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«Zeitersparnis ist der Hauptvorteil von Convenience Food.»

Urs Reinhard, neuer SCFA-Geschäftsführer(bs)Urs Reinhard, neuer SCFA-Geschäftsführer, glaubt zwei kulinarische Tendenzen zu erkennen: einerseits hin zur raschen und praktischen Küche im Alltag, andererseits zurück zur traditionellen, aufwendigen Kochkunst nach alter Väter Sitte. Was das für Convenience Food bedeutet, analysiert er im folgenden Interview.

 

GS1 network: Sie sind seit der GV vom Juni 2011 neuer Geschäftsführer der Swiss Convenience Food Association. Welches war Ihre Funktion zuvor?
Urs Reinhard: Ich wurde während mehrerer Jahre durch meinen Vorgänger auf die Übernahme der Geschäftsführung vorbereitet, indem ich zuerst einzelne Kommissionen der SCFA betreute und schliesslich stellvertretender Geschäftsführer war.

Welche Ziele verfolgt die SCFA?
Die SCFA ist einer von 16 Branchenverbänden der Schweizer Nahrungsmittelindustrie, die im Dachverband «Föderation der schweizerischen Nahrungsmittel- Industrien» (fial) zusammengeschlossen sind. Die fial setzt sich für die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Interessen ihrer Mitglieder ein. In diesem Rahmen ist das Ziel der SCFA, ihre Mitgliedfirmen in den sie betreffenden Bereichen zu be-raten und zu unterstützen, sei es bei den Verhandlungen mit den Produzenten über die Rohstoffpreise für Kartoffeln und Verarbeitungsgemüse, bei zoll- oder lebensmittelrechtlichen Herausforderungen oder bei der Durchführung statistischer Erhebungen.

Wo liegen derzeit die inhaltlichen Schwerpunkte der SCFA-Tätigkeit?
Im Moment begleiten wir die Entwicklungen im agrarpolitischen und lebensmittelrechtlichen Bereich, welche für die ganze Nahrungsmittelindustrie von Bedeutung sind, eng. Dabei verfolgen wir insbesondere die agrarpolitische Reform AP 2014-17, die Revision des Markenschutzgesetzes (die sogenannte «Swissness»-Vorlage), die Entwicklung im Bereich des «Cassis-de-Dijon»-Prinzips seit dessen Einführung am 1. Juli 2010 oder die Probleme beim Rohstoffpreisausgleich über das «Schoggigesetz».Ein spezifisches Problem, das mehrere Mitglieder der SCFA betrifft und uns im Moment beschäftigt, ist die Anpassung der «Konfitürenverordnung» an die entsprechenden EU-Vorschriften. Hier möchten wir verhindern, dass den betroffenen Mitgliedfirmen aus der Änderung der Verordnung Nachteile erwachsen.

Wie definieren Sie Convenience Food?
Es ist ausserordentlich schwierig, Convenience Food einzugrenzen. Wenn ein Produkt «convenient» ist, ist es schlicht praktisch: Der Produzent nimmt dem Käufer Arbeit ab, indem er das Produkt für den Konsum mehr oder weniger stark vorbereitet. Ofenfrites oder Bohnen in der Dose sind deshalb genauso zum Convenience Food zu zählen wie gewaschener Schnittsalat, Dosenravioli, eine Beutelsuppe, ein Sandwich oder ganze Fertiggerichte.

