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Die Fabrik im Wohnzimmer

Pasta, Pistolen, oder doch nur Plastiklöffel? Mit 3D-Printern ist vieles möglich. Zwar ist noch völlig offen, ob das dreidimensionale Drucken einmal grosse Warenmengen für den Massenmarkt produzieren wird, doch Logistiker zittern schon heute um Transportvolumen.

Anwendungen für 3D-Drucker haben die verschlossenen Hinterzimmer der Industrie verlassen. Jüngst meldete eine niederländische Zeitung, dass der italienische Lebensmittelkonzern Barilla zusammen mit dem Forschungsinstitut TNO aus Eindhoven an einem Drucker für Pasta arbeitet. Die Geräte sollen in Restaurants stehen und dort fantasievolle Nudelkreationen auswerfen. Gäste könnten auf einem USBStick sogar die eigenen Formvorlagen mitbringen. Barilla würde sich dann auf die Lieferung von Pastateigpatronen beschränken.
Andere Druckmodelle sorgen für mehr Furore. «The Liberator» nannte ein Amerikaner seine selbst designte Plastikpistole aus dem Drucker. Sie konnte einzelne Kugeln vom Kaliber neun Millimeter verschiessen. Die Dateien für den Waffendruck waren sogar kurz im Internet verfügbar, dann schritt die US-Regierung ein, um die unkontrollierte Verbreitung der Waffe zu verhindern. «This file has been removed from public access at the request of the US Department of Defense Trade Controls. Until further notice, the United States government claims control of the information», heisst es nun bei Wikipedia. Mittlerweile hat aber die Firma Solid Concepts den weitverbreiteten Colt 1911 aus Metall nachgedruckt. Bis zu 50 Schüsse hält der Lauf aus.
Aus Titan wiederum ist die gedruckte Unterkieferprothese, die einer 83-jährigen Niederländerin implantiert wurde. Die Forschung beschäftigt sich auch mit der Herstellung von Organen, die aus Zellgewebe gedruckt werden sollen. Und der Robotik-Experte Enrico Dini arbeitet daran, sogar ein ganzes Haus aus gedruckten Teilen zu bauen.

Scheibchenweise Produktion
In einem 3D-Drucker werden die Werkstücke dreidimensional aufgebaut. Mit einer CAD-Software wird ein dreidimensionales Modell des Objekts erstellt. Dieses wird mit einem anderen Programm sozusagen in feinste Scheiben geschnitten. Der Drucker produziert in der Folge diese zweidimensionalen Flächen nach- und aufeinander. Auf technischer Ebene kommen mehrere unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Für flüssige Kunstharze werden die Stereolithografie und das Digital Light Processing genutzt, wobei mittels Laserstrahl oder UV-Licht die flüssige Polymermasse an den gewünschten Stellen verfestigt wird. Das selektive Laserschmelzen und -sintern kommt bei Metallen und Keramik zum Einsatz. Ein Laserstrahl folgt dabei in einer pudrigen Schicht des Werkstoffes der gewünschten Form und schmilzt sie zusammen. Danach wird die nächste Lage Puder aufgetragen. Das Fused Deposition Modeling verwendet man bei bei Kunststoffen und einigen Kunstharzen: Ein Strang des Werkstoffes wird durch eine geheizte Düse gepresst und in der richtigen Form aufgetragen. Beim Inkjet-Bioprinting werden menschliche Zellen und eine Stützsubstanz verwendet und ähnlich wie beim Tintenstrahldruck in Form gebracht. Anschliessend wird das Zellwachstum angeregt, bis man schliesslich die Stützmaterialien entfernen kann.
Fixfertig sind in 3D gedruckte Objekte selten. Oft ist noch eine Nachbearbeitung erforderlich, und auch beim Fused Deposition Modeling müssen Stützkonstruktionen entfernt werden, die dort die Herstellung von Überhängen erlauben. Im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsverfahren hat der 3D-Druck neben der Formfreiheit noch andere Vorteile. Gegenüber dem Spritzguss entfällt das Erstellen von Formen und der Wechsel derselben. Und es gibt keinen Materialverlust wie beim Schneiden, Drehen oder Bohren. Mittlerweile reichen die in den Druckern verwendeten Materialien von Beton über Papier und Kunststoff bis hin zu Metall und menschlichem Gewebe, berichtet die Website t3n.de.

