gs1-neton-header-05.jpg

Differenziert planen – Kosten senken

Differenziert planen – Kosten senkenViele Unternehmen sind mit verschärften Marktanforderungen konfrontiert. Hohe Nachfrageschwankungen, kundenspezifische Variantenvielfalt und immer kürzere Produkt-Lebenszyklen bei gleichzeitig steigendem Termin-und Preisdruck beeinflussen massiv das operative Geschäft.

(jz) In der aktuellen Wirtschaftskrise wirken sich diese Faktoren noch stärker auf die Kosten-und Gewinnentwicklung aus.

Der Zielkonflikt lässt sich mithilfe einer integrierten, am Kunden orientierten Supply-Chain-Planung entschärfen. Durch zeitgerecht generierte Informationen können entlang der gesamten Supply Chain die Leistung gesteigert und die Kosten gesenkt werden.

Die Beherrschung der Lieferketten wird überlebenswichtig
Bedarfsschwankungen entstehen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite der Supply Chain. Ursachen sind konjunkturelle Einflüsse, aber auch saisonale Abweichungen und nachhaltige strukturelle Veränderungen. Der sogenannte Bullwhip-Effekt – das Phänomen, wonach sich Nachfrageschwankungen in Lieferketten verstärken – wirkt sich zudem sehr störend auf die Qualität der Planung aus. Hauptursache für den Bullwhip-Effekt ist der mangelhafte Informationsfluss über die gesamte Wertschöpfungskette. Die häufigste Folge ist der Aufbau von Lagerbeständen über alle Stufen.

Damit das Demand-Driven Supply Chain Management funktioniert, sind verschiedene Erfolgsfaktoren zu beachten. Die Marktentwicklung muss beobachtet und bei Veränderungen rechtzeitig reagiert werden. Schlüsselkunden und -lieferanten sollten in die Prozesse eingebunden werden. Unterschiedliche Geschäftsfälle sind differenziert zu planen. Beschaffungskritische Komponenten sind von zentraler Bedeutung. Zusätzlich ist es sehr wichtig, den Einfluss von Produkteinführungen auf die Planung zu berücksichtigen. Das notwendige Mass an Komplexität wird beherrschbar, wenn die definierten Planungsprozesse und -methoden mit integrierten IT-Anwendungen effizient unterstützt werden. Diese sind jedoch immer nur Mittel zum Zweck.

Komplexität nachhaltig abbauen
Entscheidend für den erfolgreichen Aufbau und den Betrieb eines Demand-Driven Supply Chain Management sind nachhaltige Konzepte, mit denen die Komplexität reduziert wird:

  • Die Variantenvielfalt und die zunehmende Individualisierung müssen mit Standardisierung und Modularisierung wie zum Beispiel Plattform-Management und Mass-Customizing nachhaltig eingedämmt werden.
  • Sich ergänzende Push-und Pullstrategien sind im Supply-Chain-Netz einzusetzen. Prognoserechnung (Push) und Nachfrageplanung (Pull) können und sollen kombiniert werden. Dies ermöglicht eine differenzierte Planung.

Differenzierte Demand-Driven-Planung als Erfolgsrezept
Die Landis + Gyr AG, ein weltweit im Energiemanagement führendes Unternehmen, hat ihre Planung neu definiert und betreibt diese seit einigen Monaten erfolgreich. Der Konzern strebt nach weiterem Wachstum und globaler Kostenführerschaft, um seine Vorreiterrolle im Advanced-Metering auch für die Zukunft zu sichern. Für die Umsetzung der Strategie ist das Beherrschen der Supply-Chain-Netze unerlässlich. Damit die vom Markt geforderte sehr hohe Verfügbarkeit mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand gesichert werden kann, müssen die Durchlaufzeiten über die gesamte Lieferkette verkürzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im Jahr 2008 mit externer Unterstützung das Projekt «Crystal Ball» mit hoher Priorität gestartet. Das Management von Landis + Gyr hatte erkannt, dass die aktuell betriebenen Planungsprozesse und die eingesetzten Planungswerkzeuge die Komplexität des Supply-Netzwerks nur noch unzureichend reflektierten. Als Vorgaben für die neue Planung wurden die Erfolgsfaktoren Flexibilität, Differenzierung, Qualität, Risikomanagement und Wirtschaftlichkeit definiert.

Planung an Verkaufsvolumen und -verhalten ausrichten
Die quantitative und qualitative Analyse zeigte sehr rasch die zentralen Schwächen, aus denen der Handlungsbedarf abgeleitet wurde:

  • Der Planungsprozess ist zu komplex, zu langsam, mit teilweise unklaren Verantwortlichkeiten.
  • Die verkaufsorientierte Produkthierarchie entspricht nicht den Planungsbedürfnissen der Lieferkette.
  • Die Berücksichtigung von Produktneueinführungen, -änderungen und -ablösungen in der Planung ist nicht klar geregelt.
  • Der Einfluss des ausschreibungsorientierten Projektgeschäfts wird zu wenig bewusst berücksichtigt.
  • Das Konsolidieren und Überprüfen der länderspezifischen Verkaufsplanzahlen ist aufgrund fehlender Systemunterstützung sehr aufwendig.
  • Das eingesetzte Planungswerkzeug ist nicht flexibel genug, nicht dokumentiert und es besteht ein hohes unternehmerisches Risiko durch eine ausgeprägte Personenabhängigkeit.
  • Es fehlt eine zentrale Datenbasis.