Welche langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für die SCFA?
Wir gehen davon aus, dass im Bereich des traditionellen Convenience Food, aus dem die SCFA einst hervorgegangen ist, das heisst im Bereich der klassischen Konserven- und Tiefkühlindustrie, die Entwicklungsmöglichkeiten eher gering sind. Die Rohstoffe in der Schweiz sind teurer als im Ausland, zudem wirken sich die Skaleneffekte nicht zugunsten der Schweizer Verarbeiter aus. Gleichzeitig ist es ausserordentlich schwierig, in diesem Bereich die «Swissness» auszuloben und am Markt höhere Preise zu erzielen als bei importierten Produkten. Der Konsument unterscheidet kaum zwischen der deutschen und der schweizerischen Erbsendose und ist nicht bereit, für die schweizerische Dose mehr zu bezahlen. Mit der zunehmenden Grenzöffnung ist das Marktumfeld noch härter geworden, und auch die Discounter bearbeiten diesen Bereich stark. Hier müssen wir uns zusammen mit unseren Partnern aus der Landwirtschaft fortwährend für gute Produktionsbedingungen für beide Seiten einsetzen. Marktchancen bestehen aber etwa im Bereich von Spezialitäten und Innovationen, beispielsweise bei speziell frittierten Pommes Chips mit geringem Fettgehalt, weiter für Produkte, bei denen der Abnehmer explizit «Swissness» wünscht, was bekanntlich bei einer grossen Fast-Food-Kette der Fall ist, oder schliesslich bei traditionell «schweizerischen» Gerichten wie Älplermagronen oder Rösti. Im Bereich der Fertiggerichte, wo dem Konsumenten Salate, Sandwiches oder ganze Menüs angeboten werden, stellen wir über die vergangenen Jahre ein Wachstum fest. Hier bestehen generell bessere Marktchancen als im klassischen Bereich. Dazu beigetragen hat sicher die Tatsache, dass sich die Produkte in diesem Bereich sowohl qualitativ als auch sensorisch kontinuierlich verbessert haben.

Convenience Food hatte lange Zeit den Ruf einer geschmacklosen und ungesunden Ernährung. Welches Image hat er Ihrer Meinung nach heute?
Convenience Food wird leider auch heute noch zuweilen als ungesundund geschmacklich schlecht beurteilt. Dies hängt wohl mit der industriellen Fertigung der Produkte zusammen und basiert häufig eher auf einem Gefühl als auf tatsächlichen Erfahrungen der Konsumenten. In Wirklichkeit ist die Bilanz nämlich sowohl in gesundheitlicher als auch in geschmacklicher Hinsicht sehr gut. Auf der Stufe der Tiefkühlprodukte gilt es klar festzuhalten, dass es – abgesehen vom Gemüse, das im eigenen Garten gezogen und rasch verarbeitet wird – kein frischeres und damit gesünderes Gemüse als das Tiefkühlgemüse gibt. Spinat oder Erbsen beispielsweise werden innert weniger Stunden nach der Ernte verarbeitet und weisen einen höheren Vitamingehalt auf als Gemüse, das erst ein oder zwei Tage nach der Ernte auf den vermeintlich frischen Markt gelangt. Dies wird inzwischen durch Studien belegt. Weiter möchte ich festhalten, dass weder beim Tiefkühl- noch beim Dosengemüse Konservierungsstoffe zugesetzt werden, die sich geschmacklich negativ auswirken könnten.

Und wie sieht es bei den Fertiggerichten aus?
 Auf der Stufe der Fertiggerichte ist die Skepsis der Konsumenten wahrscheinlich am grössten. In diesem Bereich wurden bis heute aber viele Fortschritte erzielt. Die Hygienevorschriften sind mittlerweile enorm und bieten Gewähr für die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Produkte. In geschmacklicher Hinsicht wurden Verbesserungen erzielt durch die positiven Entwicklungen beim Produktionsprozess, insbesondere der thermischen Behandlung, aber auch bei den Verpackungsmaterialien. Zudem existieren in den Herstellungsbetrieben spezialisierte Abteilungen, die sich der Entwicklung von besonders geeigneten Rezepturen und schonenden Herstellungsprozessen widmen. Nicht seltenwerden dafür Spitzenköche beigezogen. Dass Fertiggerichte trotz dieser Massnahmen nicht immer die Qualität des Menüs in einem Fünfsternehaus erreichen, ist klar. Vergleichbar mit den Alltagsgerichten in einem durchschnittlichen Haushalt sind sie jedoch allemal.

