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Erste Risse im Beton

Erste Risse im Beton Nachdem die Bauwirtschaft in Zeiten der Wirtschaftskrise eine sichere Stütze der Schweizer Konjunktur war, mehren sich nun die Anzeichen, dass die Wachstumsdynamik gebrochen ist.

(as) So rechnet auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im laufenden Jahr nicht mit einer weiteren Zunahme der Bauinvestitionen und prognostiziert für 2011 sogar einen Rückgang derselben um 0,5 Prozent.

Der Trend zeichnete sich laut der Publikation «Konjunkturtendenzen» vom Sommer 2010 schon im vierten Quartal 2009 ab, als rückläufige Bauinvestitionen verzeichnet wurden. Im ersten Quartal 2010 sanken die Bauinvestitionen dann nochmals um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Auch wenn noch ein relativ hohes Niveau besteht, zeigen die Zahlen, dass der Bausektor in den kommenden Quartalen seine unterstützende Rolle für die Konjunktur verlieren könnte. Demgegenüber wurden jüngst die Prognosen für das ganze Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) auf 1,8 Prozent Wachstum nach oben korrigiert. 2011 werden 1,6 Prozent erwartet, weil die aussenwirtschaftlichen Risiken gestiegen sind.

Hohes Niveau trotz Krise
Hoch-und Tiefbau gingen im ersten Quartal 2010 laut Seco getrennte Wege. Der Tiefbau verzeichnete gegenüber dem Vorquartal ein Plus von 1,6 Prozent bei den Auftragseingängen, im Jahresvergleich nahmen diese sogar um 9 Prozent zu. Im Hochbau sanken sie dagegen um 5,2 Prozent.
Somit stützt gegenwärtig vor allem die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand die Baukonjunktur. Eine Überhitzung der Branche sieht das Seco nicht, auch wenn aufgrund der lebhaften Bautätigkeit und der steigenden Immobilienpreise vereinzelt bereits davon gesprochen wurde. Trotz der nicht mehr ganz so positiven Aussichten erscheine der Bausektor in der Schweiz strukturell gesund, heisst es. Die Fachleute machen nur wenige Indizien für eine Übertreibung im jüngsten Aufschwung aus: «Die rege Bautätigkeit stellt daher kaum eine Übertreibung dar, sondern eher ein Abbild der guten Konjunktur.»

Auftragsbestand nimmt ab
Auch der Schweizerische Baumeister-verband (SBV) erkennt die Zeichen, welche seine vierteljährliche Konjunkturumfrage unter Mitgliedsfirmen an die Wand wirft. Denn der Auftragsbestand sank in den ersten drei Monaten 2010 gegenüber dem Vorjahresquartal um 5,8 Prozent auf 11,7 Milliarden Franken. Der Branchenumsatz wuchs gleichzeitig zwar um 2,5 Prozent auf 3,2 Milliarden Franken an, doch sind hier Verzerrungen aufgrund von Wettereinflüssen zu beachten. Die noch hohen, aber abnehmenden Arbeitsvorräte der Branche dürften nun bis in die zweite Jahreshälfte für ansprechende Umsätze sorgen.Vorlaufende Indikatoren wie der Bauindex Schweiz signalisierten allerdings, dass der Baukonjunktur eine gewisse Abkühlung auf hohem Niveau bevorstehe, so der SBV. Gemäss der Erhebung sind vor allem geringere Arbeitsvorräte im Tiefbau (minus 6,9 Prozent) für den sinkenden Auftragsbestand verantwortlich. Da die meisten Aufträge dort von der öffentlichen Hand kommen, erwartet man vom öffentlichen Tiefbau mittelfristig keine entscheidenden Wachstumsimpulse mehr. Immerhin sind die aktuellen Arbeitsvorräte auch mit Blick auf die letzten zehn Jahre noch «sehr hoch» und dürften bis Ende Jahr für befriedigende Umsätze sorgen.

Wohnungs-und Industriebau im Minus
Der Wohnungsbau verzeichnete bei den Auftragseingängen eine deutliche Abschwächung (minus 8,4 Prozent), während die Arbeitsvorräte nur leicht um 0,8 Prozent sanken. Eine Abkühlung stehe hier also nicht unmittelbar bevor, meint der Baumeisterverband. Allerdings wird die Wohnungsnachfrage am Markt nicht im bisherigen Umfang weiterbestehen. Die Aussicht auf Leitzinsanhebungen dürfte die Nachfrage zusätzlich dämpfen. Das Volumen im gewerblich-industriellen Bau entwickelte sich im ersten Quartal mit minus 14,8 Prozent stark rückläufig. Auch das deutliche Minus von 9 Prozent bei den Auftragseingängen lässt erahnen, dass sich diese konjunkturell sensitive Bausparte noch nicht definitiv erholt hat. Der Wirtschaftsbau reagiert damit vor allem auf die Investitionszyklen der Firmen und somit besonders sensibel auf Abschwächungen der Realwirtschaft. Der Baumeisterverband geht jedoch davon aus, dass der Wirtschaftsbau im einsetzenden Aufschwung als erste Sparte profitieren dürfte.

