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Logistik: Weltweite Trends

Nachhaltigkeit ist ein weltweiter Trend. Die Unternehmen haben erkannt, dass die Verarbeitung der Rohstoffe und die logistsiche Abwicklung entlang der Wertschöpfungskette zu Ressourcenknappheit und Klimawandel beitragen.Akuter Fachkräftemangel, zunehmender Wettbewerbsdruck und wachsende Kundenbedürfnisse: das sind die globalen Trends in Logistik und Supply Chain Management. Die Komplexität ist dabei die grösste Herausforderung. Die Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) hat dazu weltweit mehr als 1700 Führungskräfte befragt.

Trotz zunehmender Komplexität übernimmt die Logistik eine wichtige und nicht zu unterschätzende Rolle für die Volkswirtschaft. Zahlreiche Trends und Szenarien belegen, dass Logistik und Supply Chain Management vor grossen Herausforderungen stehen. In der Schweiz beschäftigt die Branche etwa 175 000 Menschen und erwirtschaftete im Jahr 2012 rund 38 Milliarden Franken. Die Logistikmarktstudie 2014 liefert einen guten Überblick, mit welchen möglichen Szenarien die Branche in Zukunft zu rechnen hat. Für drei Szenarien liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit laut den Experten über 50 Prozent: Fahreinschränkungen, Fachkräftemangel und gläserne Logistik.

Trends mit globalem Einfluss
Die aktuelle BVL-Studie «Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management» bestätigt das Schweizer Szenario: Das grösste Problem der Branche ist der weltweite Fachkräftemangel. Weiterhin kennzeichnen Marktvolatilität, Kostendruck und steigende Kundenerwartungen  die globale Logistiklandschaft. 85 Prozent der im Rahmen der BVL-Studie befragten Unternehmen nennen die Komplexität als grösste Herausforderung. Die globale Erhebung hat folgende Trends identifiziert:

  • Steigende Kundenerwartungen
  • Ausbau von Netzwerken
  • Zunehmender Kostendruck
  • Steigende Globalisierung
  • Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden
  • Zunahme der Marktvolatilität
  • Streben nach Nachhaltigkeit
  • Zunahme der Risiken
  • Verstärkter Einsatz moderner Technologien


Kundenerwartungen und der Wettlauf um Kooperationen
Logistik und Supply Chain Management haben in erster Linie die Aufgabe, Kundenwünsche zu erfüllen. Laut den Umfrageergebnissen sind steigende Kundenerwartungen der wichtigste Trend. 20 Prozent der Befragten geben sogar die Erfüllung von Kundenwünschen als oberstes Logistikziel an. Die Komplexität der Konsumentennachfrage zeigt sich auf vielfältige Art und Weise. So müssen Unternehmen eine wachsende Anzahl unterschiedlicher Produktvarianten, Verpackungsarten und Logistikoptionen bereitstellen, um den diversen Ansprüchen gerecht zu werden. Darüber hinaus bestehen in Handel und Industrie branchenspezifische Logistikanforderungen wie Sendungsverfolgung in Echtzeit oder reibungslose und zuverlässige Nachschubsteuerung.

Kunden wünschen nicht nur Service, Produktinnovation und Transparenz, sondern vor allem niedrige Kosten.Früher sahen sich Unternehmen als eigenständige Akteure im Markt und steuerten die direkten Schnittstellen mit Zulieferern und Kunden. Im stark vernetzten Wirtschaftsumfeld ist dies nicht mehr ausreichend. Die Unternehmen müssen erkennen, dass der Erfolg immer stärker von anderen Unternehmen im Netzwerk abhängig ist. Daher sehen sich viele gezwungen, mit Partnern in einem erweiterten Supply- Chain-Netzwerk zusammenzuarbeiten. Diese Partner erwarten von den Unternehmen Einbindung in ihre Prozesse und Systeme.

Unternehmen müssen lernen, dass sie am Markt nur bestehen können, wenn sie die Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Partnern besitzen. Das alte Modell, wonach unabhängige Parteien in einer Geschäftsbeziehung stehen, greift nicht mehr. Die Herstellung von Produkten und das Erbringen von Serviceleistungen dürfen nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern müssen im Sinne der Kundenerwartungen als Gesamtleistung verstanden werden. Unternehmen werden in Zukunft vermehrt Wege zur Kooperation suchen und nicht nur mit Kunden und Lieferanten zusammenarbeiten, sondern auch mit Wettbewerbern, so die Autoren der Studie.

Zum gleichen Schluss kommt auch die Studie «Delivering Tomorrow – Kundenerwartungen im Jahr 2020». Unternehmen können nur dann am Markt bestehen, wenn sie mit ihren Wettbewerbern ebenso wie mit Herstellern intensiv zusammenarbeiten, besonders wenn es um den Ausbau von Infrastruktur und die Einsparung von Ressourcen geht. Dabei stehen gleich mehrere Fragen im Vordergrund: Welche sinnvollen und gewinnbringenden Kooperationen mit Wettbewerbern und Herstellern können wir eingehen? Welche Bereiche sollen in eigener Verantwortung weiterbetrieben werden, und welche Bereiche können wir durch Kooperation outsourcen? Und ist die Kooperationsstrategie einmal in Gang gesetzt, kann es im Extremfall zu einem regelrechten Wettlauf um Kooperationen kommen.

