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Supply Chain 4.0 garantiert Nachtsprung

Klimatechnikkonzern Walter Meier AG - automatisierte Intralogistik als Teil eines ganzheitlichen Logistikkonzepts.Der Klimatechnikkonzern Walter Meier AG eröffnete letztes Jahr sein neues Dienstleistungscenter. Als Teil eines ganzheitlichen Logistikkonzepts umfasst dieses nicht nur eine stark automatisierte Intralogistik, sondern auch die Anpassung der Arbeitsmethodik und der vor- und nachgelagerten Prozesse.

Schon von ferne glitzert in mattem Silberblau in der Industriezone Nebikon ein quaderförmiges Gebäude, das durch seine kolossalen Dimensionen auffällt. Seine allseitig metallene Streifenfassade und der blaue Schriftzug zeugen von einer zurückhaltenden Eleganz. Das ultramoderne Verteilund Dienstleistungszentrum (DLC) ist seit Sommer letzten Jahres die logistische Schaltzentrale des Unternehmens Walter Meier (WM), einem bedeutenden Hersteller und Grosshandelspartner der Heizungs-, Lüftungs- und Klimabranche in der Schweiz.

Der Neubau wurde notwendig, nachdem das Unternehmen mit der Übernahme früher eigenständiger Firmen ein historisch gewachsenes Bündel von sieben dezentralen Lagern erworben hatte. Diese wurden eine Zeitlang weiterhin genutzt, ohne dass Ausbauten möglich gewesen wären. «Die begrenzte Verfügbarkeit von Artikeln führte zu internen Verschiebungen, ineffizienten Abläufen und zu hohen Kosten. Die veralteten Logistikstrukturen mit zu vielen Standorten und zu wenig rascher Verfügbarkeit mussten von Grund auf erneuert werden», erläutert Beat Kohler, Leiter Logistik bei WM Klima Schweiz AG.

Vielerorts Anpassungsbedarf
Die Geschäftsleitung entschied sich infolgedessen für ein Zentrallager nach Minergie-Standard – eine schweizerische Premiere. Die Konzernleitung investierte nicht weniger als 50 Millionen Franken in dieses neue Verteilzentrum, um am neuen Standort ein ganzheitliches Logistikkonzept mit hohem Automatisierungsgrad zu verwirklichen.

Nicht nur der Bau dieser Logistikzentrale bot viele Herausforderungen, sondern auch die Neustrukturierung der logistischen Prozesse über die Unternehmensgrenzen hinaus. Dazu Beat Kohler: «In den vor- und nachgelagerten Prozessen musste ein Umdenken erfolgen. Ein manueller und regional basierter Prozess wurde in einen hochautomatisierten zentralen Prozess übergeführt.» Viele Anpassungen waren die Folge. Lieferanten hatten viel genauere Verpackungsvorschriften zu befolgen. So hat das Nicht-Einhalten einer definierten Palettenqualität oder eine über das Maximalmass hinausragende Stapelhöhe für die Lieferanten Sanktionen zur Folge.

Auch mentale Barrieren bei der Belegschaft galt es zu überwinden. «Das Prinzip der scheinbar ‹chaotischen Einlagerung› bedeutet für unsere langjährigen Mitarbeitenden eine grosse Umgewöhnung, speziell im manuellen Lagerbereich. Sehen sie einen aus ihrer Sicht einfacheren Weg, braucht es viel Disziplin, dass sie sich dennoch strikt an die Prozesse halten. Workarounds schleichen sich schnell ein, teils mit unabsehbaren Folgen», schildert Kohler. Viele verspürten offenbar den Drang, «da mal ein bisschen aufzuräumen». Damit war klar: Die durch einen Computer- Algorithmus vorgenommene zentrale Vergabe von Stellplätzen verlangte eine eingehende Schulung und Begleitung der Belegschaft in der Startphase.

Anspruchsvolle Kunden
Die Erwartungshaltung heutiger Kunden nach einer termingerechten, vollständigen und korrekten Lieferung kann langfristig über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheiden. Konkret heisst dies «heute bestellen, morgen wird ausgeliefert» – auch direkt auf die Baustelle, wo Installateure Heizungs- und Lüftungsanlagen einbauen. Ein weiteres Ziel war, dass der Kunde alle Waren seiner Bestellung in einer einzigen Lieferung erhält. Mit der Inbetriebnahme des DLC schuf das Unternehmen Walter Meier alle Voraussetzungen, um diesen Erwartungen gerecht zu werden. Als übliche Lieferfrist gilt deshalb der Nachtsprung für alle Artikel, von der Schraube bis zum Solarpanel.

