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«Das GS1 System wird das Rail-Esperanto …»

Mechaniker im BahnwerkIm Interview vergleicht Dominik Halbeisen, Projektleiter SCM bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), das GS1 System mit einer international leicht verständlichen Sprache mit normativen Regeln. Das Rail-Esperanto werde sich dank seiner Vorzüge auch in der Eisenbahnwelt durchsetzen.

GS1 network: In einem Referat vor GS1 Experten sagten Sie: «We are stretching the boundaries of the GS1 system as we know it today.» Was ist damit gemeint?
Dominik Halbeisen: Historisch ist das GS1 System in der Lebensmittelindustrie und im Handel verankert und somit in Geschäftsprozessen von Verbrauchsgütern. Diese Güter sind eben dadurch charakterisiert, dass sie schnell untergehen, sprich verbraucht werden, und ausserdem immer wieder durch andere, neue Güter ersetzt werden. Die Eisenbahnindustrie ist hier völlig anders, da einmal beschaffte Komponenten bis zu 60 Jahre im Einsatz sind. Das heisst: Einmal aufgebrachte Kennzeichnungen und Systeme müssen über Jahrzehnte hinweg nutzbar und verständlich sein. So gesehen tritt das GS1 System in eine völlig neue Umwelt ein.

Gewisse Anforderungen an Objekte teilt die Eisenbahnbranche mit der Konsumgüterbranche. Ich denke an die Rückverfolgbarkeit.
Richtig. Zur Verdeutlichung verwende ich manchmal eine Analogie zum Gesundheitswesen. Für jedes Bauteil muss in der Werkstatt eine Krankenakte vorliegen oder abrufbar sein. Jedes Objekt hat eine Anamnese, eine Krankheitsgeschichte, bevor wir mithilfe der Diagnose den aktuellen Zustand richtig beschreiben und schliesslich die Therapie, also die richtigen Massnahmen, verordnen. Und dieses Wissen zur Krankheitsgeschichte wollen wir auch allen Partnern in der Supply Chain zur Verfügung stellen.

Die 2012 publizierte Richtlinie «RFID in Rail» etablierte erstmals eine enge Zusammenarbeit zwischen den Bahnen im Bereich Tracking und Datenaustausch auf europäischer Ebene, und zwar auf Basis des GS1 Systems. Welche Erwartungen waren damit verbunden?
Europäische Bahnexperten waren auf der Suche nach einer «globalen Sprache mit logischer grammatikalischer Struktur». Man liess sich von der Logik und Systematik von GS1 überzeugen; die GS1 Standards haben überdies den Vorteil, dass sie weltweit eingesetzt werden. Die Eisenbahnindustrie hatte zuerst die Absicht, mithilfe des GS1 Systems die Fahrzeuge zu kennzeichnen und zu identifizieren, um diese im europäischen Verkehr verfolgen zu können und die Eigentümer oder Betreiber von Lokomotiven und Waggons über Probleme auf dem Laufenden zu halten. Hierzu eigneten sich die RFIDFunkchips als Datenträger ideal. Die 2012 publizierte Richtlinie hiess deswegen «RFID in Rail». Doch die international eindeutige Kennzeichnung von Fahrzeugen war nur der erste Schritt. Bald brauchte es Lösungen für anschliessende Fragen: Welches Bauteil ist kaputt? Wieso ist es kaputt? Wann wurde das Bauteil eingebaut? usw.

Beschreiben Sie die Zukunft von ID in Rail.
Hier gibt es eine Parallele zur zwischenmenschlichen Kommunikation. Im kleinen Kreis spricht man weiterhin okale Sprachen und Dialekte. Sobald jedoch grössere, sogar globale Kommunikationsprozesse zu beherrschen sind, kommt das Englische zum Einsatz. Genau dieselbe Rolle erfüllt das GS1 System in Zukunft für die Eisenbahnindustrie. Zur Identifikation und für den Datenaustausch zu Objekten im Eisenbahnbereich wird das nach normativen Regeln funktionierende Rail-English oder Rail-Esperanto verwendet. Betriebsinterne Nummerierungssysteme existieren dabei parallel in einem lokalen Umfeld weiter.

Die Fragen stellte Manuel Fischer.

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