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«Durch Preissenkungen wurden 750 Millionen Franken eingespart.»

Thomas Cueni, Generalsekretär, InterpharmaThomas Cueni, Generalsekretär, Interpharma, Basel

GS1 network: Der Gesundheitsmarkt ist ein 55-Milliarden-Markt, der wächst und Arbeitsplätze schafft. Wie sehen Sie sein Entwicklungspotenzial? Wo liegen seine Grenzen?
Thomas Cueni: Noch gibt es unzählige Krankheiten, welche nicht geheilt oder nur unbefriedigend therapiert werden können. Der Gesundheitsmarkt wird sich also noch weiter entwickeln.

Die Öffnung der Gesundheitsmärkte, die Mobilität von Patientinnen und Patienten, der zunehmende Kampf um ausgebildete Fachkräfte im Gesundheitswesen und in der Forschung sowie die demografische Entwicklung – diese Veränderungen bieten Chancen. Dabei sollten wir uns Gedanken machen, wie wir «Swiss Health» als Exportschlager vor dem Hintergrund einer konsequenten Innovationspolitik etablieren können.

Wie lautet Ihr Rezept (bzw. der effektivste Hebel), um der Kosten explosion im Gesundheitswesen entgegenzuwirken?
Grundsätzlich sollte im Gesundheitswesen der Nutzen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ins Zentrum gestellt werden. Spezifisch kann ich nur für die Pharmaindustrie reden. Die Pharmaindustrie hat in den letzten Jahren die Initiative für eine nachhaltige und langfristige Lösung der Preisregulierung ergriffen. Mit verschiedenen Preissenkungsrunden bei den Medikamenten wurden rund 750 Millionen eingespart. Weitere Einspareffekte dürften in den nächsten Jahren durch Patentabläufe erzielt werden. Damit wird Raum geschaffen, um innovative Medikamente zum Nutzen der Patienten in die Grundversicherung aufnehmen zu können. Wenngleich die erzielten Einsparungen auf dem Arzneimittelsektor nominal beeindruckend sind, darf man doch nicht vergessen, dass diese nur für knapp 12 Prozent der Gesundheitsausgaben stehen.

Und wie beurteilen Sie die eHealth-Strategie des Bundes?
Der rasche Aufbau einer nationalen eHealth-Architektur ist dringlich: Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik fordern ein zeitgemässes medizinisches Wissensmanagement; die medizinischen Versorgungsprozesse bedürfen einer effizienteren Gestaltung. Dazu braucht es aber auch die entsprechenden Daten. In dieser Beziehung steht die Schweiz international schwach da. Um die Qualitätsstandards für die Gesamtbevölkerung weiterentwickeln zu können, braucht die Schweiz gemeinsame Zielsetzungen, eine funktionierende Koordination zwischen Bund und Kantonen, mehr Wettbewerbselemente, eine transparente Datenstruktur sowie die Öffnung der Gesundheitsmärkte.

Wie stufen Sie die Supply Chain im Gesundheitswesen bezüglich Transparenz, Sicherheit und Durchgängigkeit ein?
Im Schweizer Markt ist die Versorgungskette von der Herstellung über die Verteilung zu Grossisten bis zum Punkt der Medikamentenabgabe (Apotheke, Spital, Arzt) reguliert und kontrolliert (GMP, GDP-Inspektionen, Kantonsapotheker). Diesen Sicherheitsmassnahmen unterliegen Direktimporte aus dem Ausland oder Bestellungen über das Internet nicht. In der EU läuft ein Pilotprojekt, das mittels serialisiertem Strichcode die Identifizierbarkeit der Original-Einzelpackung bis zur Abgabestelle (Apotheke) sicherstellen soll. Die Schweiz wird sich der europäischen Lösung anschliessen. Anfang 2009 wurde dazu in der Schweiz eine Machbarkeitsstudie mit ausgesuchten Narkotika, Herstellern, Grossisten und Apothekern durchgeführt (RefData, SmartLOG). Eine offene technische Frage ist gegenwärtig noch, welches die kleinste Einheit ist, auf welcher der Code an gebracht werden kann. Die mit der Codierung verbundenen Investitions- und Umsetzungskosten zulasten der Pharmaunternehmen werfen allerdings auch die Frage der Verhältnismässigkeit des Sicherheitsaufwands auf.

Wo sehen Sie das grösste Einsparungspotenzial – ohne dass Leistung abgebaut werden müsste?
«Leistung» wird sehr individuell beurteilt. Demnach ist das Ergebnis, wie man den Spagat zwischen Sparen und Leistungserfüllung erreicht, ein politisches. Gemäss repräsentativen Untersuchungen des gfs-Forschungsinstituts in Bern zeigen lediglich 42 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Neigungen, auf die volle Autonomie bei der Wahl des Arztes zu verzichten, wenn damit Kosten gespart werden könnten. Für 40 Prozent käme auch eine Kürzung des Leistungskatalogs in der Grundversicherung in Frage. Nur ein knappes Drittel könnte akzeptieren, dass aus Kostengründen der Zugang zu neuen Medikamenten eingeschränkt würde. Eigentlich sollte man aber nicht die Frage stellen müssen, ob, wo und welche Leistungen man abbauen kann, sondern fragen, wie unser Gesundheitswesen noch besser und noch leistungsfähiger gemacht werden könnte. Dazu müssten aber zunächst vergleichbare Qualitätsstandards entwickelt und implementiert werden. Diesbezüglich herrscht in unserem Land Nachholbedarf.

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