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Auf dem Weg zur digitalisierten Industrie

Machine-to-Machine Echtzeit Kommunikation ermöglicht bessere Dienstleistungen.Dank digitaler Vernetzung innerhalb bestehender Wertschöpfungsketten soll die Industrie am teuren Standort Schweiz ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig weiterentwickeln. Diesem Ziel sieht sich die Initiative «Industrie 2025» verpflichtet.

Fahrerlose Autos, formschöne Schalen aus dem 3D-Drucker und tanzende Roboter: Das sind die Zutaten von Bestsellern aus den USA, welche eine weitere Beschleunigung des Fortschrittstempos prophezeien. Und man erinnert sich an die Aussage einer Studie der Universität Oxford, wonach die Hälfte aller existierenden Jobs innerhalb von zwanzig Jahren infolge der Digitalisierung und Roboterisierung verschwinden wird.

Daten intelligent nutzen
Im Hinblick auf hohe Stück- und Lohnkosten, einen härter werdenden globalen Wettbewerb oder – hierzulande – ungünstige Währungsbedingungen sei modernste Digitaltechnologie als Chance zu nutzen. In der vierten industriellen Revolution würden Menschen, Produkte, Systeme und Unternehmen auf der Basis der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) intelligent miteinander vernetzt. Die vier Branchenverbände asut, Electrosuisse, Swissmem und SwissT.net sehen die Notwendigkeit, in diesem Zukunftsfeld gemeinsam und koordiniert vorzugehen, und haben die Initiative «Industrie 2025» gegründet. Im Visier dieser Initiative sind zwei betriebswirtschaftlich motivierte Hauptziele: Optimierung bestehender Prozesse und Innovation. Es soll Mehrwert für die Kunden von morgen geschaffen, mehr Produktoptionen sollen angeboten werden; die flexible Produktion kann schneller liefern und kleine Losgrössen können wirtschaftlich gefertigt werden. Philip Hauri, Geschäftsführer a.i. von «Industrie 2025», sieht die Schweiz gut gerüstet für die nächste industrielle Revolution: «Wir haben mit einer gut ausgebauten ICT-Infrastruktur, schlanken Prozessen, einem hohen Automatisierungsgrad und gut ausgebildeten Mitarbeitenden schon einen wichtigen Grundstein gelegt.» Digitalisierung und Vernetzung eröffnen neue Möglichkeiten, um bisher wenig beachtete Abhängigkeiten und Zusammenhänge innerhalb bestehender Wertschöpfungsketten aufzuspüren und diese kommerziell nutzbar zu machen. Für Philip Hauri ist Industrie 4.0 erst einmal ein Konzept, ein Denkmodell: «Jede Firma muss ihren Business- Case erarbeiten. Daten sind dabei das neue Rohmaterial. Wenn man als Unternehmen einmal deren Wert entdeckt, ergeben sich unzählige Möglichkeiten.» Für Christian Grasser, Geschäftsführer von asut, dem Schweizerischen Verband der Telekommunikation, knüpft Industrie 4.0 an bestehende Bestrebungen an: «Wir fangen ja nicht bei Null an, Computer und automatisierte Steuerungen in der Industrie gibt es schon länger. Neu ist, dass dank der Vernetzung die Digitalisierung betriebsübergreifend gedacht wird.» Intelligentere Wartungs- und Nachschublösungen dank der Vernetzung und Echtzeitkommunikation zwischen Sensoren und Empfangsgeräten (Machine- to-Machine, M2M) ermöglichen neue oder bessere Dienstleistungen. Solche werden schon heute praktiziert oder sind in der Entwicklungspipeline zahlreicher Unternehmen. Hierzu gibt es einleuchtende Beispiele: • Der Schindler-Konzern treibt die digitale Vernetzung seiner in der ganzen Welt installierten Aufzüge voran. Damit wird flexible Maintenance möglich, die Wartung der Aufzüge der jüngsten Generation wird so exakt vorhersehbar. • Eine Kooperation der Brauerei Feldschlösschen, von Swisscom und der Firma Keller AG für Druckmess technik setzt auf intelligente Drucksensorik, Mobilfunknetz und Internet, damit leer werdende Biertanks rechtzeitig und automatisch Nachschub aus lösen. • Durch eine kombinierte Auswertung bestehender ERP- und CAD-Daten eines metallverarbeitenden Unternehmens in der Blechfertigung ist die Entwicklungsabteilung nun in der Lage, für ein beliebig konstru ier tes Blechteil eine treffsichere Kostenvorhersage zu berechnen – und das in Echtzeit.

