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Das Schweizer Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt

Qualität kostet seinen Preis: das Schweizer GesundheitssystemDie Leistungen des Schweizer Gesundheitswesens sind Weltspitze, was von den Patientinnen und Patienten honoriert wird, was aber auch seinen (hohen) Preis hat. Eine bessere Organisation und effizientere Strukturen könnten die Kosten senken, ohne dass die Qualität eingeschränkt würde – besagt eine Studie der OECD.

(bs) Gemäss Berechnungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) kostet das Schweizer Gesundheitssystem jedes Jahr 1,7 bis 2 Milliarden Franken mehr als im Vorjahr. 2013 soll die Zunahme sogar 2,3 Milliarden betragen. Für 2012 schätzt die KOF die Ausgaben auf 66,6 Milliarden Franken, für 2013 auf 68,9 Milliarden. Wie sind solche Zahlen und Entwicklungen im internationalen Vergleich einzuordnen?

Gutes, aber teures Gesundheitswesen in der Schweiz
«Noch gehört das Gesundheitssystem des Landes zu den besten weltweit. Die ausgezeichneten Leistungen des Schweizer Gesundheitssystems spiegeln sich in der hohen Lebenserwartung und in grosser Patientenzufriedenheit. Der Preis dafür ist allerdings erheblich: 11,4 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsproduktes (BIP) flossen im Jahr 2009 in die Gesundheitsversorgung – der OECD-Durchschnitt lag bei 9,6 Prozent», heisst es unter anderem in einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und  Entwicklung (OECD) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der im Oktober 2011 veröffentlichte Bericht hatte zum Ziel, eine gemeinsame Bestandsaufnahme des Schweizer Gesundheitswesens zu erarbeiten. Fazit des Berichts: Das Gesundheitssystem der Schweiz ist leistungsstark, und es befriedigt die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten. Das Gesundheitswesen sei aber nach wie vor teuer, ineffizient und zu wenig transparent und berücksichtige langfristige Perspektiven zu wenig, zum Beispiel die Entwicklung, dass es in Zukunft eine deutliche Zunahme an chronischen Krankheiten geben werde. Das heutige schweizerische Gesundheitssystem werde sich anpassen müssen, um sich den zukünftigen Herausforderungen stellen zu können. Als konkretes Beispiel nennt der Bericht die Fettleibigkeit. Sie sei zwar noch wenig verbreitet, nehme aber stetig zu. Zudem habe das konsensdemokratisch aufgebaute politische System der Schweiz Verzögerungen bei den Reformbestrebungen zur Folge, heisst es in der Analyse weiter. Unter den 26 Reformempfehlungen, die im Bericht aufgelistet werden, finden sich deshalb zahlreiche Vorschläge zur Kostenreduktion. So unter anderem die Empfehlung, das System stärker auf Grundversorgung und Vorsorge auszurichten. Während die OECD-Länder durchschnittlich 3,1 Prozent ihrer Gesundheitsausgaben für die Prävention aufwenden, sind es in der Schweiz nur 2,3 Prozent (Stand 2008). Regierungen und Versicherer sollten nach Ansicht der OECD-Experten die medizinischen Versorger zudem dazu ermutigen, ihre Anstrengungen zu koordinieren, indem sie unter anderem Patientendossiers entwickeln, die es ermöglichen, die Genauigkeit einer Diagnose zu verbessern und die Zahl von mehrfachen Tests zu vermindern.

Zu wenig Personal
Darüber hinaus sollte die Schweiz jetzt beginnen, die Entwicklungen bei ihrem medizinischen Personal besser zu planen. So wäre sichergestellt, dass das Land auf die wachsenden Anforderungen und Änderungen in der medizinischen Landschaft vorbereitet sei. Ziel müsse es sein, mehr Gesundheitspersonal auszubilden, Pflegefachpersonal anzuwerben und im Beruf zu halten sowie die Ausbildung von Allgemeinmedizinern zu fördern. Ausserdem sollte das Personalmanagement in den Spitälern verbessert werden. Im Durchschnitt der OECD-Länder entfielen auf 1000 Einwohner 2,8 Ärzte und 7,7 Pflegefachleute. Die Ärztedichte (praktizierende Ärzte) ist in der Schweiz 36 Prozent höher (3,8), diejenige des Pflegepersonals ist sogar doppelt so hoch (15,2). Schon im Jahr 2000 hatte die Schweiz 84 Prozent mehr Pflegende pro 1000 Einwohner als der OECD-Durchschnitt. Das Zahlenverhältnis zwischen Pflegenden und Ärzten ist hierzulande nach Indonesien, den USA, Dänemark und Japan (4,3) das höchste (4, wie Luxemburg und Neuseeland). 