Quelle: 360b/Shutterstock.comMcKinsey zählt 3D-Druck zu den disruptiven Technologien
Die Unternehmensberatung McKinsey machte in einer 2013 vorgelegten Studie «Disruptive technologies: Advances that will transform life, business, and the global economy» im 3D-Druck eine von zwölf disruptiven Technologien aus, die grossen Einfluss auf das zukünftige Wirtschaftsleben haben sollen. Derzeit werde das Verfahren vor allem für die Herstellung schwer zu fertigender Spezialteile mit niedrigen Stückzahlen genutzt. Boeing druckt beispielsweise 200 verschiedene Teile für zehn Flugzeugmodelle. 2011 wurden bereits mehr als eine Million gedruckte Hörmuscheln für Hörgeräte verkauft. Bei der Herstellung künstlicher Hüftgelenke kommt das Verfahren ebenso zum Einsatz wie in der Zahnmedizin. Bis 2025 könnte der 3DDruck ein Volumen von jährlich 230 bis 550 Milliarden US-Dollar erreichen. Zwischen fünf und zehn Prozent aller Konsumprodukte wie Spielzeug, Schmuck, Schuhe, Keramik und einfache Kleidungsstücke könnten damit erzeugt werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Fertigungsverfahren liessen sich zwischen 25 und 60 Prozent der Kosten sparen. Für die Verbraucher, welche die Waren selber drucken, dürften trotz höherer Rohmaterialkosten sogar Einsparungen zwischen 35 und 60 Prozent resultieren. Auch für komplexe Industrieteile, die sehr individuell angepasst werden können und nur in geringen Volumen produziert werden (zum Beispiel Zahnimplantate), soll ein grosser Markt entstehen. Zwischen 30 und 50 Prozent dieser Produkte könnten bis 2025 aus dem Drucker kommen und aufgrund wegfallender Werkzeugkosten und geringeren Materialverbrauchs auch noch um mehr als die Hälfte billiger werden.

Sorge um das Asiengeschäft bei Kühne+Nagel
Der Preis für einen durchschnittlichen Industriedrucker beträgt der Studie zufolge rund 75 000 US-Dollar, wobei manche Modelle mehr als eine Million Dollar kosten. Drucker für den Privatkunden jedoch sind bereits für rund 1000 US-Dollar und weniger verfügbar. Allerdings betrachten die Experten das Potenzial der 3D-Technik differenziert. Zwar bestehe ein disruptives Potenzial für die Art und Weise, wie Produkte entworfen, gebaut, verteilt und verkauft würden. Doch dürfte es noch Jahre dauern, bis dieses über eine begrenzte Anzahl von Waren hinaus spürbar werde.
Karl Gernandt, Verwaltungsratschef von Kühne+Nagel, macht sich schon heute Sorgen über die Auswirkungen dieser Technologie auf die Logistikbranche. Ende September 2013 sagte er gegenüber der Tageszeitung «Die Welt» in einem Interview: «Sollten sich 3D-Drucker so rasant weiterentwickeln wie in den vergangenen Jahren, werden meiner Meinung nach Massenartikel in Zukunft vor Ort aus dem Drucker und nicht mehr aus Fabriken in Asien kommen. Dann gäbe es für uns auf der heute wichtigsten Transportroute nach Fernost sicher weniger zu tun.» Da es Drucker heute schon für weniger als 1000 Euro gebe, sei deren Verbreitung absehbar.
Auch wenn der Endkunde vielleicht keinen Drucker daheim habe, dürften sie sich schon bald in Kiosken oder Geschäften finden. Dort könne man sich die gewünschten Waren dann ausdrucken lassen. Bei Brillengestellen funktioniere das heute schon. «Der Löffel aus Plastik, die Kugelschreiberhülle oder der Knopf für den Anzug, das sind einfache Waren, die heute schon aus dem 3D-Drucker kommen können. Meiner Meinung nach wird das die nächste Digitalisierungsrevolution », stellte Gernandt fest.

Alexander Saheb

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