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Kollaboration statt Konkurrenz

Im Wirtschaftsbereich zeichnet sich ein fundamentaler Wertewandel ab: Das Prinzip Kollaboration ersetzt immer mehr dasjenige der Konkurrenz. Das setzt ein ganz neues Denken und einen kooperativen Arbeitsstil voraus.

(bs) «Menschen erreichen zusammen mehr als alleine. Auf dieser einfachen Tatsache basiert der grösste Teil unserer ganzen zivilisatorischen Entwicklung. Das einsame Genie war und ist zwar immer wieder wichtiger Impulsgeber, den Grossteil an Innovationen und deren Umsetzung verdanken wir aber der Zusammenarbeit von Menschen in Gruppen, Gemeinschaften und Teams. Diese produktive Zusammenarbeit basiert auf kollaborativen – oder ko-konstruktivistischen – Prozessen, die erst durch Kommunikation und Konversation möglich werden», schreibt Daniel Stoller-Schai in seiner Dissertation «E-Collaboration: Die Gestaltung internetgestützter kollaborativer Handlungsfelder» an der Universität St. Gallen.

Der Begriff der Kollaboration
Der Begriff «Kollaboration» wird gemäss Stoller oft sehr unterschiedlich und meistens ohne exakte Begriffsklärung verwendet. Es ist ein typischer Praxisbegriff, der in verschiedensten Bereichen verwendet, aber selten wirklich präzise definiert wird. Dies ist besonders darum erstaunlich, weil bereits heute viele Unternehmen den Begriff «Kollaboration» (oder «Collaboration») für strategisch bedeutsame Konzepte und Initiativen verwenden. Inhaltlich bedeutet Kollaboration die kooperative Zusammenarbeit von Projektgruppen, Mitarbeitenden, Unternehmen und deren Zulieferern und Partnern zur Optimierung der Wertschöpfungskette. Zur Kollaboration gehören die Verteilung von Informationen und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Das können admini­strative Ressourcen sein, aber ebenso entwicklungstechnische, prozessbasierte, produktions- und serviceorientierte oder informationstechnische. Entschei­dend für die Kollaboration ist das Er­arbeiten von durchgängigen Prozessketten, die den Datenaustausch für die Beschaffung, die Produktion, den Vertrieb, den Service usw. unterstützen. Kollaboration kann zwischen räumlich und organisatorisch verteilten Projektgruppen stattfinden, bei denen die Mitarbeitenden über verschiedene, regionale und überregionale Standorte verteilt und in verschiedenen Divi­sions- oder Unternehmenseinheiten beschäftigt sein können. Sie bezieht sich auch auf unterschiedliche Kommunikationsdienste. So muss die Kol­la­boration gleichermassen stationäre Computer und mobile Endgeräte einbeziehen, aber auch E-Mails, Instant Messaging (IM), Videokonferenzen, Telefonate und Faxe. Erfolgt die Kollaboration über das Internet oder über Intranets, spricht man von Online-Collaboration oder E-Collaboration.


«Wir leben in einer Krise, die nur durch Kollaboration überwunden werden kann.» Christian Felber


Anforderungen ans Management
Mit der zunehmenden Verbreitung des Kooperationsgedankens haben sich aber auch die Anforderungen an das Management der Zusammenarbeit erhöht. Kooperation an sich ist noch kein Wettbewerbsvorteil, vielmehr müssen zum Organisationsmodell adäquate Methoden und Werkzeuge mitgeliefert werden, um die möglichen Vorteile einer Kollaboration auch ausschöpfen zu können. Die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien stechen dabei besonders ins Auge: Diese Werkzeuge können die unternehmensübergreifenden Kooperationen zum Teil erheblich erleichtern, mitunter fungieren sie sogar als «Enabler» für neue Netzwerkvarianten. Das Motto moderner Organisationsmodelle «Zelte statt Paläste» verdeutlicht dabei auch die Anforderungen an die unterstützenden Werkzeuge: Sie müssen schnell aufzusetzen, flexibel anpassbar und gegebenenfalls auch rasch wieder aufzulösen sein. Für derart dynamische Einsatzgebiete eignen sich Open-Source-Kollaborationsplattformen als unterstützende Werkzeuge, die ohne grossen Arbeits- und Mittelaufwand eine Anpassung an individuelle Arbeits­umgebungen erlauben.

