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Ein Säuretanker legt sich quer

Bergungsarbeiten nach der Havarie der TMS "Waldhof"Anfang 2011 blockierte der havarierte Säuretanker «Waldhof» vier Wochen lang den Rhein. Der Ausfall dieses Transportkorridors hinterliess auch in der Schweiz Spuren.

(as)Am 12. Januar 2011 kenterte frühmorgens der Säuretanker «Waldhof» auf dem Rhein in der Nähe von St. Goarshausen. Er war am frühen Morgen bei der Ludwigshafener Chemiefirma BASF losgefahren, um Schwefelsäure ins BASF-Werk in Antwerpen zu bringen. Beim Unglück starb ein Besatzungsmitglied, ein weiteres wird noch vermisst.

Schiffsverkehr blockiert
Rund 900 Tonnen Schwefelsäure flossen direkt in den Rhein, im Rahmen der Bergung des Schiffes wurden weitere 800 Tonnen kontrolliert in den Fluss geleitet. Dann blockierte das Schiff die grösste deutsche Wasserstrasse, die auch für die Schweizer Wirtschaft extrem wichtig ist. Der Rhein war vom 13. Januar bis zum 14. Februar für den Schiffsverkehr teils komplett, teils temporär gesperrt. Dann war das Schiff geborgen und der Alltagsbetrieb kehrte zurück.
Die Unglücksursache war bald klar. Laut dem Anfang 2012 vorgelegten Zwischenbericht der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes erfüllte das Schiff zum Unglückszeitpunkt die vorgeschriebenen Stabilitätskriterien für Gefahrguttransporte auf Binnenwasserstrassen (ADN) nicht, weil es falsch beladen war. Alle sieben Tanks waren nur etwas mehr als hälftig befüllt. Dadurch entstanden zu grosse freie Oberflächen. Zudem enthielt ein Ballasttank wegen zwei Löchern im Rumpf offenbar Ballastwasser. Rein rechnerisch genügten diese Momente aber noch nicht, um die Kenterung auszulösen. Entsprechende Untersuchungen zu den krängenden Momenten aus den Fahr- und Ruderbewegungen laufen noch.
Die «Waldhof» gehört der Rhein-Fracht GmbH, einer Tochter der Lehnkering- Gruppe. Diese antwortete nicht auf mehrere per Mail gestellte Fragen. So bleibt im Dunkeln, welche Auswirkungen der Vorfall auf das Tagesgeschäft hatte – ob etwa Aufträge storniert wurden – oder wie das Image des Unternehmens durch das Unglück litt. Auch zu etwaigen innerbetrieblichen Konsequenzen machte Lehnkering keine Angaben. Jedenfalls ist die «Waldhof» wieder unterwegs. Nach Angaben des Spezialportals Katastrophenaktuell.de fährt sie nach einer umfassenden Reparatur mittlerweile wieder unter dem neuen Namen «Auriga».