Wie erklären Sie sich den Erfolg von Convenience Food heute? Ist dessen Verbreitung Ihrer Meinung nach eher Ausdruck gewandelter soziodemografischer Strukturen (mehr Einpersonenhaushalte, mehr Arbeitstätige usw.) oder eher Ausdruck einer veränderten Esskultur?
Ich denke, dass beide Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Einerseits hat die Anzahl der Einpersonenhaushalte zugenommen. Andererseits verfügen auch viele Mehrpersonenhaushalte im Gegensatz zu früher nicht mehr überdas Zeitbudget für das Kochen aufwendiger Gerichte. Nach einem anstrengenden Tag fehlt schlicht die Zeit, aber auch die Musse, sich stundenlang der Zubereitung des Nachtessens zu widmen. Da soll es oft rasch gehen und trotzdem gut schmecken. Gefüllte Teigwaren, vorgekochte Speisen oder Ähnliches leisten hier gute Dienste. Zudem verpflegen sich die Menschen heute häufig unterwegs, beispielsweise in der Mittagspause oder vor dem Ausgang, wo es ebenfalls schnell gehen muss und man seine Zeit lieber anderweitig einsetzt. Wir stellen aber fest, dass gleichzeitig der Trend besteht, am Wochenende oder an einem besonderen Abend auch wieder einmal aufwendig selber zu kochen. Das Planen, Einkaufen und Zubereiten des Essens wird dann zum besonderen Erlebnis. Wir erkennen somit zwei Tendenzen: hin zur raschen und praktischen Küche im Alltag und – wenn man so will – zurück zur traditionellen, aufwendigen Kochkunst nach alter Väter bzw. Mütter Sitte, wenn Zeit dafür besteht oder ein spezieller Anlass zu begehen ist.

Wo sehen Sie den Hauptvorteil von Convenience Food?
In der Zeitersparnis. Gleichzeitig wird dem Konsumenten mit Convenience Food auch ein gewisser Arbeitsaufwand abgenommen, indem er von Rüstarbeit oder Ähnlichem entlastet wird. Schliesslich ist auch die hohe, gleichbleibende Qualität der Produkte ein Vorteil für den Konsumenten.

Welche Bedeutung hat Convenience Food heute für die Gastronomie und Hotellerie?
Viele der von unseren Mitgliedern hergestellten Produkte gehören schonin den Gastro-Bereich, zum Beispiel Pommes frites oder Gemüsemischungen. Dadurch spart der Gastronom Zeit für andere Arbeiten. Die Produkte kann er aber trotzdem noch nach eigenen Rezepten zubereiten und zu eigenen Kreationen zusammenstellen, womit er seine Eigenständigkeit wahren kann. Ein weiterer Vorteil ist die bessere Planbarkeit seiner Arbeit. Convenience- Produkte können in der Regel besser portioniert werden, und es fallen weniger Rüstabfälle an. Schliesslich kann ein Wirt, der Convenience- Produkte verwendet, in der Regel eine breitere Karte anbieten, als wenn er ausschliesslich Frischprodukte verwendet, die er nur kurze Zeit lagern kann.

In der SCFA sind derzeit 22 Verbände zusammengeschlossen. Warum sind Migros und Coop nicht dabei?
In der SCFA sind 22 Firmen zusammengeschlossen, die Convenience-Produkte herstellen. Migros und Coop sind Grossverteiler und damit nicht primär bei der Industrie, sondern auf der Stufe Handel anzusiedeln. Beide sind in unseren Reihen aber durchaus vertreten: Die Migros unterhält eigene Produktionsstätten, wie zum Beispiel die Bischofszell Nahrungsmittel BINA AG, die bei uns Mitglied ist. Coop hat immer weniger eigene Industriebetriebe, führt im Sortiment aber von unseren Mitgliedern produzierte Marken oder Eigenmarken. Coop und Migros engagieren sich übrigens auch auf Stufe des Dachverbandes fial, wo beide im Vorstand vertreten sind. || Die Fragen stellte Bernhard Stricker. Zur Person Urs Reinhard (Jahrgang 1976) ist Fürsprecher (lic. jur., Rechtsanwalt). Nach dem Fürsprecherexamen 2004 war er Assistent an der Universität Bern und Rechtsberater mehrerer Verbände aus dem Gesundheitswesen. 2007 stieg er ins Büro Hodler & Emmenegger ein und wurde 2010 deren Partner. Urs Reinhard ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Seine Hobbys: Wandern, Laufen (Marathon), Skifahren und Literatur.