Vollautomatisiert – fast immer
Beim Rundgang durch das Gebäude ist der Wille des Bauherrn spürbar, hier Arbeitsplätze anzubieten, die ergonomischen Kriterien entsprechen. Tageslicht strömt über einen Dachgarten in die obere Büroetage. Farbliche Akzente in Treppenhäusern und Hallen unterstützen die Orientierung. Durch eine vertikale Erschliessung gelangt man zur Kommandozentrale und einer Art Aussichtskanzel, die einen phänomenalen Blick in die weiträumige und hohe Versandhalle erlaubt.

Viel Software-Intelligenz steckt in den hochautomatisierten Sortieranlagen, die unablässig blaue Behälter für kleinteilige Ware ein- und auslagern. Man nimmt einen Augenschein im automatisierten Kleinteilelager (AKL) und staunt über die Geschwindigkeit, ja fast tänzerische Leichtigkeit, mit der die Regalbediengeräte (RGB) in den Gassen verschwinden, den Hubschlitten an der richtigen Stelle ausfahren und die vom Aufzug getragenen Behälter aus Kunststoff wieder sanft, aber geschwind aufs Ausgangsniveau zurückholen. Über Rollenbahnen und Rutschen gelangen die eingelagerten Artikel schliesslich in die Halle zur Auftragsabwicklung.

Ebenso reger Betrieb herrscht im Hochregallager. Ständig gelangen gut eingepackte Wärmepumpen, Speicher, Gas- oder Ölheizkessel, stabil auf Normpaletten gezurrt, systemgesteuert zu ihren temporären Verweilplätzen. Über vier Gassen können mittels automatisch arbeitender RGB pro Stunde bis zu 156 Paletten ein- und ausgelagert werden. Tritt dennoch eine Störung in der zentralen Steuerung auf, können die Lagermitarbeitenden bis zu einem gewissen Grad die RGB über einen Touch-Panel manuell steuern. Fällt auch diese Möglichkeit aus, kommt die Belegschaft nicht darum herum, die Störung in der Fördertechnik an Ort und Stelle zu beheben. Für solche Fälle dürfen nur Mitarbeitende ins Innere des Lagers, die einen Höhenrettungskurs absolviert haben.

Ware-zur-Person-Kommissionierung
Im manuellen Paletten-Hochregallager (mit Ware auf nicht standardisierten Paletten-Übergrössen) verkehren ausgebildete Gabelstaplerführer. Deren Fahrzeuge sind über eine Schnittstelle mit dem Lagerverwaltungssystem verbunden. Dank eines zwischen den Gabeln eingebauten Strichcode-Lesegeräts wird der auf einer Etikette aufgebrachte Strichcode automatisch abgelesen. Der modulare Aufbau dieses Teillagers gewährleistet, dass jeder einzelne Lagerplatz gescannt werden kann. In der grossen Halle werden schliesslich die Teilaufträge aus den diversen Lagerzonen zusammengeführt, die Ware je nach Grösse in andere Behälter gelegt und verpackt. An den Ware-zur-Person- Kommissionierarbeitsplätzen spurt das System jeden Arbeitsgang vor. Über einen Lichtstrahl (Put-by-light) wird den Mitarbeitenden aufgezeigt, welche Ware in welches Versandfach abzulegen ist. An Hubtischen, die per Fusstaster verstellbar sind, werden die schweren Artikel zum Versand vorbereitet. Mit Versanddokumenten versehen, wird schliesslich die Kompaktlieferung in die Transportzone (Rampen) weitergereicht.

Energieeffiziente Gebäudetechnik
Für den hinsichtlich Energieeffizienz und Einsatz erneuerbarer Energien affinen Bauherrn galt es, mit diesem Bau Massstäbe zu setzen. «Wir haben das Glück, dass wir hier einen mächtigen Grundwasserstrom haben, der auch in Trockenperioden nicht versiegt», erklärt Roman Ribary, Regionalverkaufsleiter und Gebäudetechniker bei WM, während des Besuchs der Haustechnikzentrale. Damit war in der Planungsphase entschieden, das reichlich vorhandene Grundwasser über eine Wärmepumpe für die Wärmegewinnung und die Raumkühlung zu nutzen.

Fördertechnik und energieeffiziente Gebäudetechnik gehen im neuen DLC eine geradezu symbiotische Beziehung ein. So wird ein grosser Teil der Abwärme aus den Druckluftstationen an die Wärmespeicheranlage im Untergeschoss abgegeben. Umgekehrt ist für Frostschutz der eingelagerten Ware gesorgt. Über Rohrheizkörper kann den Lagerbereichen HRL/AKL situativ Wärme zugeführt werden. Selbst das Gebäudeleitsystem hat alles im Überblick. Nicht nur die Funktionen Heizung, Freecooling und Lüftung, sondern auch die Alarmsignale aus Fördertechnik und Brandschutz werden über das System angezeigt.

Manuel Fischer

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