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Eine Meisterleistung für Europa und die Umwelt

Eine Meisterleistung für Europa und die UmweltDie Inbetriebnahme des Lötschberg-Basistunnels am 9.12.2007 ist nicht nur ein historisches Datum in der Schweizer Verkehrspolitik. Das Jahrhundertbauwerk ist ebenso eine Meisterleistung der Ingenieurskunst und der Projektsteuerung.

(bs) Nach achtjähriger Bauzeit wurde der Lötschberg-Basistunnel am 15. Juni 2007 offiziell eröffnet. Die Bauherrin BLS AlpTransit AG übergab am Nordportal in Frutigen das Jahrhundertbauwerk der Eidgenossenschaft.

Dabei überreichte der «Erbauer» Peter Teuscher (siehe Interview) dem «Besteller» Bundesrat Moritz Leuenberger ein Schienenstück als Symbol für die freie Fahrt im Nord-Süd-Verkehr in Europa – mit der Versicherung, es sei im Tunnel ersetzt worden.

Die Vorgeschichte
Der Lötschberg-Basistunnel ist ein Teil des Konzepts der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), dem das Volk am 27.9.1992 erstmals zustimmte. Ziel des Alpentransit-Beschlusses war und ist es, die verkehrspolitische Stellung der Schweiz in Europa zu wahren und die Alpen vor weiteren ökologischen Belastungen zu schützen. In einer zweiten Abstimmung am 29.11.1998 nahmen die Stimmenden den Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs (FinöV) an und sagten damit Ja zu einer redimensionierten NEAT.

Mit dem Bau des Lötschberg-Basistunnels erfüllt die Schweiz einen Teil ihrer internationalen Verpflichtungen, die sie mit dem Transitabkommen von 1992 und dem 2002 in Kraft gesetzten Landverkehrsabkommen mit der EU eingegangen ist.

Die Erhöhung der Transportkapazitäten ist aber ebenso eine wichtige Etappe in der Umsetzung der schweizerischen Verlagerungspolitik: Mit ihr soll der alpenquerende Gütertransport im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik von der Strasse auf die Schiene verlagert werden. Das Ziel dieser Politik ist es, künftig nur noch 650 000 Lkws durch die Schweiz von Basel nach Chiasso fahren zu lassen. Erreicht wird dies allerdings frühestens mit der Inbetriebnahme der Gotthard-Basislinie etwa 2018.

Erste positive Jahresbilanz
Der Lötschberg-Basistunnel führt von Frutigen im Kandertal (Berner Oberland) nach Raron im Rhonetal (Kanton Wallis). Er ist 34,6 km lang und als zweiröhriger, richtungsgetrennter Einspur-Eisenbahntunnel konzipiert. Zusammen mit dem bereits bestehenden, doppelröhrigen Simplontunnel bildet der Lötschberg-Basistunnel die erste schnelle Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen. Sie schafft eine Ergänzung zum bisherigen Lötschberg-Scheiteltunnel. Der neue Tunnel verfügt über ein sogenanntes Shuttle-Profil,welches auch den Transport von Lastwagen auf gedeckten Bahnwagen mit normalen Rädern erlaubt (EU-Norm).

Ende 2008 konnte der Basistunnel auf sein erstes vollständiges Betriebsjahr zurückblicken – und zwar mit einer ersten positiven Zwischenbilanz. Die mittlere Auslastung lag bei 76 Prozent. An mehreren Tagen konnten 109 der 110 verfügbaren Trassen vergeben werden. Und die Verfügbarkeit der Infrastruktur entspricht mit 99,8 Prozent voll den Erwartungen. An Spitzentagen beförderten die Bahnen rund 26 000 Personen zusätzlich zu den Güterzügen.

Die Finanzierung
Das Parlament bezifferte die Kosten für den Bau der beiden Basistunnels und der Zufahrtsstrecken zu Beginn (NEAT-Gesamtkredit vom 1.10.1991) mit 14 Milliarden Franken Die Finanzierung sollte durch rückzahlbare Darlehen des Bundes und über Treibstoffzölle erfolgen. Die Grünen reichten zusammen mit Umweltschutzorganisationen das Referendum ein mit dem Argument, die NEAT leiste lediglich der umweltschädigenden Mobilität Vorschub. Am 27.9.1992 hiess das Volk mit einer 64-Prozent-Mehrheit das NEAT-Projekt gut. Neben den Grünen hatte auch die Auto-Partei die Nein-Parole ausgegeben.