Die durchgeführten ABC/XYZ-Analysen haben zusätzlich gezeigt, dass ein hoher Anteil des Verkaufsvolumens für die Planung geeignet ist. Der Analyse-Fokus auf die kritischen Beschaffungskomponenten ergab das gleiche Bild. Das heisst, dass sich Prognosen auf Produktegruppen und kritische Beschaffungskomponenten als Planungsgrundlage automatisch berechnen lassen. Eine weitere, wichtige Erkenntnis war, dass sich die Planung über alle Produktesegmente auf zwei Hauptgeschäftsfälle reduzieren und ausrichten lässt: das Standardgeschäft (für Ersatz- und kleinere Ausbauvolumen) und das Projektgeschäft (grosse Tender für Gesamterneuerungen oder Neuerschliessungen). Dank dieser Erkenntnis kann die Komplexität über den gesamten Planungsprozess reduziert werden.

Konzentrierte, differenzierte und verkürzte Planung
Im Einklang mit den Projektzielen und den Ergebnissen aus der Analyse prüften die externen Berater zusammen mit dem Landis + Gyr-Projektteam verschiedene Konzeptvarianten und ermittelten den Bestansatz.

Als beste Lösung für das zukünftige Planungsmodell und die Planungsprozesse erwies sich der Ansatz «Konzentration und Verkürzung», das heisst, Konzentration der Planung auf kritische Komponenten und Verkürzung der Planungszyklen durch integrierte und differenzierte Prozesse.

Die Kernelemente des Planungsmodells sind neu definierte Planungsgruppen, die basierend auf kritischen Komponenten gebildet werden. Zur Unterstützung der Planung werden Verbrauchsprognosen berechnet, die – mit aktuellen Informationen angereichert – zu den laufenden Kundenaufträgen, Budgets und Verbräuchen hinzugefügt werden. Die kritischen Komponenten werden in die Kategorien AX und CZ aufgeteilt. Dahinter stehen unterschiedliche Strategien für die Beschaffungsplanung. AX-Komponenten werden über den normalen Planungsprozess geplant. CZ-Komponenten, zu denen zum Beispiel exotische Hardwarekomponenten mit geringem Umsatz und unregelmässige Bestellungen zählen, müssen über ein verstärktes Lieferantenmanagement bewirtschaftet werden.

Es werden differenzierte Planungsprozesse für das Standardgeschäft, Projektgeschäft sowie Produkteinführungen und -ablösungen – Ramp-up und Ramp-down – etabliert. Für die Planung des Standardgeschäfts werden die dezentralen Verkaufsorganisationen aktiv einbezogen. Für Ausschreibungen aus dem Projektgeschäft ist das interdisziplinäre OpportunityManagement-Team verantwortlich. Ramp-up-und Ramp-down-Planungen werden durch die verantwortlichen Produktmanager eingebracht. Die Planungsergebnisse werden direkt an die Produktionsstandorte für die Material- und Kapazitätsplanung weitergeleitet. Die Integration von Schlüssellieferanten abgestimmt auf die kritischen Beschaffungskomponenten ist ein zusätzliches Schlüsselelement der neuen Planung. Das neue Planungsinstrument wird internetbasiert aufgebaut, damit der Zugriff sowohl für alle Landis + Gyr-Gesellschaften als auch für Agenten möglich ist.

Positive Zwischenbilanz
Der Bestansatz wurde innerhalb von fünf Monaten umgesetzt. Bereits nach einigen Monaten Produktivbetrieb fällt die Zwischenbilanz sehr positiv aus. Die Verkaufsorganisationen sind heute über das neue Planungsinstrument verstärkt eingebunden. Das einfache und flexible Werkzeug erlaubt eine rasche Anpassung an die jeweiligen Anforderungen der einzelnen Länder. Die zentrale Logistik verzeichnet massive Zeitersparnisse in der Koordination und Konsolidierung der Planung. Sowohl das Planungsmodell als auch das Planungsinstrument geniessen bereits eine sehr hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. Die Produktmanager sind heute in der Lage, Daten mit deutlich verbesserter Qualität zu nutzen und zu liefern. Die Bedürfnisse der Produktionsstandorte konnten weitgehend berücksichtigt werden. Die Aktualität der erforderlichen Informationen ist gewährleistet. Gemeinsam mit den strategischen Lieferanten der kritischen Beschaffungskomponenten werden quartalsweise Abstimmungen durchgeführt. Dabei werden die Erfahrungen ausgetauscht und – abgestimmt auf die aktuellen Verbrauchs-zahlen – Anpassungen in prognostizierbare und nicht prognostizierbare Komponenten vorgenommen.

Trotz des Aufwands für die Datenintegration sowie der Anforderungen an die Pflege und Wartung der Stammdaten ist der Nutzen der auf die Nachfrage ausgerichteten Absatz-und Beschaffungsplanung für Landis + Gyr unbestritten. Der Zeitbedarf zwischen Planungsinput aus den Vertriebsorganisationen und Verfügbarkeit an den Produktionsstandorten konnte um 50 Prozent reduziert werden. Die Planungsqualität ist signifikant gestiegen. Das Reporting ist stark vereinfacht, Auswertungen sind zeitnah verfügbar. Ein effizientes Controlling schafft – ganz im Sinne von «Crystal Ball» – hohe Transparenz und ermöglicht rechtzeitige Korrekturmassnahmen.

Jürg Zangerl

Nach oben