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«Man will die neue Customer Journey verstehen»

Marco Fuhrer, Beratungsunternehmens Fuhrer & HotzUm das Internet und die Digitalisierung macht heute kein Retailer mehr einen Bogen. Doch die Einsicht kam wohl etwas spät, wie Marco Fuhrer feststellt. Der Mitinhaber des Zuger Beratungsunternehmens Fuhrer & Hotz weiss auch, wem die Verknüpfung von Online- und Offlineshopping schon heute gut gelingt.

GS1 network: Der Detailhandels- monitor zeichnet die Zukunft nicht gerade in Rosa; Internet und Discounter punkten. Warum lässt sich der Handel diese Marktanteile wegnehmen?
Marco Fuhrer: Viele Händler in der Schweiz haben zu spät erkannt, dass das Internet ein wichtiger, zusätzlicher Kontaktpunkt und Verkaufskanal ist und werden wird. Man hat sich zu lange fast ausschliesslich auf die stationären Verkaufspunkte fokussiert. Dies verbunden mit der gestiegenen Preis-sensibilität der Schweizer Konsumenten ist ein gefährlicher Mix für die lokalen Retailer.

Die Digitalisierung ergreift die FMCG-Branche. Sind die Detailhändler schon willig, ihre historisch gewachsenen Organisationsstrukturen aufzubrechen und neu aus Sicht des kaufenden Kunden zu denken?
Auch wenn die Food/Near-Food-Welt von den Folgen der Digitalisierung deutlich weniger stark betroffen ist, stellen wir doch fest, dass eine klare Mehrheit der Entscheidungsträger sich intensiv mit der Thematik auseinander-setzt. Man will die neue Customer Journey verstehen, daraus lernen und sich entsprechend am Markt aufstellen.

Was sind für Sie Paradebeispiele einer guten Verbindung von Online- und Offlineshopping?
Es gibt diverse gute Beispiele. Entscheidend ist jedoch, woher man kommt. War man ursprünglich ein Stationärhändler, der neu auch im Internet präsent ist (z. B. Ex Libris), oder war man ursprünglich ein sogenannter Pure Player (ohne eigene Läden und Geschäfte), der neu stationäre Verkaufs-punkte eröffnet (z. B. brack.ch mit Pop-up Stores)?

In der Detailhandels-Studie steht, dass Verbraucher möglichst alles un-ter einem Dach wünschen, der Conve-nience-Report dagegen zeichnet das Bild einer kleinflächigen, dezentralen Versorgungsstruktur mit flexiblem Angebot. Bleiben das Parallelwelten?
Während der ordentlichen Öffnungszeiten unterscheiden sich die Bedürfnisse der Kunden im grossflächigen gegenüber dem kleinflächigen Detailhandel in der Regel stark. Dieser Erkenntnis trägt man Rechnung und wird dies auch in Zukunft tun – allenfalls sogar noch in einer akzentuierten Form.

Convenience-Shops verlangen die flexible Verteilung eines vielfältigen Angebots. Wie gross sind die logistischen Herausforderungen?
Die logistischen Herausforderungen sind allein schon aufgrund der Flächen-verhältnisse sehr gross. Einerseits wer-den die Sortimente, gerade auch in der Frische, immer regionaler oder  gar lokaler, andererseits spielt das Wochenende inklusive Sonntag eine überdurchschnittlich wichtige Rolle. Gerade am Sonntag kann aber auch bei bester Planung je nach Wetter das eine oder andere gewünschte Produkt einmal ausverkauft sein, was für alle Beteiligten ärgerlich ist.

Freundliches Personal scheint im stationären Handel und Convenience- Bereich eine USP der Zukunft. Wurde der aktuelle Freundlichkeitslevel als ungenügend erkannt?
Nein, die Freundlichkeit des Personals bewegt sich heute schon auf einem hohen Level. Seit mehreren Jahren untersuchen wir beispielsweise im Conveniencehandel die Zufriedenheit der Kunden mit der Freundlichkeit des Personals. Und die Note bewegt sich stets um 5,5, was schulisch gesprochen gut bis sehr gut heisst.

Dringt dieser Servicegedanke bis in die Firmenzentralen, und dürfen  Kunden Ware künftig problemlos  retournieren oder umtauschen?
Wenn der Servicegedanke von der Zentrale nicht vorgelebt, sondern lediglich vorgegeben wird, dann wird er auch in den Filialen und Kontakt-punkten nicht spielen. Gerade in der heutigen Zeit, wo das Angebot immer vergleichbarer wird, muss man sich primär durch exzellente Dienstleistungen profilieren. Kulanz ist in diesem Zusammenhang, auch bezüglich Retouren und Umtausch, ein wichtiger Punkt – ohne dass dies jedoch missbraucht wird!

Die Fragen stellte Alexander Saheb.

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