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Richtig bohren im Datenberg

Gerade Logistikunternehmen verfügen über umfangreiche Datenbestände. Eine DHL-Studie zeigt, wie man diese nutzen könnte und welche Vorteile daraus erwachsen.

Die Daten sind überall. Ihr Bestand wächst exponentiell und vervielfacht sich in immer kürzeren Zeiträumen. Zwei Faktoren haben sich in letzter Zeit aber verändert, stellt die Studie «Big Data in Logistics» fest, die Ende 2013 von DHL publiziert wurde.

Volume, velocity, and variety
Zum einen fliessen die Daten von selbst ein und müssen nicht mehr aktiv erhoben werden. Das ist insbesondere ein Verdienst der massiven Verbreitung von «Connected Devices» wie Autos, Smartphones, Webcams, RFIDReadern und Sensorennetzwerken, die alle für sich bereits starke Datenquellen sind und ohne menschliches Zutun einen anhaltenden Datenstrom generieren. Zum andern wächst die Vielfalt der verfügbaren Daten stetig an. Das grösste neue Datenvolumen besteht indessen aus Kamerabildern, Videos – unter anderem auch von Überwachungskameras –, Blog- und Forumsbeiträgen sowie elektronisch publizierten Warenkatalogen. All diese unstrukturierten Datenquellen tragen zur höheren Vielfalt der verfügbaren Datentypen bei.
Ähnlich sieht es bei Logistikdienstleistern aus: Diese lenken heute einen immensen Warenstrom, der gleichzeitig umfangreiche Datensets liefert. Jeden Tag werden von Millionen Sendungen Ursprung und Ziel, Grösse, Gewicht, Inhalt und aktuelle Position registriert. Aus all diesen Daten kann der Untersuchung zufolge auf dreierlei Art Mehrwert generiert werden: durch Verbesserungen bei der operationellen Effizienz oder der Kundenerfahrung oder der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Laut einer weiteren Studie zu Trends in der Supply Chain haben 60 Prozent der Befragten vor, in den nächsten fünf Jahren in Big-Data-Analytik zu investieren. Die «drei V» von Big Data, «volume, velocity, and variety», ergeben aber nicht von selbst den Zugang zu sinnvollen Nutzungen. Wie es in der DHL-Studie weiter heisst, brauche es eine grundlegende mentale Umorientierung und die Anwendung der richtigen Suchtechniken innerhalb des Datenbergs. Die Frage laute, welchen zusätzlichen Wert der Datenberg in sich berge und wie man ihn kapitalisieren könne.

Erst die Hausaufgaben, dann Big Data
Auf dem Weg zu einer von Big Data gelenkten Unternehmung ist laut DHL zudem ein firmeninterner Faktor von grosser Bedeutung. Um zu einem informationsgetriebenen Unternehmen zu werden, müssten die operativen Geschäftsbereiche und die IT mehr Verständnis füreinander entwickeln. Sowohl operativ wie auch in der IT dürften substanzielle Veränderungen nötig werden. Es gelte stets den Business Case und das Anwendungsmodell von Big Data für diesen gleichberechtigt zu entwickeln und die jeweiligen Ziele, Nutzen und Risiken zu beleuchten. Big Data werde zwar noch eine Reihe von Hindernissen für die praktische Anwendung überwinden müssen (Datenqualität, Privatsphärenschutz, technische Machbarkeit), doch auf lange Sicht komme diesen nur untergeordnete Bedeutung zu. Im Vordergrund stehe, dass Big Data durch Unternehmungsgeist vorangetrieben wird. Amazon, Facebook oder Ebay haben bereits vorgezeigt, wie sich umfangreiche Informationsbestände zu einem einträglichen Geschäft ummünzen lassen.
Einige Anwendungsbeispiele von Big Data liefert auch die DHL-Studie. Sie schildert zunächst einige allgemeine Beispiele und führt dann mehrere spezifische Anwendungen aus der Logistik auf. Unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der operationellen Effizienz hat beispielsweise das New York Police Department (NYPD) seine Frühwarnmechanismen verändert. Durch die statistische Analyse von Verbrechen und die geografische Visualisierung von Kriminalitätszentren gelang es, Patrouillen effektiver einzusetzen. Nicht zuletzt darauf sei der Rückgang an Gewaltverbrechen in der Stadt zurückzuführen, heisst es. Auch die deutschen DM Drogeriemärkte nutzen Big Data für sich: Das Schichtplanungstool integriert nicht nur Umsatzprognosen auf der Basis der Ladenöffnungszeiten, sondern auch lokale Markt- und Ferientage, Umleitungen auf dem Strassennetz und das Wetter.