Die Fragen stellte Bernhard Stricker.

Die Swiss Convenience Food Association (SCFA)
Die Swiss Convenience Food Association gibt es in der heutigen Form (und unter diesem Namen) seit 2006, ihre Wurzeln gehen aber bis ins Jahr 1944 zurück.

Dem Verband gehörten zu Beginn nur die Hersteller von Konserven an. Seit den 60er-Jahren schlossen sich ihm auch Hersteller von Tiefkühlprodukten und in den letzten Jahren auch solche von Kühlprodukten an.

Die Hersteller von Convenience-Produkten verarbeiten eine Vielzahl von Rohstoffen wie Gemüse, Früchte, Kartoffeln, Mehl, Hartweizengries, Zucker, Fleisch. Sie sind auf die Beschaffung von Produkten in hoher Qualität und zu konkurrenzfähigen Preisen angewiesen. Soweit als möglich werden inländische Rohstoffe bevorzugt. Die SCFA setzt sich in der Agrarpolitik für eine Stärkung der produzierenden Landwirtschaft und für wettbewerbsfähige Strukturen ein.

Produktebereiche
Die in der SCFA zusammengeschlossenen Unternehmen sind in den folgenden Produkte- und Geschäftsbereichen tätig:

  • Gemüse- und Früchtekonserven (in Dosen und Gläsern)
  • Tiefkühlgemüse und gefrorene Früchte
  • Kartoffelerzeugnisse (Pommes frites, Chips, Rösti, Kroketten, Kartoffelstock, Gnocchi usw.)
  • Essiggemüse (Cornichons, Zwiebeln usw.)
  • Teigwaren frisch und gekühlt, auch gefüllt
  • Fertigmenüs aller Art, Pizzen, gefüllte Backwaren, Pasteten
  • zubereitete Salate
  • Konfitüren und (Back-)Marmeladen, Marronenpüree, Sirupe
  • Fruchtgrundstoffe für die Industrie (z.B. für Joghurts)

Personelles
Die SCFA wird von einem siebenköpfigen Vorstand geleitet. Präsident ist Dr. Mathias Adank (Zweifel Pomy-Chips), Vizepräsident Urs Feuz (Frigemo AG). Seit der Generalversammlung vom 21. Juni 2011 ist Urs Reinhard Geschäftsführer der SCFA, zwischen 1975 und 2011 hatte Beat Hodler diese Stelle inne.

Die Mitglieder
Derzeit sind folgende 22 Unternehmen im Verband zusammengeschlossen (mit insgesamt 4680 Beschäftigten):

  • Bell AG Convenience, Schafisheim
  • Bischofszell Nahrungsmittel AG, Bischofszell
  • Bofrost Vertriebs AG, Freienbach
  • Fredag AG, Root
  • frigemo AG, Cressier
  • frigemo AG, Mellingen
  • Frutarom Switzerland Ltd., Reinach
  • Givaudan Schweiz AG, Dübendorf
  • GUMA Halbfabrikate AG, Bilten
  • Hero AG, Lenzburg
  • Hilcona AG, Schaan
  • Kadi AG Kühl- und Tiefkühlprodukte, Langenthal
  • Louis Ditzler AG, Möhlin
  • Nestlé Suisse SA, Rorschach
  • Obipektin AG, Bischofszell
  • Ospelt food AG, Sargans
  • Pastinella Orior Menu AG, Oberentfelden
  • Reitzel (Suisse) SA, Aigle
  • Schenk Konfitüren+Sirup GmbH, Root
  • Schweizer Getränke AG, Obermeilen
  • Schöni Finefood AG, Oberbipp
  • Zweifel Pomy-Chips AG, Spreitenbach
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