Grosse Zahl an Spitälern
Ein wesentlicher Kostenfaktor ist gemäss diesem Bericht die grosse Anzahl an Spitälern. In der Vergangenheit funktionierte dieses System gut. Der zunehmenden Zahl von chronisch Kranken, die weniger intensiv, dafür aber regelmässig versorgt werden müssen, wird es allerdings längerfristig nicht mehr gerecht werden. Die Spitaldichte ist in der Schweiz 28 Prozent höher als im Vergleichsdurchschnitt. Die Personaldichte ist 16 Prozent höher. Gemäss Berechnungen des Gesundheitsspezialisten und -ökonomen Dr. Gerhard Kocher (publiziert in der Schweizer Ärztezeitung) hat die Schweiz ein Spital auf 122 km2. Dieser Wert wird europaweit nur noch von Deutschland übertroffen mit 106 km2. Das durchschnittliche Spitaleinzugsgebiet in den 13 erhobenen Ländern ist 2300 km2 (19-mal grösser als in der Schweiz). Bezieht man nur die europäischen Länder ein, und damit nicht die drei Flächenstaaten Kanada, USA und Australien, beträgt der Durchschnitt immer noch 811 km2 pro Spital. Sonderfall Schweiz: Sehr hohe Direktzahlungen der Patientinnen und Patienten In internationalen Vergleichen fallen jeweils die hohen Out-of-Pocket-Zahlungen in der Schweiz auf. Sie betreffen vor allem Leistungen für Pflegeheime und Institutionen für Behinderte, praktisch die ganze Zahnmedizin, rezeptfreie Medikamente sowie Franchisen und Selbstbehalte. Gemäss Recherchen von Gerhard Kocher zahlen die Schweizer Haushalte gesamthaft neben den Versicherungsprämien 30 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben direkt aus eigener Tasche. Die beiden anderen Finanzierungsquellen sind die Sozialversicherungen mit 40,8 Prozent und der Staat mit 19,4 Prozent. Die Schweiz belegt diesbezüglich mit grossem Vorsprung den ersten Rang: Die 1568 US-Dollar pro Person und Jahr sind 61 Prozent höher als die Direktzahlungen in den USA und 177 Prozent höher als der OECD-Durchschnitt. Die Deutschen zahlen nur 552 US-Dollar direkt, die Franzosen sogar nur 291 US-Dollar. Wenn man die unterschiedliche Kaufkraft der Länder nicht berücksichtigt, sondern die Beträge zum Wechselkurs vergleicht, ist die Diskrepanz noch grösser. Die Selbstzahlungen der Schweizer Privathaushalte entsprechen 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das ist fast doppelt so viel wie im OECDDurchschnitt. Kein anderes Land in Europa ausser der Slowakei zahlt gemäss Kocher mehr als 1,9 Prozent. Auffällig ist der zweite Rang der Schweiz (gemeinsam mit Deutschland) bezüglich Verweildauer in den Spitälern. Sie ist bei uns mit 9,7 Tagen 41 Prozent länger als im Durchschnitt der aufgeführten Länder. Die kürzlich eingeführten Fallpauschalen werden wohl zusammen mit anderen Entwicklungen eine starke Angleichung der Aufenthaltsdauer an die anderen Länder bringen.

(Quelle: OECD/SAEZ 2012.93.25)

Bernhard Stricker

Das Gesundheitswesen als bedeutender Wirtschaftszweig

Über eine halbe Million Menschen arbeiteten 2010 gemäss KOF im Gesundheits- und Sozialwesen. In Vollzeitäquivalenten stieg der Anteil der Beschäftigten in dieser Branche an der Gesamtbeschäftigung von 7,7 Prozent im Jahr 1992 auf über 11 Prozent im Jahr 2010. Im selben Zeitraum nahm der Anteil der Wertschöpfung am BIP von 5,0 Prozent auf 6,3 Prozent zu. Die Preissenkungen bei Medikamenten führen laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) 2011 und 2012 zu jährlichen Einsparungen von 160 Millionen Franken. Die Einschränkung von Vermittlung und Telefonmarketing der Krankenversicherer, Anpassungen in der Mittel- und Gegenständeliste und zusätzliche Tarifsenkungen bei den Laboranalysen sollen weitere Einsparungen bringen.

 

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