Leithammel-Kunden gezielt identifizieren und binden
Bei T-Mobile USA wurde das Thema Kundenerfahrung zum Big Data Case. Mobilfunkanbieter erleben immer wieder das Abwandern bisheriger Kunden (Churn Management, vom englischen «to churn»: jemanden bewegen, aufrühren). Zudem konnte beobachtet werden, dass mit den abwandernden Kunden auf sozialen Netzwerken verbundene Kunden in der Folge ebenfalls eine höhere Abwanderungstendenz zeigten. Deshalb berücksichtigte T-Mobile die soziale Vernetzung der Bestandskunden im Internet beim Kundenmanagement. Dabei stand im Fokus, sogenannte «Tribe Leaders» zu identifizieren, deren Verhalten für andere zur Leitlinie werden konnte. Diese sollten gezielt besser gebunden werden. Mit der neuen Einschätzung des individuellen Kundenwertes erzielte T-Mobile eine Halbierung der Churn Rate.
Ein neues Geschäftsmodell schliesslich entwickelte die spanische Telefonica aus den Kommunikationsdaten ihrer Mobilfunkkunden. Nach der Trennung von Benutzer- und Bewegungsdaten liessen sich diese vielfältig auswerten. Telefonica liefert nun Daten zum Verhalten in städtischen Gebieten, welche genutzt werden, um optimale Lauflagen für Ladengeschäfte zu finden. Eine Reihe weiterer Kunden für diese Daten kommt aus den Bereichen Einzelhandel, Immobilien und Medien. Auch der US-Konzern Verizon hat mit «Precision Market Insights» einen ähnlichen Service lanciert.
Die DHL-Studie schildert auch gleich mehrere Einsatzbeispiele von Big-Data- Anwendungen im eigenen Unternehmen. Zum einen erfolgt eine Optimierung der Lieferrouten in Echtzeit. Jedes Fahrzeug fährt nach einem stetig angepassten Lieferplan, der die Geografie und den Empfängerstatus berücksichtigt. Dafür sind Optimierungsvorgänge nötig, die auf mehreren parallel eingehenden Echtzeitdatenströmen basieren. Ein weiterer Ansatz, die letzte Meile der Zustellung zu optimieren, ist im «Crowd based pick up and delivery» zu finden. Hier übernehmen Pendler, Taxifahrer oder Studenten auf einem täglich sowieso zurückgelegten Weg die Auslieferung von Waren gegen ein gewisses Entgelt. Wird dieses Modell genügend skaliert, lässt sich die Auslastung der eigenen Lieferflotte verringern. Auch wenn hier eine Vergütung an die Transporteure gezahlt werden muss, verringert das Modell nach Angaben von DHL vor allem in ländlichen oder wenig bevölkerten Gegenden die Lieferkosten. Die Lieferungen werden auf Basis von Echtzeitauswertungen des Aufenthaltsortes und Zielortes potenzieller Lieferanten zugeteilt; diese installieren dazu eine entsprechende App auf ihren Smartphones.

Informationen vernetzen und das Geschäft retten
Big Data leistet auch einen Beitrag zur vorausschauenden Netzwerk- und Kapazitätsplanung. Dabei werden sowohl teure Überkapazitäten verhindert wie auch der umgekehrte Fall, dass das Transportvolumen die verfügbaren Kapazitäten übersteigt. Die Zuverlässigkeit der Planung steigt ebenso wie der Detailgrad. So können Logistikdienstleister die Nachfrage und verfügbare Transportressourcen besser aufeinander abstimmen. Die Nachfrageplanung gelingt aber auch auf strategischem Niveau. Dann fliessen Nutzungsdaten von Transitpunkten und Transportrouten in die Berechnungen mit ein. Auch Jahreszeiten und Volumenschwankungen können durch lernende Algorithmen erfasst werden.
Wie Big Data auch bei der Kundenbindung unterstützend wirkt, macht ein Beispiel deutlich: Ein Logistikdienstleister registriert bei einem Kunden rückläufige Frachtvolumen, in den Medien berichtet dieser jedoch über Umsatzrekorde. Bei der Durchsicht der für diesen Kunden abgewickelten Lieferungen fallen regelmässige Zustellverzögerungen auf. Der Fall ist damit klar: Der Kunde muss aktiv angegangen werden, bevor er seine Geschäftsbeziehung ganz beendet.

Alexander Saheb

 

Big Data in Logistics
Die Studie kann unter www.dhl.com bezogen werden. Einfach im Suchfeld den Begriff «Big Data» eingeben, dem Link folgen und downloaden.
Die Studie ist nur in englischer Sprache verfügbar.

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