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POS-Report 2016: Preiskampf und zeitknappe Käufer

Die Betrachtungen des POS-Reports 2016 illustrieren die angespannte Lage im schweizerischen Detailhandel. Die Konsumenten agieren ohne gemeinsamen Nenner, Rabattschlachten sind ineffizient. Vielleicht finden in Zukunft mehr App-geleitete Konsumenten an die weiterhin persönlich bedienten POS.

Am Schweizer POS wird das Umfeld härter. Die Zeiten stundenlangen «Lädelens» der Konsumenten sind vorbei, auch in grossen und attraktiven Shoppingcentern. Die Besucher kommen und kaufen gezielt in wenigen Shops ein. Die Händler leiden unter Rabattschlachten, und die Digitalisierung des Handels verläuft zu langsam. Das geht aus dem «Schweizerischen POS-Report 2016» hervor, den das Beratungsunternehmen Fuhrer & Hotz erstellt hat.

Ganz allgemein müssen die Schweizer Händler bei der Digitalisierung mehr Gas geben. «Hier besteht grosser Handlungsbedarf, was ein Blick über die Landesgrenzen hinaus eindrücklich beweist», heisst es. Die Schweiz könne bei der Digitalisierung des Einkaufsprozesses im europäischen, geschweige denn im interkontinentalen Vergleich nicht mithalten. Laut einer entsprechenden, von Fuhrer & Hotz mit der Ebeltoft Group durchgeführten Unter-suchung befindet sich das Land lediglich im hinteren Mittelfeld.

Jeder Konsument geht seinen Weg – und fast jeder einen anderen
Für den POS-Report wurde im Frühjahr 2016 sowohl die Sicht der Konsumenten als auch die von Fachexperten erfasst. Die Konsumentensicht ergab sich aus der Auswertung der anonymisierten Handy-Bewegungsdaten von über 60 000 Besuchern des Shoppi Tivoli Spreitenbach mit seinen mehr  als 150 Läden. Die wesentlichen Erkenntnisse:

  • Die über 60 000 Shopper haben mehr als 43 000 unterschiedliche Customer Journeys gewählt. Fast jeder geht seinen eigenen Weg – es gibt keinen grossen gemeinsamen Nenner. Dies macht Strategien in der Kommunikation, Nachbarschaften im Mietermix usw. anspruchsvoll.
  • Obwohl es im dreistöckigen Tivoli mehr als 150 Geschäfte gibt, gehen die Shopper sehr gezielt vor. Weni-ger als 10 Prozent besuchen alle drei Etagen. Weniger als 50 Prozent besuchen mit Tivoli Mall und Tivoli First wenigstens zwei Etagen.
  • Rund 60 Prozent der Shopper sind zwischen einer und drei Stunden vor Ort und suchen in dieser Zeit gerade mal ein bis vier Geschäfte auf. Die grosse Mehrheit davon kehrt noch in einem Gastrobetrieb ein. Etwas mehr als ein Drittel der Besucher bleibt jedoch nur höchstens eine Stunde im Einkaufszentrum.
  • Im Vordergrund steht für die Konsumenten nicht mehr die schiere Ladenvielfalt, sondern vielmehr ein Gesamterlebnis. Zu diesem gehören auch das Essen oder Trinken in einer ansprechenden Atmosphäre sowie die Möglichkeit, an einem etwas ruhigeren Ort zu verweilen, um Freunde und Bekannte zu treffen.

Experten bedauern verpuffende Rabatte und setzen auf soziale Medien
Für die Sicht der Fachexperten befragten Fuhrer & Hotz 164 Top-Entscheider – mehr als 50 Prozent davon Geschäftsleitungsmitglieder – aus Handel und Industrie zu ihren Zukunftserwartungen für den POS. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • In den vergangenen Jahren hat sich die Situation am POS weiter verschlechtert. Die Experten haben alle vorgegebenen Thesen in der Saldobetrachtung negativ bewertet. Gegen 25 Prozent der Händler und 14 Prozent der Hersteller haben sogar bei allen einzelnen Statements einen Negativtrend festgestellt. Auffallend schlecht wurden die für den anhaltenden Preiswettbewerb unter den Händlern eingesetzten Mittel beurteilt. Diese stammen aus Konditionenverbesserungen der Hersteller, doch sie «verpuffen» laut Einschätzung der Befragten.
  • Im B2B-Bereich erzielte der investierte Marketing-Franken nicht immer den gleichen Erfolg. Die Meinungen von Handel und Industrie gehen dazu teilweise deutlich auseinander. Immerhin scheinen sich Investitionen in Aktivitäten und Massnahmen zur Kundenansprache am POS als Ganzes etwas mehr zu lohnen.
  • In Bezug auf verschiedene Kooperationsfelder erkennen Händler und Hersteller eine positive Entwicklung. Vor allem Aktivitäten und Massnahmen im Bereich der Instore-Kommunikation/Markenführung und Verkaufsförderung am POS haben sich verbessert. Das ist auch in der Langfristbetrachtung seit 2006 festzustellen.
  • Was die Wirksamkeit von Werbemedien betrifft, haben die digitalen, webbasierten Medien stark an Bedeutung gewonnen, während klassische, analoge Medien an Terrain verlieren. Der Anteil der Experten, die soziale Netzwerke sehr wichtig finden, hat sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Smartphone- und Tablet-Apps gewinnen an Bedeutung, das TV verliert weiter an Boden.

In einem sind sich die Experten absolut einig: Der POS der Zukunft bleibt bedient. Gerade der persönliche, menschliche Kontakt mit dem Verkaufspersonal ist einer der grössten Vorteile, die der stationäre Handel gegenüber dem Onlinehandel noch hat. «Fragestellungen rund um das Personal werden demnach zukünftig ein (noch) grösseres Gewicht erhalten», heisst es im POS-Report.

Joachim Heldt

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