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Der Countdown läuft

Serialisierung: Der Countdown läuftIn etwas mehr als einem Jahr ist es so weit: Ab Februar 2019 dürfen in der EU und dem EWR rezeptpflichtige Medikamente nur noch mit Sicherheitsmerkmalen verkauft werden. So sollen Patientinnen und Patienten vor gefälschten Medikamenten geschützt werden. Die Pharmaindustrie muss handeln.

Gemäss der EU-Verordnung 2016/161 dürfen ab dem 9. Februar 2019 in Europa nur noch verschreibungspflichtige Medikamente auf den Markt gebracht werden, die mit einer zufällig generierten Seriennummer in einem Data- Matrix-Code gekennzeichnet sind. Somit ist jedes Medikament eindeutig identifizierbar. Zusätzlich schreibt die Gesetzgebung auch eine Vorrichtung gegen Manipulation vor, welche die Erstöffnung garantiert.
Damit aber noch nicht genug. Die EU- Richtlinie fordert ein End-to-end-Prüfsystem. Hersteller laden die Produktinformationen mit den Seriennummern in eine zentrale Datenbank der EU. Von dort werden sie in die jeweiligen nationalen Systeme geladen und stehen für die Prüfung der Arzneimittel zur Verfügung. Durch einfaches Scannen des Barcodes kann jeder Berechtigte in der Supply Chain die Echtheit überprüfen. Ziel ist es, am Ende der Kette den Patienten vor gefälschten  Arzneimitteln in der legalen Lieferkette in Zukunft noch besser zu schützen.

Und so funktioniert es
Jede Verpackung erhält beim Verlassen der Produktion eine individuelle Seriennummer. Zusammen mit der Global Trade Item Number  (GTIN), der Chargennummer und dem Haltbarkeitsdatum wird jedes Produkt zum Unikat. Die Seriennummer ist eine Folge von Zahlen und/oder Buchstaben, die zufällig erstellt wird. Ihre maximale Länge beträgt 20 Stellen. Laut der EU- Verordnung ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Seriennummer abgeleitet werden kann, geringer als 1:10 000.
Die einzelnen Seriennummern werden in einem DataMatrix-Code auf der Verpackung codiert, vom Hersteller zentral beim europäischen Hub hinterlegt und in den nationalen Datenbanken abgespeichert sowie aktiviert. Der Hersteller der pharmazeutischen Produkte muss sicherstellen, dass die Seriennummer für mindestens fünf Jahre oder bis zu einem Jahr nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums einmalig ist.

Der DataMatrix-Code kann danach jederzeit eingescannt werden. So kann auch der Grosshandel beim Wareneingang prüfen, ob die Packungen echt sind. Beim Verkauf in der Apotheke oder der Abgabe beim Leistungserbringer, beispielsweise im Spital, wird die Seriennummer der Packung in der Datenbank abgefragt. Der Abgleich mit den Datenbanken erfolgt innerhalb von maximal 300 Millisekunden, so die Vorgabe der EU-Kommission. Wurde die Nummer vom Hersteller nicht vergeben, zurückgerufen oder als gestohlen gemeldet, erfolgt eine Mitteilung, dass das Medikament möglicherweise gefälscht ist und nicht abgegeben wer- den darf.

SMVO für die Schweiz
Für die Schweiz baut der neu zu gründende Verein SMVO (Swiss Medicines Verification Organisation) das Swiss Medicines Verification System (SMVS) zur Echtheitsüberprüfung von Arzneimitteln auf und sorgt auch für die Anbindung an den europäischen Hub. Die Aufgabe von SMVO ist es, den Markt- teilnehmern ein technisches System für die Echtheitsüberprüfung von Medikamenten zur Verfügung zu stellen, das die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. In naher Zukunft sollen sich über das Swiss Medicines Verification System alle Akteure der pharmazeutischen Supply Chain anbinden können. Im Ge- gensatz zu Ländern der EU und des EWR beruht der Aufbau der SMVO respektive des SMVS auf Freiwilligkeit der Marktpartner.

