versorgung der einzelnen Bürgerinnen und Bürger von deren Einkommen zumindest weitgehend unabhängig ist, muss der Staat regulierend in diesen Bereich eingreifen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der heutige Umfang der Regulierung notwendig und/oder sinnvoll ist. Für eine Reformstrategie ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die Tätigkeit des Staates in den einzelnen Sektoren des Gesundheitsbereichs zu überprüfen. Dabei dürfte es sinnvoll sein, wenn sich der Staat in diesem Bereich direkter Interventionen in allokative Entscheidungen weitgehend enthält und sich auf seine verteilungspolitischen Aufgaben konzentriert.

Ansätze zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen
Wie oben gezeigt wurde, kann man nicht davon ausgehen, dass die Kosten des Gesundheitswesens in Zukunft weniger stark steigen werden als unsere Einkommen. Man sollte daher der Bevölkerung auch keine stabilen Prämien versprechen, da diese auf Dauer nur mit massiven Einschnitten bei den Leistungen erkauft werden könnten. Dies bedeutet freilich nicht, dass es im schweizerischen Gesundheitswesen nicht erhebliche Einsparpotenziale gäbe. Entsprechende Massnahmen sollen erreichen, dass

  • von den Patienten nicht Leistungen nachgefragt werden und/oder Ärzte nicht Leistungen anbieten, die nicht erforderlich sind,
  • Anbieter von Gesundheitsleistungen, insbesondere die Pharmaindustrie, ihre Monopolstellung nicht übermässig ausnützen,
  • der Wettbewerb unter den Krankenkassen nicht zu einem Wettbewerb um gute Risken ausartet, sowie
  • Leistungen nicht im stationären Bereich erbracht werden, die auch ambulant möglich sind.

Der übliche Weg zu verhindern, dass nicht erforderliche Leistungen nachgefragt werden, ist, die Patienten an den Kosten zu beteiligen, sei es in Form von Franchisen oder prozentualen Zuzahlungen, sei es in Form einer Praxisgebühr, wie sie von Bundesrat Couchepin kürzlich vorgeschlagen wurde. Solche Beteiligungen können erhebliche Einspareffekte haben, wie die Differenzierung bei den Medikamenten gezeigt hat. Seit die Zuzahlungen für Originalpräparate erheblich höher sind als für Generika, ist die Nachfrage nach Letzteren er heblich gestiegen, was die Gesamtausgaben für Medikamente deutlich reduziert hat.

Zuzahlungen sind jedoch nicht völlig unproblematisch. So ist zunächst danach zu fragen, ob sich dadurch überhaupt eine Verringerung der Nachfrage oder nur eine Verlagerung der Zahlungen ergibt. So stehen beispielsweise die deutschen Krankenkassen der im Jahr 2004 in Deutschland eingeführten Praxisgebühr positiv gegenüber, aber nicht, weil sie eine Verhaltensänderung bewirkt hätte, sondern weil sie ihnen zusätzliche Einnahmen in die Kassen spült. Die Patienten werden jetzt anstatt über höhere Prämien durch Zuzahlungen belastet, wobei gleichzeitig in den Arztpraxen zusätzliche Verwaltungskosten entstehen, die nicht abgegolten werden und aus einer gesellschaftlichen Perspektive Verschwendung darstellen.

Problematischer aber dürfte sein, dass dann, wenn bestimmte Leistungen nicht mehr nachgefragt werden, Krankheiten verschleppt werden können, deren Behandlung anschliessend sehr viel teurer ist, als wenn die Patienten sofort zum Arzt gegangen wären. Es gibt Studien, die aufzeigen, dass die gesamten Kosten dadurch eher ansteigen als zurückgehen. Da die durch Zuzahlungen ausgelösten Anreize zur Verschleppung von Krankheiten zudem insbesondere bei Menschen mit niedrigem Einkommen wirksam sind, kommt noch ein negativer Verteilungseffekt dazu.

Alternative Modelle
Dies bedeutet nicht, dass man vollständig auf Zuzahlungen verzichten sollte, aber man muss sich genau überlegen, wie sie wirken und ob die positiven oder die negativen Auswirkungen überwiegen. Wirksamer und ohne negative Nebenwirkungen dürften Prämienreduktionen sein, die dann gewährt werden, wenn die Versicherten auf die freie Arztwahl ganz oder zumindest teilweise verzichten. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. Zum einen kann die Versicherung nur mit einer Auswahl von Ärzten und Spitälern einen Vertrag abschliessen. Zweitens kann man ein Modell wählen, bei welchem der Patient immer zuerst zu seinem Hausarzt geht und von diesem an den entsprechenden Spezialisten überwiesen wird, und schliesslich können Patienten einer «Health Maintenance Organisation» (HMO) beitreten. Dabei verpflichten sie sich, im Krankheitsfall nur Leistungen dieser Organisation in Anspruch zu nehmen, wobei diese alle vom Gesetzgeber in ihrem Tätigkeitsbereich vorgesehenen Leistungen anbieten muss. Damit werden insbesondere kostspielige Doppelbehandlungen vermieden, da auch die einer solchen Organisation angehörigen Ärzte ein Interesse an deren Vermeidung haben.