Kostendruck
Kunden wünschen nicht nur Service, Produktinnovation und Transparenz, sondern vor allem niedrige Kosten. Obwohl in den Medien zunehmend die Rede von Nachhaltigkeit unter sozialen und umweltpolitischen Gesichtspunkten oder der Fähigkeit zur Risikominderung ist, scheint der Faktor «Kosten» ein entscheidendes Kriterium für die Kunden zu bleiben. Angesichts des Trends hin zu steigenden Kundenerwartungen wird die weitere Kostensenkung für die Branche zunehmend  schwieriger. Auch gesetzliche Preisregulierungen, Importe aus Billiglohnländern und der Onlinehandel kurbeln den Preisdruck weiter an.

Logistikkosten spielen eine wichtige Rolle bei der Senkung der Gesamtkosten. Mehr als ein Drittel der Befragten gaben an, dass ihre Logistikkosten im Jahr 2012 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind, ein weiteres Drittel verzeichnete ein stabiles Logistikkostenniveau. So beträgt der Anteil der Logistikkosten am Gesamtumsatz in der Elektronikindustrie gerade mal vier Prozent. In der Konsumgüter-, Chemieund Textilindustrie sowie im Energiesektor und bei Unternehmen im Bergbau und der Rohstoffindustrie liegt der Logistikkostenanteil bei acht Prozent. Im Handel sind es laut Studie neun Prozent, deutlich mehr als im Versandhandel. Die Studienergebnisse zeigen jedoch, dass die Logistikkosten steigen werden. Bedenklich ist die Tatsache, dass 14 Prozent der Befragten die Höhe ihrer Logistikkosten nicht einschätzen können.


Welthandel im Wandel
Die Globalisierung schreitet weiterhin voran. In diversen Branchen verfolgen Unternehmen eine globale Wachstumsstrategie, so die Studie. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Expansion in neue Regionen. Besonderes Interesse gilt dabei den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Sie stellen Unternehmen jedoch vor grosse Herausforderungen, haben sich doch die regulatorischen Rahmenbedingungen in Form von gesetzlichen Import- und Exportbestimmungen in den letzten Jahren verschärft.

Wie schwierig es ist, in den BRIC-Staaten Fuss zu fassen, umschreibt eine Führungskraft eines globalen Pharmaunternehmens wie folgt: «Es gibt da keine Schnäppchen mehr zu holen. Wenn man in China durch eine Akquisition einen Fuss in die Tür bekommen will, hätte man das vor drei oder vier Jahren machen müssen.» Auch die verstärkte Investitions- und Akquisitionstätigkeit chinesischer Unternehmen im westeuropäischen und US-amerikanischen Markt zeigt die veränderten Realitäten. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Globalisierung andere Trends deutlich verstärkt und zu vermehrter Komplexität führt.

 

Fachkräftemangel
An jeder Stelle der Wertschöpfungskette sorgen Menschen dafür, dass die Kette nicht unterbrochen wird. Sie koordinieren die Warenströme von der Produktion bis hin zu den Verkaufsregalen. Moderne Informatik- und Kommunikationsmittel gewährleisten, dass die zur Ware gehörenden Informationen jederzeit und überall verfügbar sind. Die Logistik ist für die Wirtschaft von höchster Bedeutung, und eigentlich sollte die zunehmende Vernetzung zu einem steigenden Stellenwert der Branche führen.

Aber die Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden bleibt eine grosse Herausforderung. Die Befragten sind sich einig: Der Mangel an gut ausgebildeten Logistikmitarbeitenden wird eines der grössten Probleme der kommenden  Jahre bilden. Das gilt sowohl für den operativen Bereich als auch für planerische und steuernde Funktionen. Fast 70 Prozent aller Befragten sind vom Fachkräftemangel betroffen.

Die Ursachen dafür sind unterschiedlicher Natur. In Westeuropa ist er vor allem auf die demografische Entwicklung und die fehlende Attraktivität des Berufsfeldes Logistik zurückzuführen. So interessieren sich Studierende und Hochschulabsolventen vor allem für die Bereiche Finanzen, Controlling und Marketing. Nordamerikanische Unternehmen klagen über die steigende Anzahl der ausscheidenden Führungskräfte, für die es keine qualifizierten Nachfolger gibt. Hinzu kommt die mangelnde Bereitschaft der Nachwuchskräfte zur Mobilität. In Indien, China und Brasilien ist das Fehlen von  Logistikfachkräften die grösste Herausforderung, weil dort das Fachgebiet Logistik im universitären Angebot noch nicht verankert ist.