BASF greift auf Notfallkonzept zurück
Von der Havarie direkt betroffen war auch die BASF. Sie wickelt im Normalfall mehr als 40 Prozent ihres Gütertransports über den Rhein ab. Trotzdem war die mehrwöchige Flusssperre für das Unternehmen keine Katastrophe. Der Konzern verfügt nämlich, so Firmensprecher Hans-Joachim Perrey, über ein generelles Notfallkonzept, das auch beim «Waldhof»-Unglück zum Einsatz kam. Das Konzept deckt auch logistische Probleme ab, und es gibt je nach Verkehrsträger und Krisenart einen entsprechenden Arbeitskreis.
So wurde noch am Tag der «Waldhof»- Havarie der entsprechende Krisenstab einberufen, und erste Schritte zur Verlagerung von Transporten auf andere Verkehrsträger wurden angestossen. Transporte wurden vom Schiff auf Schiene und Strasse verlagert. Das entschärfte die Situation offenbar massiv. Es kam nur in «ganz wenigen Fällen wegen Rohstoffknappheit» zu Lieferverzögerungen Richtung Kunde. Laut Perrey habe man diese frühzeitig informiert. «Unsere Kunden hatten Verständnis für die Situation», betont er. Allerdings, ganz aus heiterem Himmel musste die BASF sich das alles nicht einfallen lassen. Da der Rhein öfter Transportrestriktionen wegen Hochoder Niedrigwasser habe, gebe es mit solchen Verlagerungen eine gewisse Erfahrung, meint Perrey. Mittlerweile wurden kleinere Ergänzungen am Notfallkonzept angebracht, die aktuellen Erfahrungen somit verwertet.
Die Sperrung des Rheins hatte massive Auswirkungen auf die Transportkapazitäten des Flusses. Stark litten auch die Schweizerischen Rheinhäfen in Basel. Sie verzeichneten im ersten Halbjahr 2011 einen um rund 10 Prozent geringeren Gesamtumschlag von 2,8 Millionen Tonnen. Sämtliche Anlagen hatten, wie es in einer Medienmitteilung heisst, Rückgänge zu verkraften. Hauptursache waren deutlich geringere Mineralöl-Importe und die mehrwöchige Rheinsperre wegen der «Waldhof»-Havarie. Für den Rhein selbst liegen noch keine Zahlen zum Jahr 2011 vor. Im ersten Quartal 2012 stiegen die Transportvolumen aber massiv an. Die Transportmengen nahmen um rund 20 Prozent auf 5,8 Millionen Tonnen zu, die Zahl der Transportschiffe um 9 Prozent auf fast 6500. Die Messungen erfolgten an der Eingangsschleuse Iffezheim bei Baden- Baden.

Gesamtschäden auf über 50 Millionen Euro geschätzt
Blickt man auf die Rheinzuflüsse, zeigen Zahlen für 2011 ein gemischtes Bild. Deutliche Spuren trug die Neckarschifffahrt davon. Die Zahl der Schiffe legte zwar um 5 Prozent auf über 8000 zu, das transportierte Volumen ging aber um 6 Prozent auf 6,9 Millionen Tonnen zurück. Den Rückgang der Ladungsmengen begründet Jörg Huber, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Heidelberg, mit schwierigen Randbedingungen wie Niedrigwasser – und mit der «Waldhof»: Die durch die Havarie des Tankers begründete mehrwöchige Schifffahrtssperre am Rhein «hat die Neckarschifffahrt geschätzte 200 000 Tonnen gekostet», stellt er fest. Wenig spürte man hingegen auf der Saar. Sie erlebte 2011keinen Rückgang der Transportvolumen und beförderte rund 3,4 Millionen Tonnen.
Noch 2011 legte die holländische Beratungsfirma NEA eine Schätzung der insgesamt entstandenen wirtschaftlichen Schäden vor: Sie sollen zwischen 50 und 55 Millionen Euro betragen. Der errechnete Gesamtbetrag setzt sich gemäss einem Bericht des Portals Verkehrsrundschau.de aus verschiedenen Kostenblöcken zusammen. Die verladende Wirtschaft war am stärksten betroffen, hier wurden Schäden von rund 26 Millionen Euro verortet. Die Verlader mussten nämlich kurzfristig neue Transportalternativen entwickeln, um die Unterbrechung der Supply Chains zu vermeiden.
Betroffen war natürlich auch die allgemeine Binnenschifffahrt. Teils mussten deren Ladungen auf Bahn oder Lkw umgeladen oder zwischengelagert werden. Hier setzen die Holländer eine Schadenssumme von 14 Millionen Euro fest – als Folge des Zwangsaufenthalts und der damit einhergehenden Umsatzverluste. Versicherungsgesellschaften mussten schliesslich rund 2 Millionen Euro zahlen. Weitere Schäden entstanden dann auch der Industrie durch Produktionsausfälle oder Beeinträchtigungen. Kritische Kommentatoren des Berichts monieren aber an dieser umfassenden Berechnung, dass niemand die Folgekosten der zahlreichen Lkw-Unfälle auf den deutschen Autobahnen im gleichen Masse aufaddiere.

Alexander Saheb

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