gs1-neton-header-06.jpg

Letzter Aufruf für alle Essen

Was in den Flieger reinkommt, kommt auch wieder raus: Gate Gourmet übernimmt auch die Entsorgungslogistik.41 000 Essen verlassen jeden Tag die Räumlichkeiten von Gate Gourmet, bevor sie sich an Bord der Flugzeuge auf Reise begeben. Last-Minute-Bestellungen und Spezialanfertigungen stellen die Logistik vor grosse Herausforderungen. Am Zürcher Flughafen machte sich der Logistikleiterclub Schweiz (LCS) beim ersten Anlass des Jahres ein Bild.

Ein kleiner Ruck, ein leichtes Wackeln. Langsam steigt die Ladefläche des Spezialfahrzeugs nach oben. Wo sonst die Trolleys mit dem Essen ins Flugzeug befördert werden, können sich heute die LCS-Mitglieder von der Höhe überzeugen: zehn Meter, um genau zu sein. «Das ist die Höhe für das Beladen des Airbus A380», erklärt Kurt Betschart. Er ist seit über 25 Jahren für Gate Gourmet tätig und kennt das Geschäft aus dem FF.
Bei Gate Gourmet ist das LCS-Mitglied verantwortlich für den Bereich EHP, Equipment Handling Process, und versorgt die Gäste während des Rundgangs mit Hintergrundinformationen zur Logistik. «Das Beladen ist eine Herausforderung. Wird das Flugzeug dabei beschädigt, kann das sehr teuer werden», weiss Kurt Betschart. «Im schlimmsten Fall kann das Flugzeug nicht mehr starten – das hat weitreichende Konsequenzen. » Nur zehn der insgesamt 80 Chauffeure führen deshalb die Belademanöver am Airbus A380 aus.

Mehr als nur ein Sandwich
Gate Gourmet hat seine Wurzeln bei der Swissair und war 1992 der erste Betrieb, der ausgegliedert wurde. Die heutige Swiss International Air Lines ist übrigens noch der grösste Kunde. Insgesamt liefert Gate Gourmet jedes Jahr etwa 15 Millionen Mahlzeiten. «Wir haben vor allem von April bis Ende Oktober Hochsaison», erklärt Kurt Betschart. «Unser Rekord liegt bei 55 000 Essen am Tag.» Im Schnitt hat ein Langstreckenflug rund sechs Tonnen Verpflegung an Bord. Der Airbus A380 nimmt gar acht Tonnen mit auf die Reise.
Am Flughafen Zürich bestückt Gate Gourmet rund 220 Flüge am Tag; 28 davon sind Langstreckenflüge. Je nach Kunde werden die Menüs in der hauseigenen Küche kreiert. «Das kommt ganz auf die Fluggesellschaft an», sagt Markus Gfeller, Managing Director von Gate Gourmet für die Schweiz und die Niederlande. «Manche stellen uns ihre geheimen Rezepturen zur Verfügung, nach denen wir kochen sollen. Andere hingegen geben uns einen Preis pro Menü und Fluggast vor, und wir entwerfen ein Menü.»

 Am Zürcher Flughafen beliefert Gate Gourmet jeden Tag rund 220 Flugzeuge mit Essen und weiteren Artikeln, wie beispielsweise Zeitungen und Decken. Das Tempo ist hoch: Bis zu 25 Minuten vor Abflug können die Airlines noch Menüs bestellen.Logistik ist das Kerngeschäft
Doch die Verpflegung macht nur rund 40 Prozent des Geschäfts von Gate Gourmet aus. Denn Gate Gourmet bringt neben dem Essen noch eine ganze Reihe anderer Produkte in den Flieger: Zeitungen, Dutyfree-Artikel, Decken für die Passagiere, Apotheken, aber auch Einreise- oder Zollformulare. «Klar ist das Kochen ein wichtiges Element unserer Kundenleistung», meint Markus Gfeller, «aber unser Kerngeschäft ist die Logistik.» Und die ist – wie so oft – sehr schnelllebig. «Wir vergleichen es immer mit dem Boxenstopp in der Formel 1.» Bis zu 25 Minuten vor Abflug können noch Menüs bestellt werden. Flexibilität ist gefragt. Für die Nachbestellungen in letzter Minute gibt es deshalb einen speziellen Bereich, in dem die Ware bereitgestellt wird.
Die Beschaffung besorgt Gate Gourmet nur zu einem gewissen Anteil. «Zwei Drittel der Bestandseinheiten werden vom Kunden beigestellt», sagt Markus Gfeller. «Für uns ist das ein Vorteil, weil das weniger gebundenes Kapital bedeutet.» Gate Gourmet übernimmt vor allem den Einkauf für die eigenen Produkte: das Essen. Gate Gourmet füllt die Flugzeuge übrigens nicht nur, sondern leert sie auch. Manche Artikel, wie beispielsweise die Decken, werden wieder aufbereitet, andere wandern direkt in den Müll.
Entsorgungslogistik ist deshalb ein weiteres zentrales Thema. «Jeden Tag müssen wir rund 15 Tonnen Abfall bewältigen », sagt Markus Gfeller. So müssen neben dem Geschirr auch die Trolleys, welche die Flugbegleiter zum Verteilen des Essens und der Getränke nutzen, nach jedem Einsatz gewaschen werden.
Um die komplexen Abläufe so effizient wie möglich zu gestalten und gleichzeitig den hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, setzt Gate Gourmet seit 2008 auf Kaizen. Verbesserungen werden laufend umgesetzt. Viel Wert wird ausserdem auf die Visualisierung gelegt: So finden sich an den Arbeitsstationen genaue Beschreibungen der Menüs, die zuzubereiten sind, Fotos inklusive.

Sonderwünsche versus Standardisierung
Spezialanfertigungen sind ein fester Bestandteil des Airline-Caterings. Manche Fluggesellschaften ändern ihre Menükarte alle drei Monate, und die Nachfrage nach koscherer, halal oder für Allergiker geeigneter Verpflegung steigt. «Koschere Lebensmittel werden bei einem spezialisierten Lieferanten gekauft. Halal-Menüs bereiten wir in einer separaten Küche zu.» Hinzu kommen weitere Sonderwünsche. «So möchte eine Fluggesellschaft zum Beispiel, dass wir ihnen die Weinflaschen bereits entkorkt ins Flugzeug liefern», erzählt Kurt Betschart.
Nach dem Rundgang diskutierten die 40 Logistikleiter angeregt über die logistischen Herausforderungen von Gate Gourmet. Einig war man sich schnell, dass die hohe Vielfalt und Flexibilität nur ein gewisses Mass an Automatisierung und Standardisierung zulassen.
Beim anschliessenden Apéro mit bester Sicht auf den Sonnenuntergang über dem Zürcher Flughafen wurde die Diskussion fortgeführt. Die Getränke kamen trotz festem Boden unter den Füssen aus dem Trolley – stilecht.

Katharina Birk

Nach oben