Innovation durch Kollaboration
Die Fähigkeit eines Unternehmens zur Innovation gilt seit jeher als wesentlicher Erfolgsfaktor. Im Bereich der Innovationsentwicklung liegt eines der grössten Potenziale in der virtuellen Kollaboration. Grundsätzlich lassen sich drei arianten virtueller Kollaboration unterscheiden: zum einen die virtuelle Kollaboration innerhalb der Unternehmensgrenzen, also zum Beispiel die Zusammenarbeit innerhalb eines räumlich getrennten Projektteams, oder auch die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmenseinheiten oder mehrerer Standorte des gleichen Unternehmens; zum zweiten die externe vir­tuelle Kollaboration mit Unternehmen oder Partnern, die dem eigenen Unternehmen in der Wertschöpfungskette vorgelagert oder nachgelagert sind, also zum Beispiel mit Zulieferern, Vertriebspartnern oder auch Kunden; und drittens gibt es auch noch die Möglichkeit einer Kollaboration mit Wettbewerbern.

Wertewandel «Möglicherweise stehen wir unmittelbar vor einer kopernikanischen Wende, was unser Verständnis des mensch­lichen Zusammenlebens betrifft», schreibt Christian Felber in seinem Buch «Kooperation statt Konkurrenz» und meint damit konkret die Kollaboration. Er spitzt seine These noch zu, indem er der Kollaboration heilende Wirkung zumisst: «Wir leben in einer Krise, die nur durch Kollaboration überwunden werden kann. Immer mehr Menschen sind bereit, alte Denkgewohnheiten über Bord zu werfen und sich für einen grundlegenden Systemwandel zu öffnen.» Nachdem die Wirtschaftswelt lange Zeit dem Prinzip der Konkurrenz (und damit dem Wettbewerb) oberste Priorität einräumte, gibt es inzwischen immer mehr Stimmen, die Kooperation statt Konkurrenz fordern, denn ihrer Erfahrung nach motiviert die Ko­operation mit positiven emotionalen Erfahrungen stärker (Wertschätzung, Vertrauensbildung, gemeinsame Ziel­erreichung: Dein Erfolg ist auch mein Erfolg) als die Motivation zur Konkurrenz (Angst, Druck und Stress). Psychologen sind sich einig, dass die von innen kommende Motivation stärker wirkt als die von aussen kommende.

Bernhard Stricker

Das Wiki-System als Beispiel eines Kollaborations-Prinzips

Das ursprüngliche «WikiWikiWeb» ist eine Datenbank, die es Programmierern aus aller Welt ermöglicht, gemeinsam und effektiv an wiederverwendbaren Vorlagen zur Lösung häufig auftretender Probleme bei der Software-Entwicklung – sogenannten Entwurfsmustern (Design Patterns) – zu arbeiten. Websites können im Wiki-System schnell und unkompliziert angelegt und bearbeitet werden, ohne dass dafür Kenntnisse in HTML (Hypertext Markup Language) – der eigentlichen Auszeichnungssprache für Hypertext-Dokumente – notwendig wären. Die neuartige Kommunikations- und Kooperationsplattform fand schnell grossen Anklang und entwickelte durch die rasch wachsende Zahl interessierter Benutzer nach kurzer Zeit die Eigendynamik einer Online-Community. Das WikiWikiWeb zeichnet sich durch eine besonders kooperative Atmosphäre aus, welche man bis dahin nicht gewohnt war. Die Teilnehmer suchten explizit nach einer gemeinschaftlichen, autorenfreundlichen Atmosphäre und konnten mithilfe des «WikiWeb» (Wiki) diese Haltung auch in verschiedenen Kooperationsformen zur Produktion von interessanten Inhalten umsetzen. Das Wort «wiki» stammt aus dem Hawaiianischen und bedeutet übersetzt «schnell». Übertragen auf Internet-Anwendungen wie Wikipedia liegt die Schnelligkeit darin, dass die Inhalte von Websites nicht nur gelesen, sondern von beliebigen Nutzern sofort online verändert werden können. Mit einem Mausklick kann jeder Leser ein Bearbeitungsfeld öffnen und neue Texte erstellen oder bestehende verändern. Dieses Prinzip gilt für Wikipedia mit Einschränkungen noch heute. Am 15. Januar 2001 wurde die erste Version in den USA gestartet. Wie aus dem Nichts sind seitdem weltweit fast 18 Millionen Artikel in rund 270 Sprachen entstanden. Der Erfolg gibt dem Gründer Jimmy Wales bislang recht. Der Lexikon-Vorgänger Nupedia, der noch auf wissenschaftlich strenge Kontrolle der Artikel setzte, wurde nach wenigen Jahren abgeschaltet. Wikipedia zog hingegen immer mehr Autorinnen und Autoren an. Bald wurde der modische Begriff der Schwarmintelligenz auf das Projekt angewandt.

 

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