Logo
Diese Seite drucken

Erfolgreich trotz Negativ-Image

Erfolgreich trotz Negativ-ImageDas Geschäft mit den Fertigmahlzeiten, mit vorbereitetem Gemüse oder Salat, mit Mikrowellengerichten oder Sandwiches boomt. Convenience-Produkte erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.

(bs) Der Convenience-Markt, der vor allem aus Tankstellenshops, Kiosken und Läden mit langen Öffnungszeiten an stark frequentierten Lagen besteht, erlebt in der Schweiz einen seit Jahren anhaltenden Boom.

Dies ist das Resultat einer von der Credit Suisse präsentierten Studie («Retail Outlook 2010»). Danach hat Convenience mittlerweile einen Marktanteil von 10 Prozent des Lebensmittel-Detailhandels erreicht.

Den Schlüssel zum Erfolg sieht die CS-Studie darin, dass die Verkaufsstellen bezüglich Sortiment und Arbeitszeiten flexibel auf das veränderte, oft nicht mehr voraussehbare Kaufverhalten der Konsumenten reagieren. Der Erfolg ist umso erstaunlicher, als das Retail-Segment nicht frei ist von Regulierungen: Das Bundesverwaltungsgericht hat unlängst in Bezug auf Tankstellenläden entschieden, dass nachts zwischen 1 Uhr und 5 Uhr keine Lebensmittel verkauft werden dürfen.

Gewaltiges Wachstum wird prognostiziert
Gemäss Schätzungen des Marktforschungsinstituts GfK werden die Convenience- Umsätze in der Schweiz von derzeit etwa 5 Milliarden Franken in den kommenden fünf bis zehn Jahren auf rund 9 Milliarden steigen. Die Branche befindet sich stark im Umbruch, vor allem der Bereich Tankstellenmarkt ist in Bewegung. Die Zahl grosser Tankstellenshops nimmt rasch zu. So haben mittlerweile 973 Tankstellen einen Laden, der grösser als 50 Quadratmeter ist. 2010 wurden 34 neue Tankstellenshops gebaut bzw. Läden vergrössert.

Coop und Migros haben das Wachstumspotenzial ebenfalls erkannt und sind daran, stark zu expandieren, und zwar hauptsächlich über ihre Tankstellenshops Coop Pronto und Migrolino. Beide legten im vergangenen Jahr weiter deutlich zu.

Während bei Coop der Detailhandelsumsatz um 2 Prozent stieg, erhöhten die Pronto-Shops ihre Verkäufe um knapp 7 Prozent. Das ist einerseits die Folge der im letzten Jahr neu eröffneten 14 Shops, andererseits entsprechen die Kleinläden mit stark erweiterten Öffnungszeiten und ihrem Convenience-Sortiment auch dem Wunsch vieler Konsumenten nach Einkaufen rund um die Uhr und schnell zubereitetem Essen.

Mit einem Umsatz von 822 Millionen Franken in total 229 Pronto-Shops (Ende letzten Jahres) ist Coop klarer Marktführer. Migrolino verfügt derzeit über 164 Läden, will das Machtverhältnis jedoch umkehren. Ihr erklärtes Ziel ist es, im Convenience-Geschäft die Nummer eins zu werden.

Migros hat das Geschäft mit Convenience- Produkten selbst an die Hand genommen und setzt dabei stark auf «Anna’s Best». Coop beteiligt sich an Betty Bossi und bezieht Produkte ihrer Tochter Bell.

Der Convenience-Bereich ist insofern lukrativ, weil die Margen von frischer Pasta, Pizzen oder Salaten für den Detailhandel überdurchschnittlich hoch sind.

Veränderte Gesellschaftsstrukturen
Vor allem Berufstätige, Singles und eine immer breiter werdende urbane Käuferschicht sind bereit, höhere Preise für vorgefertigte Produkte zu zahlen, die rasch zubereitet und fast rund um die Uhr erhältlich sind. Das ist für viele Detailhandels-Spezialisten sowie Sozialforscher Ausdruck und Folge von veränderten Gesellschaftsstrukturen.

Damit einher geht auch eine Neubeurteilung und veränderte Einstellung der Bevölkerung zu Convenience Food. Das bisherige eher schlechte Image der Fast-Food-Kultur ändert sich. Und zwar nicht nur, weil die Qualität der Produkte steigt, sondern auch, weil eine neue Esskultur Einzug hält. Während ein Teil der Bevölkerung den «Verlust traditioneller Esskultur» beklagt, sieht ein anderer Teil darin eine Chance, eine neue Esskultur zu schaffen. Gleichwohl ist Convenience Food nach wie vor ein öffentliches – und damit auch umstrittenes – Thema.

Für Convenience Food spricht unter anderem der Zeitgewinn im Alltag. Gemüse zum Beispiel ist schon geputzt, gewaschen und geschält, zum Teil sogar geschnitten. Vielfach erübrigen sich auch weitere Zutaten, deren Beschaffung bzw. Zubereitung meist Zeitaufwand und Kochkenntnisse bedingen (Saucen, Gewürze usw.). Vorgefertigte Lebensmittel sind oftmals bereits portioniert oder können ohne Verluste portionenweise konsumiert werden.

