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Abwarten ist angesagt

Gut ein Drittel der Schweizer Unternehmen setzt «smarte» Massnahmen im Vertrieb, im Einkauf und in der Logistik ein.Immer mehr Schweizer Firmen befassen sich mit Industrie 4.0, auch wenn die meisten noch Beobachter sind. Zwei Studien von Staufen Inova und CSC untersuchen die einschlägigen Aktivitäten und identifizieren die Haupttreiber der Entwicklung.

Schweizer Unternehmen haben zunehmend Interesse am Thema Industrie 4.0. Der von der Staufen Inova AG ermittelte «Schweizer Industrie 4.0 Index » erreicht im Jahr 2016 den Stand von 29 Punkten. Für 2015 hatte die Beratungsfirma noch ein Niveau von 21 Punkten ermittelt. Der Index wird auf einer Skala von 0 (keinerlei Beschäftigung mit dem Thema Industrie 4.0) bis 100 (umfassende Umsetzung von Industrie 4.0) angegeben. Grundlage für die aktuelle Publikation war eine Umfrage unter 100 Schweizer Industrie unternehmen, von denen etwa 70 Prozent dem Maschinen- und Metallbau sowie der Elektroindustrie zuzurechnen sind. Die meisten Firmen – rund 41 Prozent – befinden sich jedoch noch im Stadium der Marktbeobachtung und Analyse. Erst bei jeder zehnten Firma sind entsprechende Projekte in der Planungs- oder Testphase. Rund um die Smart Factory haben Schweizer Firmen gegenüber den deutschen markant aufgeholt. Das betrifft vor allem die operativen Erfahrungen mit Einzelprojekten. «Nun ist es Zeit, die Geschwindigkeit der Umsetzung zu erhöhen und dabei auch neue Wege abseits der reinen Produktion zu gehen», befanden Urs Hirt und Jürg Hodel, Geschäftsführer von Staufen Inova, anlässlich der Vorstellung des Index.

Logistik ist ein Schweizer Stiefkind
Die meisten Massnahmen ergreifen Unternehmen in der Produktion (88 Prozent). Jeweils ein gutes Drittel der Unternehmen setzt «smarte» Massnahmen im Vertrieb, im Einkauf und in der Logistik ein. Der tiefe Wert bei Logistik und Lagerhaltung überrascht. Während nur 31 Prozent der Schweizer Firmen dort ansetzen, sind es in Deutschland 58 Prozent. Urs Hirt begründet das mit dem starken Franken und dem momentanen Zinsniveau: Da hätten die Firmen kaum Anreize, das gebundene Kapital zu reduzieren. «Der Fokus liegt deshalb viel mehr auf Einsparungen in der Produktion und im Einkauf sowie der Steigerung der Vertriebsleistung », stellt er fest.

Viele Träume sind schon zerplatzt
Der aktuelle Index zeigt auch, dass viele der mit Industrie 4.0 assoziierten wirtschaftlichen Erwartungen sich nicht erfüllt haben. Vergangenes Jahr waren noch acht von zehn Unternehmen überzeugt, mit der Smart Factory wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Mittlerweile sind es noch 67 Prozent. Der Rückgang wird mit dem grösseren Erfahrungshorizont erklärt: Die echten Hürden des industriellen Wandels zeigen sich im Alltagsbetrieb. Auch die Erwartungen an die Geschwindigkeit des Wandels sind jetzt tiefer, ganz gleich ob es um Geschäftsmodelle, Personalstruktur oder Produktpalette geht.

