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Mehr Verkehr, weniger Stau

Mehr Verkehr, weniger Stau In der Schweiz stösst der Strassenverkehr immer mehr an seine Grenzen. Die Zahl der Staustunden nimmt zu. Ein intelligentes Verkehrsmanagement auf der Basis der Verkehrstelematik könnte dazu beitragen, das Strassennetz optimal zu nutzen, die Staukosten zu minimieren und die Natur besser zu schützen.

(bs) «Auf der A2 fünf Kilometer Stau vor dem Gotthardtunnel in Richtung Süd. Die Einfahrt Göschenen ist gesperrt. Die Wartezeit beträgt eineinhalb Stunden.» Solche Verkehrsdurchsagen gehören während der Sommermonate schon beinahe zur Normalität.

Gemäss Berechnungen des Bundesamtes für Strassen (Astra) werden jährlich 33 Millionen Stunden in Staus verbracht, was die Volkswirtschaft 1,2 Milliarden kostet. Und Besserung ist nicht in Sicht: Denn gemäss dem Bundesamt für Raumplanung (are) wird der Personenverkehr auf Strasse und Schiene bis ins Jahr 2030 um 15 bis 29 Prozent zunehmen, der Gütertransport gar um 32 bis 78 Prozent. Im «Weissbuch zur europäischen Verkehrspolitik bis 2010» der EU wird geschätzt, dass sich die Kosten von Staus innerhalb der EU bis Ende 2010 auf etwa 80 Milliarden Euro (etwa 1 Prozent des BIP) belaufen werden.

Mehr Intelligenz im Verkehr
Gesucht sind Massnahmen, um den drohenden Verkehrskollaps abzuwenden und den Verkehr intelligent zu steuern. Das bedingt ein Bündel von Instrumenten, und zwar auf mehreren Ebenen. Dazu gehört das Konzept der «intelligenten Strasse» mit den Verkehrsleitsystemen auf den Autobahnen. Sie erlauben etwa ein Verkehrsmanagement via Tempolimit. Bei Nebel, Nässe oder bei steigender Verkehrsmenge wird die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 120 auf 100 km/h gesenkt. Eine solche Massnahme dient der Steigerung des Durchflusses und der Unfallvermeidung. Auch könnte auf überlasteten Strecken während der Stosszeit der Standstreifen in einen Fahrstreifen umgewandelt werden. Ein wichtiger Schritt im Hinblick auf ein national koordiniertes Verkehrsmanagement ist per Anfang 2008 vollzogen worden mit dem Eigentumswechsel der Nationalstrassen von den Kantonen zum Bund. Auch in Fahrzeugen lässt sich vermehrt «Intelligenz» einbauen. Die Zukunft gehört in diesem Bereich GPSNavigationssystemen, welche nicht nur den distanzmässig kürzesten Weg anzeigen, sondern dies in Abhängigkeit vom momentanen Verkehrsaufkommen tun. Die künftige intelligente Lenkung der Verkehrsströme ruft auch nach entsprechenden politischen Rahmenbedingungen. Hierzu zählen Massnahmen wie RoadPricing oder das umfassendere MobilityPricing. Dem RoadPricing erwächst aus Wirtschaftskreisen, etwa bei der Economiesuisse, starker Widerstand («Rückfall ins Mittelalter»). Unter der Bevölkerung ist die Akzeptanz in den vergangenen Jahren zwar gestiegen, liegt aber immer noch unter 50 Prozent. RoadPricing ist aber nicht ein neuer Wegzoll oder eine zusätzliche Steuereinnahme, sondern lediglich eine weitere Lenkungsmassnahme, die dazu beitragen kann, auch weiterhin die freie Fahrt in Städten zu ermöglichen. Davon profitieren Privatfahrer, Gewerbe wie auch die Wirtschaft generell.

Beispiel Emmen
Seit dem 1. Februar 2008 ist die neue Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) in Emmen in Betrieb, wo Computer den Verkehrsfluss auf den Autobahnen aufzeigen und Operateure über Umleitungen entscheiden. Einen solchen kantonsübergreifenden aktuellen Blick über den motorisierten Verkehr gab es bisher nicht. Dennoch: Auch solche neuen Überwachungssysteme, welche die Verkehrsströme mithilfe elektronischer Signaltafeln auf den Strassen steuern, können nicht verhindern, dass auch das Schweizer Strassennetz langsam an seine Kapazitätsgrenzen stösst und Ausweichmöglichkeiten nur in einem beschränkten Umfang zulässt. Bund und Kantone sind jedoch bemüht, auch das kurzfristige Potenzial zur Verkehrssteuerung auszuschöpfen: Vorderhand geht es vor allem darum, in noch engeren Abständen Verkehrsdichteund Geschwindigkeitsmesser in die Autobahnbeläge einzubauen (bis jetzt sind es rund 300), die Videoüberwachung auszudehnen und die Steuerung der Signale von den heutigen 40 kantonalen Verkehrszentralen nach Emmen zu transferieren.

Neue Methode
Das Institut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP) an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft (ZHAW) will mit einer völlig neuen Methode zur Reisezeitschätzung auf Autobahnabschnitten einen aktiven Beitrag zur StauReduktion leisten. Sie hat unter anderem zum Ziel, bestehende Infrastrukturen so zu nutzen, dass keine neuen Investitionen verursacht werden. Die Kenntnis der aktuellen Verkehrsströme ist dabei von zentraler Bedeutung. Dazu gehören auch Informationen zur Reisezeit. Nur wenn man die aktuelle Verkehrslage erfassen und zukünftige Entwicklungen gut abschätzen kann, sind verlässliche Empfehlungen zur Nutzung bestimmter Routen oder zum Verlassen der Autobahn bei bestimmten Ausfahrten möglich. Transportunternehmen und private Verkehrsteilnehmende könnten – derart informiert – ihre Fahrten besser planen und Reisezeiten optimieren.

Bernhard Stricker

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