Nachdem mit fortschreitender Projektierung die Kosten der NEAT massiv nach oben korrigiert worden waren, wurde von verschiedener Seite eine Redimensionierung des Projekts verlangt. Dabei standen zwei Varianten zur Diskussion: der vorläufige Verzicht auf den Ausbau der Zufahrtswege oder der Verzicht auf den Lötschbergtunnel. Entsprechende Projekte gab der Bundesrat 1995 in die Vernehmlassung. Im folgenden Jahr legte er dem Parlament seine Vorschläge für die Realisierung der NEAT vor. Er sprach sich für beide Tunnels aus (allerdings mit reduziertem Ausbau für den Lötschberg) und für den vorläufigen Verzicht auf den Ausbau einzelner Zufahrtsstrecken. Die Baukosten sollten zu 75 Prozent mit Fiskaleinnahmen finanziert werden (Benzinpreiszuschlag, Treibstoffzollzuschlag und Anteil an der Schwerverkehrssteuer).

Nach einer hitzigen Debatte mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen  schloss sich der Ständerat weitgehend dem Bundesrat an. In der Finanzierungsfrage nahm der Nationalrat, nicht zuletzt um die Chancen der Vorlage in der Volksabstimmung zu verbessern, eine Änderung vor. Anstelle des Benzinpreiszuschlags sollte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,1 Prozent treten. In Abweichung vom Ständerat beschloss er zudem, dass zuerst der billigere und geologisch weniger risikobehaftete Lötschberg-Basistunnel zu bauen sei. Der Ständerat lehnte jedoch in der Differenzbereinigung diese Bevorzugung auf Kosten der Gotthard- Achse ab. In dieser Frage konnte sich die kleine Kammer durchsetzen; bei der Finanzierungsfrage obsiegte der Nationalrat. Der Finanzierungsbeschluss, der nicht nur für die NEAT, sondern auch für andere Eisenbahnprojekte (Bahn 2000, Lärmreduktion) zur Anwendung kommt, wurde vom Volk am 29.11.1998 mit einem Mehr von 64 Prozent gutgeheissen.

Meisterleistung
Der Bau des Lötschberg-Basistunnels ist eine kollektive Meisterleistung aller Beteiligten. Damit sind auch demokratische und gruppendynamische Prozesse gemeint, die das gesamte Team der NEAT-Spezialisten durchgemacht und erarbeitet hat. Keiner kann für sich alleine in Anspruch nehmen, der «Erbauer» des Tunnels zu sein, aber alle zusammen können es. Das gilt auch für jene, die im engsten Umkreis des BLSAlpTransit-Teams mitgeholfen haben, das Projekt zu verwirklichen: die Spezialisten des BAV und der SBB. Wer es schafft, nach 10 Jahren Arbeit punktgenau zu «landen» und den Tunnel wie geplant zeitgerecht in Betrieb zu nehmen, der muss etwas von Planung und Steuerung verstehen und die Fähigkeit haben, flexibel auf Ungeplantes und Unabwägbares reagieren zu können.

Politisch steht dieses Bauwerk für eine konsequente Umsetzung der Schweizer Verlagerungspolitik, die in ganz Europa als vorbildlich geschätzt wird. Ausserdem ist das NEAT-Konzept im Volk stark verankert. Bei allen wichtigen Abstimmungen – NEAT, LSVA, Landverkehrsabkommen, FinöV – hat sich die Schweizer Bevölkerung für eine nachhaltige schweizerische Verkehrspolitik ausgesprochen. Auch das ist eine Meisterleistung!

Bernhard Stricker

 

Der Lötschberg-Basistunnel in Zahlen

  • Länge des Basistunnels: 34,6 km
  • Schwellenhöhe Nordportal Frutigen: 776,5 m ü.M.
  • Schwellenhöhe Südportal Raron: 654,2 m ü.M.
  • maximales Gefälle auf der Nordseite: 3 ‰
  • maximales Gefälle auf der Südseite: 13 ‰
  • Total Ausbruchmaterial: 16 Millionen Tonnen
  • Kosten: 5,3 Milliarden Franken
  • Zeitersparnis: 32 Minuten auf der Strecke Bern–Brig

Meilensteine am Löstschberg

  • 1913: Eröffnung des Lötschbergtunnels: Nach sechs Jahren Bauzeit wird die 14 km lange Verbindung des Kandertals mit dem Wallis in Betrieb genommen.
  • 1983: Der Bundesrat befürwortet den Bau einer neuen Alpentransversale.
  • 1991: Die Eidgenössischen Räte stimmen dem Alptransitbeschluss zu.
  • 1992: Das Volk stimmt mit 63,5 Prozent Ja-Stimmen der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen zu.
  • 1998: Das Volk sagt Ja zum Fonds für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben für den öffentlichen Verkehr von 30,5 Milliarden Franken (FinöV).
  • 1999: Baubeginn Lötschberg-Basistunnel.
  • 15./16. Juni 2007: Einweihung des Lötschberg-Basistunnels.
  • 9. Dezember 2007: Beginn des regulären Fahrplan betriebs.
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