Führungskräften und Mitarbeitenden fehlen Kompetenzen
Die grösste Hürde auf dem Weg zu einer smarten Wirtschaftswelt ist jedoch nicht die Technologie. Vor allem bei Führungskräften fehlt das nötige Wissen. Die Befragten in der Schweiz trauen ihrem Management zwar mehr zu als die deutschen Nachbarn, dennoch sehen 59 Prozent vorhandene Defizite. «Erst wenn die Führungskräfte den Wandel bewältigt haben und vom Verwalter von Beständen und Mitarbeitenden zu Managern werden, die Innovationsbereitschaft vorleben und Begeisterung für den Wandel entfachen wird die Industrie 4.0 Unternehmen erfolgreich verändern», konstatiert die Studie. Weitere Bremser auf dem Weg zu Industrie 4.0 sind für Industrieunternehmen zudem lange Amortisierungszeiten und/oder hohe Kosten. Fehlende Normen oder Technologien sowie eine unzureichende Netz-Infrastruktur rücken in den Hintergrund.

Wenig Angst vor neuer Konkurrenz
Die allermeisten Befragten machen sich keine Sorgen, dass binnen zwei oder fünf Jahren für ihre Firma relevante neue Wettbewerber auf den Plan treten könnten. Binnen zwei Jahren erwarten das nicht einmal zehn Prozent und gerade ein Viertel glaubt, dass dies innerhalb von fünf Jahren geschehen könnte. Innerhalb von rund zehn Jahren hält es dann ein Drittel der Befragten für möglich. Somit wissen die Firmen um das Risiko, welches Industrie 4.0 für sie darstellen könnte. Doch die meisten unterschätzen der Studie zufolge die Geschwindigkeit disruptiver Veränderungen. Im Durchschnitt vergehen zwei Jahre, bis eine Firma einen Wettbewerber wahrnimmt. Doch Uber oder AirBnB haben es geschafft, den Markt in zwei Jahren radikal zu verändern.

Breite Umfrage in der D-A-CH-Region
Mit der Wahrnehmung von Industrie 4.0 in Deutschland, Österreich und der Schweiz befasst sich auch die Studie «Industrie 4.0 – Wohin geht die Reise im deutschsprachigen Wirtschaftsraum? », welche die IT-Beratung CSC erstellt hat. Dazu liess sie Ende 2014 die Meinung von 900 Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden aus den drei Staaten abfragen. In allen Ländern wird Industrie 4.0 für Wirtschaft und Industrie als «eher wichtig» eingestuft. In Deutschland sieht man sie für die eigene Firma als wichtiger an als in der Schweiz oder Österreich. Nur in Deutschland denkt auch knapp über die Hälfte der Befragten, dass das eigene Land gut auf Industrie 4.0 vorbereitet ist. In allen drei Ländern jedoch teilt man die Einschätzung, dass nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Alexander Saheb

Zentrale Treiber für die künftige Entwicklung

Everything as a Service
Unternehmen und Endverbraucher wenden sich zunehmend von der traditionellen Mentalität des «Selbstbesitzens» ab. Im Kleinen spiegelt die Popularität von «As-a-Service»-Leistungen den Trend zur Selbstenteignung.

Servicetransformation
Die Hersteller von Computerdruckern sind das grosse Vorbild: Der Drucker kostet kaum etwas, doch die Tinte dafür bis zu 4000 Euro pro Liter. Das Geld wird im Aftermarket verdient.

Individualisierung
3D-Drucker erlauben die Individualisierung. Wenn die Frontschürze eines Autos sowieso geplottert wird, dann kann sie auch ein individuelles Design erhalten. Auch Frühstückszerealien gibt es in individuell konfigurierten Mischungen.

Hypercompetition
Hersteller müssen mehr Flexibilität ins Produktportfolio bringen. Big-Data-Auswertungen liefern Ideen für neue Produktfeatures oder Produkte. Dank Cloudgetriebener Möglichkeiten wie Crowdfunding lassen sich diese rasch umsetzen.

Digitalisierung
Das neue Internetprotokoll IPv6 erlaubt die Vernetzung von 340 Sextillionen Geräten. AIDA (Attention – Interest – Desire – Action) verliert seine Bedeutung. DAAI heisst die neue Formel: Der Verbraucher hat ein Desire; der Hersteller, der diesem zuerst Attention schenkt und Action anbietet, gewinnt das Interesse der Kundschaft.

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