Die Krankenversicherungen sollten daher allen Versicherten unterschiedliche Verträge anbieten, solche mit freier Arztwahl und solche, bei denen die Patienten in ihrer Auswahl von Ärzten und Spitälern beschränkt sind. Dabei müssten die Prämienreduktionen so ausgestaltet werden, dass die Verträge für Versicherte attraktiv werden und somit die mit diesen Vertragsformen möglichen Kosteneinsparungen auch realisiert werden können. Zudem könnten die Versicherten dann entscheiden, ob ihnen die freie Wahl des Arztes bzw. des Spitals die zusätzlichen Kosten wert ist.

Wettbewerb schafft Qualität
Patente sind Monopolstellungen, die eingeräumt werden, um Anreize zur Forschung zu geben. Die Pharmabranche profitiert bei den Medikamenten in erheblichem Umfang von dieser Einschränkung des Wettbewerbs. Dies muss aber nicht bedeuten, dass die hohen Medikamentenpreise in der Schweiz, die im Allgemeinen über denjenigen in den Nachbarländern liegen, gerechtfertigt sind. Da es sich dabei um mit den Behörden vereinbarte Preise handelt, gibt es für den Staat direkte Möglichkeiten, einzugreifen. Zudem könnte durch die Zulassung von Parallelimporten aus den Ländern der Europäischen Union ein Druck auf die Medikamentenpreise entstehen.

Um den Wettbewerb um die guten Risiken einzuschränken, ist ein Risikoausgleich zwischen den Krankenkassen nötig. Je besser dieser funktioniert, indem er Indikatoren berücksichtigt, die Auskunft über die in der Zukunft bei einem Patienten zu erwartenden Kosten geben, desto eher werden sich die Versicherungen um Massnahmen der Kostensenkung bemühen müssen, um ihren Versicherten günstige Prämien anbieten zu können und damit im Wettbewerb zu bestehen. Der Übergang von der Taggeld- zur Fallpauschale dürfte dämpfend auf die Kosten im Spitalbereich wirken. Um die bei dieser Finanzierungsform möglichen Probleme zu vermeiden, muss jedoch eine sorgfältige Kontrolle der Qualität der Spitäler erfolgen. Ansonsten kann dies zu erheblichen Qualitätsverlusten mit nachteiligen Folgen für die Patienten führen.

Monistische Spitalfinanzierung
Ein Kostentreiber ist auch die duale Spitalfinanzierung. Dadurch, dass die Spitäler zu einem erheblichen Teil von den Kantonen aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden, wird die stationäre gegenüber der ambulanten Behandlung für die Krankenkassen verbilligt. Dies führt zu einer Verschiebung in Richtung auf die stationäre Behandlung, was mit ein Grund dafür sein dürfte, dass die Schweiz heute im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz beim Anteil der stationären Versorgung hat. Dieses Problem könnte durch einen Übergang zur monistischen Spitalfinanzierung gelöst werden, bei der, sieht man einmal von gemeinwirtschaftlichen Leistungen wie beispielsweise dem Notfalldienst ab, die Krankenhäuser ausschliesslich von den Krankenversicherungen fi nanziert werden. Die dabei erforderlichen Prämienerhöhungen könnten dadurch aufgefangen werden, dass die Kantone mit jenen Finanzmitteln, die sie heute zur Finanzierung der Spitäler aufwenden, die Prämien der Versicherten verbilligen. Dadurch könnte die monistische Finanzierung realisiert werden, ohne dass die Belastung der Bürgerinnen und Bürger erhöht würde.

Das Problem ist, dass die Stimmbürger mit ihrer Entscheidung vom 1. Juni 2008 den Einstieg in die monistische Spitalfinanzierung mit einer Ablehnungsrate von fast 70 Prozent deutlich verworfen haben. Diese Entscheidung war vermutlich von einem tief gehenden Misstrauen gegenüber den Versicherungen geprägt, das sich auch aus deren Verhalten bei der Jagd auf gute Risiken (bzw. bei den Anstrengungen, schlechte Risiken abzuweisen) speisen dürfte. Die Versicherten vertrauen den von ihnen gewählten Kantonsregierungen und -parlamenten offensichtlich sehr viel mehr als ihren Versicherungen. Solange Letztere das Vertrauen ihrer Kunden nicht zurückgewinnen, dürfte jeder Versuch, eine monistische Spitalfinanzierung einzuführen, zum Scheitern verurteilt sein.

Auch wenn man davon ausgeht, dass die Prämien auch in Zukunft weiter steigen werden, gibt es somit dennoch eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, um die Kosten des schweizerischen Gesundheitswesens zu verringern bzw. den Kostenanstieg zumindest vorübergehend etwas zu dämpfen.

Gebhard Kirchgässner

 

Angaben zum Autor

Prof. Dr. rer. soc. Gebhard Kirchgässner
Professor für Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie Universität St. Gallen SIAW-HSG Bodanstrasse 8
CH-9000 St. Gallen

Tel. +41 (0)71 224 23 47
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