Lagerfähige Convenience-Produkte sind jederzeit saisonunabhängig verfügbar und verzehrbereit. Herstellung, Lagerung und Vertrieb der industriell vorgefertigten Erzeugnisse unterliegen strengen Vorschriften und Kontrollen. Richtig verpackte und aufbewahrte Fertigprodukte sind aus bakteriologischer bzw. hygienischer Sicht generell unbedenklicher als frische Ware, weil Letztere schnell verderblich ist.

Durch Tiefkühlung, Trocknung oder Zusatzstoffe kann die Haltbarkeit der Lebensmittel verlängert werden. Tiefgekühlte Früchte und Gemüse haben den gleichen ernährungsphysiologischen Wert wie die frischen saisonalen Produkte, denn sie werden unmittelbar nach der Ernte tiefgefroren. Nährstoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente bleiben weitgehend erhalten. Convenience-Produkte sind mit geringem Aufwand zubereitet und damit auch für ältere, kranke oder behinderte Menschen und für Personen, die wenig Zeit zum Kochen haben, geeignet.

«Tiefkühlgemüse ist oft gleich vitaminreich wie frisches», stellte das Konsumentenmagazin «Saldo» letztes Jahr in einem Beitrag fest. Die «Saldo»-Redaktion hatte frischen Broccoli, Spinat, Rosenkohl, Schwarzwurzeln, Karotten und Bohnen mit tiefgekühlten und sterilisierten in Dosen verglichen. Fazit: In mehreren Fällen enthielten die Tiefkühlprodukte gleich hohe Vitamingehalte, teilweise sogar höhere als die Frischgemüse. Gegen Convenience-Produkte spricht, dass diese oft zu viel Zucker oder Fette enthalten, sodass ihr Energiegehalt vergleichsweise hoch ist. Zudem sind Nahrungsmittel mit gehärteten Fetten ungesund.

Der oftmals hohe Salzgehalt von Fertiggerichten ist ein Risikofaktor für erhöhten Blutdruck. Weiter werden besonders importierte Erzeugnisse im Allgemeinen nicht mit jodiertem und fluoridiertem Salz hergestellt. Deshalb ist es als Ausgleich wichtig, für selbst gekochte Gerichte jod- und fluorhaltiges Salz zu verwenden. Die meisten Fertiggerichte stellen keine ausgewogene Mahlzeit dar. Der oft geringe oder sogar fehlende Gemüse- und Früchteanteil steht im Widerspruch zu den Empfehlungen für eine gesunde Ernährung («Fünf Portionen Gemüse und Früchte pro Tag»).

Je nach Konservierungsart (z. B. Trocknen, Erhitzen) kann der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen vermindert sein. Meistens sind energieaufwendige Verfahren nötig (z. B. Tiefkühlen, Verpackung, Verarbeitung), weshalb nicht nur aus ernährungsphysiologischer, sondern auch aus ökologischer Sicht nicht täglich Convenience Food verzehrt werden sollte. Schliesslich sind Convenience-Produkte fast immer teurer als Frischprodukte.

Empfehlungen der SGE
Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) hat ein Merkblatt zum Umgang mit Convenience Food herausgegeben. Darin empfiehlt sie unter anderem, Convenience-Produkte mit Frischprodukten zu ergänzen, die Fertigprodukte öfters zu variieren, beim Einkauf Zutaten und Nährwertangaben auf der Verpackung zu studieren, insbesondere den Fett- und Energiegehalt sowie die Fettqualität und den Salzgehalt im Auge zu behalten.

Tiefgefrorene und gekühlte Produkte sollten gemäss SGE in Isolierbeuteln transportiert und zu Hause so schnell wie möglich in den Kühlschrank oder in die Tiefkühltruhe gelegt werden. Bei der Zubereitung sollte auf die Kochtemperatur und -dauer geachtet werden, da sie ausschlaggebend für eine gelungene Mahlzeit und für einen geringen Nährstoffverlust sind. Wo es nicht bloss um das Erwärmen der Lebensmittel geht (Herd, Mikrowelle), sollten schonende Zubereitungsarten angewendet werden (Dämpfen, Dünsten, Grillieren usw.).

Bernhard Stricker

Was ist Convenience Food?
Der Begriff Convenience Food stammt aus dem Englischen und meint bequemes Essen (Convenience = Bequemlichkeit, Food = Essen). Damit werden Vorverarbeitete Nahrungsmittel, Mahlzeitenkomponenten und komplette Fertigmahlzeiten bezeichnet, zum Beispiel gerüstetes Gemüse und Salat, Päcklisuppe, Fertigsaucen, Tiefkühlkost, Pizza oder Mikrowellengerichte

Template by Joachim Heldt.