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«Solch ein Projekt braucht viel Mut und Ambition.»

BLS Cargo setzt als erstes Unternehmen die Vision eines durchgängigen internationalen Güterverkehrs auf der Schiene in die Realität um und leistet einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der EU-Verlagerungsziele aus dem Jahr 2011. GS1 network im Gespräch mit Dirk Stahl, CEO von BLS Cargo.

GS1 network: Gratulation zum Gewinn des Swiss Logistics Award! Warum sind nicht andere Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Ihre Idee gekommen? Crossrail oder SBB Cargo International fahren doch schon lange im grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr …
Dirk Stahl: Wir hatten die Vision, diese Verkehre ganz durchgängig mit Mehrsystemloks über vier Länder zu gestalten und ohne Systemgrenzen zu funktionieren wie die Strasse. Dies hat bisher noch niemand so umgesetzt. Bisherige grenzüberschreitende Produktionssysteme bei uns und auch bei anderen Bahnen beschränkten sich meist auf ein bis zwei Grenzübergänge und deutlich kürzere Strecken. Solch ein langlaufendes Konzept mit der notwendigerweise optimierten Umlaufplanung der Züge, einer hohen Integration der Produktionsprozesse mit unserem Partner und Kunden ERS und einem ausgefeilten Störungsmanagement braucht natürlich viel Mut und Ambition. Beides haben wir hier bewiesen, und wir sind sehr stolz, dass dies von der renommierten Jury gewürdigt worden ist.

Kann Ihr neuer Ansatz dem Lkw auf Europas Schienen-Rückgrat ernsthaft Konkurrenz machen?
Langläufige Verkehre, speziell aus den Seehäfen, sind eindeutig eine Domäne der Schiene; hier ist sie gegenüber der Strasse besonders wettbewerbsfähig. Dies aber natürlich nur, wenn Qualität und Preis stimmen. Mit unserem neuen Konzept schaffen wir mit reduzierten Fahrzeiten, weniger Schnittstellen und einem optimalen, kostensparenden Einsatz der Lokomotiven entsprechende Voraussetzungen. Die aktuell positive Entwicklung des Modalsplits im Transit durch die Schweiz zeigt, dass die Schiene wettbewerbsfähig sein kann.

Berücksichtigt Ihr Konzept «One locomotive, four countries» auch 740-Meter-Langzüge?
Heute fahren wir den Verkehr mit den bisher auf Seiten der Infrastruktur möglichen Zugslängen von 550 Metern. Wir drängen aber auf den Ausbau der Infrastruktur für 740-Meter-Zugslängen auf der Südseite der Lötschberg- wie auch der Gotthardachse. Wenn dies möglich sein wird, dann werden wir unsere Konzepte an die neuen Möglichkeiten anpassen.

«Mit reduzierten Fahrzeiten, weniger Schnittstellen und einem optimalen, kostensparenden Einsatz der Lokomotiven schaffen wir die entsprechenden Voraussetzungen dafür, dass Preis und Qualität stimmen.» Dirk Stahl, CEO von BLS Cargo.


Eine bahninterne Studie mit dem Titel «740 m long trains» kommt zum Ergebnis, dass 130 bis 180 Millionen Euro im «Rhine-Alpine»-Korridor zusätzlich investiert werden müssten, um wichtige Bypass-Strecken für 740 Meter lange Züge fit zu machen. Wie schätzen Sie diese Studie ein?
Die Ergebnisse der Studie sind zu unterstützen. Mit der Verlängerung der möglichen Zugslängen schaffen wir deutliche Produktivitätsvorteile. Glücklicherweise haben in den vergangenen Wochen die schweizerische und die italienische Regierung konkrete Vereinbarungen zum Ausbau der Infrastruktur in Italien auf grössere Zugslängen, teilweise 640 Meter, teilweise 740 Meter, unterzeichnet. Diese sollten bis spätestens 2020 umgesetzt sein. Insofern sind wir zuversichtlich, diese Infrastruktur bald selber nutzen zu können.

Kein unerheblicher Anteil des «Rhine- Alpine»-Korridors spielt sich auf deutschen Schienen ab. Wie kritisch sehen Sie hier die Oberrheinstrecke Karlsruhe–Basel oder die Untertunnelung in Rastatt?
Die Kapazitäten auf den deutschen Abschnitten des Korridors spielen tatsächlich eine grosse Rolle. Wir haben vernommen, dass man teilweise in Verzug ist, auf anderen Streckenabschnitten aber vorwärtskommt und auch Finanzierungsfragen durchgesprochen hat. Es ist kritisch, aber wir spüren auch auf der deutschen Seite den Willen, hier Schritt für Schritt vorwärtszukommen.

Mehr als einen Schritt vorwärtsgekommen sind Sie auch im Verhältnis zum DB-Konzern, was die Beteiligungsverhältnisse in der BLS Cargo angeht. Ist der Rückkauf der BLS Cargo- Anteile von der DB Schweiz Holding AG eine logische Konsequenz nach dem Verlust der DB Verkehre am Gotthard?
Die DB Schweiz Holding hielt 45 Prozent der Aktienanteile an BLS Cargo. Der Grund für den Rückkauf der Anteile liegt darin, dass die DB seit Anfang 2014 die Güterzüge im Transit über die Gotthardstrecke von SBB Cargo ziehen lässt. Das gab für beide Parteien den Ausschlag, das Beteiligungsverhältnis in der BLS Cargo neu zu bewerten, und führte schliesslich im Einvernehmen zwischen DB und BLS zum Rückkauf.

Gestatten Sie mir bitte zum Schluss noch eine Frage, die einfach kommen muss: Die Schweizer Nationalbank hat Mitte Januar völlig überraschend den gestützten Mindestkurs CHF/EUR fallen lassen. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre Wettbewerbsfähigkeit und das prämierte Konzept?
BLS Cargo ist in hohem Masse vom starken Schweizer Franken betroffen, da ein massgeblicher Teil der Wertschöpfung wie Infrastruktur- und Lokführerleistungen in der Schweiz entsteht und in Schweizer Franken anfällt. Über Nacht sind diese Leistungen gegenüber dem EU-Niveau um 15 bis 20 Prozent teurer. Hier helfen zum Ausgleich optimierte und durchgängige Konzepte wie das prämierte. Alleine durch Effizienz- und Produktivitätssteigerungen kann dieser gravierende Kurssturz aber nicht aufgefangen werden.
Wir sind mit unseren bestehenden Lieferanten und auch Kunden im Gespräch, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Entscheidend – auch im Hinblick auf einschneidendere Massnahmen – wird sein, auf welchem Niveau sich der Franken/Euro- Wechselkurs einpendeln wird. Wir beobachten die Märkte sehr intensiv und müssen weitergehende Massnahmen analysieren.

Die Fragen stellte Tim-Oliver Frische.

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