Da der Arzneimittelmarkt in Europa länderübergreifend ist, muss das Schweizer SMVS mit den Systemen anderer Länder kommunizieren können. Die Europäische Kommission spricht hier von «Interoperabilität». Arzneimittel, die in anderen Ländern hergestellt wurden und in der Schweiz verkauft werden, müssen in der nationalen Datenbank registriert sein. Auch in der Schweiz hergestellte Arzneimittel, die ins Ausland exportiert werden, müssen in den einzelnen nationalen Datenbanksystemen abgerufen werden können.
Trotz aller hierzulande geltenden Freiwilligkeit sehen sich die schweizerischen Stakeholder auch in der Pflicht, für den EWR-Staat Fürstentum Liechtenstein eine Lösung zu bieten. Nicht zuletzt weil über 90 Prozent der dort eingesetzten Arzneimittel aus der Schweiz geliefert werden. Zudem muss unbedingt vermieden werden, dass die Schweiz als potenzieller Handelsplatz für Fälscher missbraucht wird.

EMVO für Europa
Um die Interoperabilität zu gewährleisten, betreibt die European Medicines Verification Organisation (EMVO) das European Medicines Verification System (EMVS), auch EU-Hub genannt. Dieser europäische Datenbankknoten übernimmt die Kommunikation zwischen den einzelnen nationalen Systemen. Für den Aufbau der nationalen Datenbanken hat die EMVO drei Unternehmen ausgewählt, die zertifizierte Lösungen (Blue Print System) anbieten, wobei aktuell nur noch die deutsche Arvato Systems GmbH und das britische Unternehmen Solidsoft Reply ihre Lösungen am Markt anbieten. Mitgliedstaaten, die kein eigenes Verifizierungssystem entwickeln möchten, können eines dieser beiden Unternehmen wählen.

Getragen wird die EMVO von den europäischen Verbänden der Hersteller von Pharmaprodukten, der Grosshändler, Apotheker, Spitalvereinigungen und Krankenhausapotheken. Dazu gehören:
•    European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA)
•    European Generic and Biosimilar Medicines Association (EGA)
•    Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU)
•    European Association of Pharmaceutical Full-line Wholesalers (GIRP)
•    European Association of Euro-Pharmaceutical Companies (EAEPC)
•    European Hospital and Healthcare Federation (HOPE)
•    European Association of Hospital Pharmacists (EAHP)
In Anlehnung an die EMVO sollen für die Schweiz möglichst alle entsprechenden Organisationen Mitglied der noch zu gründenden SMVO werden. Mit der Mitgliedschaft sichern sich die einzelnen Verbände ein Mitspracherecht bei der Ausgestaltung und Umsetzung der für die Medikamenten- verifikation in der Schweiz geltenden Prozesse. Als Beirat sollen das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic sowie das Liechtensteinische Amt für Gesundheit miteinbezogen werden.

Keine leichte Aufgabe
Die EU-Richtlinie ist in der Umsetzung komplex, erfordert sie doch in allen Unternehmensbereichen neue Prozesse, angefangen beim Aufbringen der Sicherheitsmerkmale über die Qualitätskontrolle bis hin zur Chargenfreigabe. Auch das Serialisierungsmanagement ist komplex. Bei unterschiedlichen Produktionsstandorten oder gar Drittlieferanten muss die Seriennummer standort- und firmenübergreifend fehlerfrei kommuniziert werden. Und wie sieht es mit dem Abgleich der zur Verfügung gestellten und tatsächlich aufgedruckten Seriennummern aus? Was passiert mit den Seriennummern, die nicht verwendet wurden?

Mit den Sicherheitsmerkmalen wird es deutlich einfacher werden, Fälschungen zu erkennen und rechtzeitig aus der Lieferkette zu entfernen oder sie gar am Eintritt zu hindern. Die grösste Herausforderung ist jedoch die fehlerfreie und rechtzeitige Bereitstellung aller Daten für die Echtheitsüberprüfung. Stehen diese Daten bei der Abgabe nicht zur Verfügung, dürfen die Packungen nach dem 9. Februar 2019 nicht mehr abgegeben werden.

Joachim Heldt
 

Weitere Informationen
SMVO
Swiss Medicines Verification Organisation
c/o Stiftung Refdata Baarerstrasse 2
CH-6300 Zug
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www.smvo.ch

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