Industrie 4.0 – auch eine Kulturfrage
Allerdings gibt es nach einer Umfrage von Swissmem bei vielen Unternehmen noch Wissenslücken um das Thema. «Entsprechend ist das volle Potenzial gar nicht fassbar und somit auch nicht auszuschöpfen», sagt Philip Hauri und ergänzt: «Das bestehende Wissen über das eigene Geschäft muss um die Komponente ‹Digital Intelligence› erweitert werden. Dazu gehört auch die Investition in die Ausbildung, und zwar nicht nur bezüglich Fachkompetenz, sondern auch in der Führungs- und Methodenkompetenz.» asut-Geschäftsführer Christian Grasser sieht es ähnlich: «Industrie 4.0 ist längst nicht nur ein Technologie-Thema, sondern es ist eine Frage der Unternehmenskultur. » Digitale Geschäftsmodelle beginnen mit einem Change-Prozess und dieser sei nicht zu bewältigen ohne das Engagement und das kooperative Handeln der Mitarbeitenden. Vom Bild der menschenleeren Fabrik hält Grasser nicht viel: «Industrie ist auch in Zukunft nicht ohne Menschen denkbar, die ihre Erfahrung ins Qualitätsprodukt einbringen. Die Anforderungen an die Fachkräfte und deren Aufgaben werden sich aber deutlich verändern.» Die Industrie-Realität von morgen erfordere in Zukunft eher noch mehr Fachkräfte, aber mit neuen Kompetenzprofilen. Oder anders gesagt: «Das Produzieren grosser Mengen an Daten allein nützt nichts. Ohne Wissen über die Kunden, die Produkte oder über die Branche sind diese nicht interpretierbar. »

Schutz des geistigen Eigentums
In vielen Unternehmen herrscht überdies grosse Skepsis betreffend der Datensicherheit. Namhafte Professoren warnen vor Industriespionage aufgrund einer öffentlich zugänglichen IT-Infrastruktur. Der zu leichte Zugang zu sensiblen Produktionsdaten hätte zur Folge, dass Unbefugte sich im Nu die Produktionsstrategie eines Unternehmens oder einer ganzen Branche aneignen könnten. asut-Geschäftsführer Christian Grasser relativiert: Maximale IT-Sicherheit bedeute nicht mehr, dass der Server im Keller des Unternehmens stehen müsse. Die benötigte IT-Infrastruktur kann auch bei einem Datacenter-Betreiber angelegt werden. Überdies verfügen viele Schweizer Datacenter über eine hohe Datensicherheit und unterliegen strengen Datenschutz-Bestimmungen.

Zuerst Netzwerk schaffen
Es gibt viele verschiedene Indus trie- 4.0-Akteure, wie beispielsweise Hochschulen, Lösungsanbieter, Anwender, Verbände, Ausbildungsstätten. Eine Mission der Initiative «Industrie 2025» ist es deshalb, innerhalb eines entstehenden Kompetenznetzwerks den Fachaustausch zu aktivieren und in tensivieren und dabei die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Zu diesem Zweck entwickelt und organisiert «Industrie 2025» Fachveranstaltungen, F&E–Konferenzen und Seminare zu Einzelthemen. Zudem betreibt sie mehrere Arbeitsgruppen zu den Themen «Normen und Standards», «Einstieg in Industrie 4.0», «CPS-basierte Automation », «Smart Data» und «Digitale Geschäftsmodelle ». Weitere Arbeitsgruppen werden folgen. ||

Manuel Fischer

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