Zwei Drittel der befragten Führungskräfte stufen den Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden als eingrenzenden Faktor ihrer logistischen Leistungsfähigkeit ein. Damit stellt dieser Bereich neben den steigenden Energieund Transportkosten den wichtigsten Einflussfaktor auf die Logistikleistung der Unternehmen dar. Laut der Studie ist vor allem das Angebot an qualifizierten Facharbeitern und Supply- Chain-Planern unzureichend. Die befragten Führungskräfte gehen von einer weiteren Verschärfung des Mangels an qualifizierten Logistikmitarbeitenden über alle betrachteten Funktionen und Unternehmensebenen  aus. Als geeignete Gegenmassnahmen werden hauptsächlich Schulungs- und Qualifizierungsprogramme sowie strategische Kooperationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen genannt.

Risiken und Nachhaltigkeit
Marktschwankungen bei Angebot und Nachfrage haben in den letzten Jahren zugenommen. Verschärft durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, haben sie aufgezeigt, wie Schwankungen in einem Teil der Erde zu Problemen in anderen Regionen führen können. Volatilität entsteht aufgrund der zunehmenden Globalisierung und der internationalen Arbeitsteilung, mit der auch die Komplexität der Prozesse und die damit verbundene Unsicherheit steigen. Ein weiterer Faktor ist auch die schlechtere konjunkturelle Lage in vielen Ländern der Welt. 50 Prozent der Befragten rechnen damit, dass die Marktvolatilität weiter zunehmen und in den nächsten Jahren einen wichtigen Trend ausmachen wird.

Eine weitere Tendenz sehen die Teilnehmer in der Zunahme der Supply- Chain-Risiken. Unabhängig von Grösse, Branche, Land und Stellung innerhalb der Supply Chain ist die Eindämmung interner und externer Risiken für die Mehrzahl der befragten Unternehmen  von wesentlicher Bedeutung. In diesem Zusammenhang werden notwendige Strategien zur Kontrolle von Nachfrage- und Planungsrisiken als wichtig erachtet. Laut der Umfrage ist der Mangel an Transparenz über Lieferquellen, Bestände und Nachfrage ein Hindernis bei der Umsetzung solcher Strategien.

Nachhaltigkeit hat sich zu einem weltweiten Trend entwickelt. Die Unternehmen haben erkannt, dass die Verarbeitung der Rohstoffe und die logistische Abwicklung entlang der Wertschöpfungskette zu Ressourcenknappheit und Klimawandel beitragen. Auch fordern zunehmend Handel und Konsumenten «grüne» und sozialverträgliche Produkte. Verstärkt Beachtung finden laut der Studie die sozialen Aspekte, insbesondere vor dem Hintergrund internationaler Beschaffungsmärkte und globaler Standorte. Über 55 Prozent der Befragten gaben an, umweltrelevante Ziele in ihre Logistikstrategien aufgenommen zu haben. Auch Fragestellungen zur Corporate Social Responsibility werden in den Strategien berücksichtigt.

Viele Unternehmen sind jedoch noch unsicher in Bezug auf die Anwendung der Strategien. Auch hier fehlt die ganzheitliche Umsetzung. Ein ähnliches Bild zeigen die Ergebnisse aus dem GS1 Report 2014 zum Thema Nachhaltigkeit. Das Problem scheint erkannt, Unternehmen und Konsumenten verstehen den Begriff gleich und sehen neben der ökologischen auch die soziale und ökonomische Komponente. Beide Umfragen kommen zum gleichen Schluss: Es gibt weder eine Übersicht über die Fortschritte noch eine Initiative, welche die Umsetzung fördert. Als weitere Hürden bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit führt die Studie das Fehlen internationaler Standards und die nur bedingte Zahlungsbereitschaft der Konsumenten auf. Erste Schritte sind gemacht, aber es bleibt noch viel zu tun.

Joachim Heldt

 

Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management
Die Studie besteht aus drei Hauptteilen. Der erste Teil beschreibt die Einflussfaktoren, die auf Logistik und Supply Chain Management wirken. Die Autoren, Prof. Robert Handfield, PhD, Prof. Dr.-Ing. Frank Straube, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Christian Pfohl und Dr. Andreas Wieland, erläutern die wichtigsten von global agierenden Führungskräften identifizierten Trends. Im zweiten Teil werden Strategien aufgeführt, die im Umgang mit den genannten Trends angewandt werden können. Interviews mit Umfrageteilnehmern veranschaulichen die Strategien in der Praxis. Teil drei erläutert Logistikthemen mit besonderer Bedeutung für die BRIC-Staaten. Die Studie ist im Verlag der DVV Media Group GmbH erschienen. Die deutsche Ausgabe kostet 119 Euro und kann unter www.dvz.de/shop bezogen werden. Die englische Ausgabe ist kostenlos unter www.bvl.de erhältlich.

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