Hochbau im Krebsgang
Auf sprunghafte Umsatzzuwächse folgen demnach Korrekturen, für welche die überharten Winter der vergangenen zwei Jahre nur partiell verantwortlich sind. Der Hochbau-Index liegt im zweiten Quartal 2010 gar um 10,6 Prozent unter seinem Höchststand von Anfang 2008. Die Abschwächungstendenzen werden dabei immer deutlicher, wobei eher der Wirtschaftsbau als der Wohnungsbau diesen Subindex belastet.
Der vom SBV und der Credit Suisse Ende 2009 lancierte Bauindex Schweiz zeigt indessen im zweiten Quartal 2010 einen deutlichen Ausschlag nach unten, und zwar um 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Auffällig ist dabei, dass in den vergangenen Jahren der Tiefbau vor allem von Projekten der öffentlichen Hand angetrieben wurde und mittlerweile erstmals seit 2000 den historisch dominanten Umsatzanteil des Hochbaus im ganzen Baugewerbe unter 50 Prozent drücken konnte, auch wenn aktuell die Tiefbauvolumen nach unten korrigieren. «Damit hat das Produktionsniveau im Tiefbau eine beträchtliche Fallhöhe erreicht», schreiben die Fachleute in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Mit den aktuellen Zahlen setze sich zudem das Muster einer Baukonjunktur fort, die seit gut zwei Jahren eine volatile Entwicklung erlebe.
Auch die renommierten Konjunktur-forscher der ETH Zürich (KOF) und von BAK Basel setzen keine grossen Hoffnungen auf die Bauwirtschaft als Konjunkturlokomotive. Bei der KOF rechnet man laut der «Sommerprognose» mit einem Wachstum der Bauinvestitionen von noch 0,8 Prozent im laufenden Jahr, 2011 wird ein Rückgang von 0,4 Prozent erwartet, weil es weniger öffentliche Bauinvestitionen geben wird. BAK Basel prognostiziert eine Zunahme von 0,4 Prozent im laufenden Jahr und erwartet 2011 ebenfalls einen Rückgang, der aber auf 1,5 Pro- zent geschätzt wird.

Teilweise ist die Abkühlung willkommen
Die zwei Schweizer Grossbanken kommen in ihren Einschätzungen zur Lage der Bauwirtschaft auch zu eher skeptischen Résumés. Die Credit Suisse glaubt, dass die Bauproduktion und damit auch die Umsätze der Branche ab 2011 sinken werden, dies bei gleich bleibenden Preisen. Die Bauinvestitionen selbst werden im laufenden Jahr bereits um 1,5 und nächstes Jahr sogar um 2 Prozent zurückgehen. Dabei steht die Baubranche erst am Anfang einer zyklischen Abwärtsbewegung. «Volle Auftragsbücher im Tiefbau verdecken zurzeit die abgeschwächte Dynamik im Wohnungs- und Wirtschaftsbau, welche den Zenit überschritten haben», schreiben die Auguren. Allerdings produzieren viele Schweizer Bauunternehmen nach Auffassung der Bank sowohl im Tief-als auch im Hochbau seit 2007 an der Kapazitätsgrenze und die Abkühlung, die seit gut einem Jahr in schwach sinken- den Hochbauumsätzen zum Ausdruck kommt, ist teilweise sogar willkommen. Konjunkturell stehen der Baubranche damit schwierigere Zeiten bevor, leere Auftragsbücher drohen jedoch zunächst nicht, heisst es bei Credit Suisse. In ihrem aktuellen «Outlook Schweiz» schätzt die UBS, dass die Umsätze der Branche im laufenden Jahr zwar nochmals leicht steigen könnten, bei den Gewinnen und auch den Verkaufs-preisen erwartet man jedoch einen Rückgang. Auftragseingang und Produktion entwickeln sich demnach nur knapp an der Stagnation vorbei leicht nach oben. «Die Befragten erwarten im dritten Quartal kaum Veränderungen», heisst es abschliessend.

Alexander Saheb

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