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Trends für die temperaturgeführte Lebensmittellogistik

Der Anteil des Online-Lebensmittelhandels am gesamten Schweizer Food-Markt beträgt rund 2 Prozent und wird weiter ansteigen. Mit verschiedenen Technologien will die Branche den Herausforderungen des E-Commerce begegnen und die temperaturgeführte Lebensmittellogistik verändern. Im Folgenden werden zentrale Technologieentwicklungen als Ausgangspunkt für innovative Konzepte in der temperaturgeführten Lebensmittel-Supply-Chain aufgezeigt.
Der Schweizer Querschnittsmarkt für temperaturgeführte Logistik wies im Jahr 2016 ein Volumen von rund 5 Milliarden Franken auf. Dies entspricht einem Rückgang von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und folgt der Entwicklung des Logistikgesamtmarktes. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass diese Zahlen nicht ohne Weiteres auf den Markt für temperaturgeführte Lebensmittellogistik übertragen werden können. Die Berechnungen schliessen neben Tiefkühl- (–18 °C bis 0°C) und Kühllogistik (0 °C bis 12 °C) auch verschiedene Stufen der Wärmelogistik (über 12 °C) mit ein. Tatsächlich sind die negativen Marktzahlen für die temperaturgeführte Logistik zu grossen Teilen auf Rückgänge bei der Beförderung von Rohöl (Wärmelogistik über 25 °C) zurückzuführen. Im Bereich der temperaturgeführten Lebensmittel hingegen ist – analog zum angrenzenden deutschen Markt – von einem Wachstum auszugehen.
 
Dieses Wachstum wird auch vom Online-Lebensmittelhandel getragen, dessen Umsätze sich in der Schweiz bereits auf rund eine Milliarde Franken belaufen. Mehr als 76 Prozent aller temperaturgeführten Transporte werden über die Strasse abgewickelt. Da Sendungen im Onlinehandel immer kleinteiliger werden und die Lieferungen vermehrt in Ballungsräume erfolgen, ist von einer weiteren Zunahme der temporären Verkehrsüberlastungen auszugehen. Die Folgen sind insbesondere in der temperaturgeführten Lebensmittellogistik fatal, da zur Frischegarantie und lückenlosen Einhaltung des vorgeschriebenen Temperaturbandes Retouren um jeden Preis vermieden werden müssen.
 
Verpackungen mit passiver Kühlung Technologische Entwicklungen können mittelfristig helfen, Herausforderungen entlang der Supply Chain von temperaturgeführten Lebensmitteln zu überwinden. Die nachfolgenden Beispiele werden von verschiedenen Schweizer Unternehmen im Rahmen von Pilotprojekten oder bereits Supply-Chain-weit in der Praxis eingesetzt.
 
Innovative Verpackungslösungen für die passive Kühlung von Lebensmitteln eröffnen neue Möglichkeiten in der Distribution von online gekauften Lebens- mitteln. Diese Verpackungen sind vor allem dann von Vorteil, wenn der Warenempfänger zum Zeitpunkt der Zustellung nicht zuhause ist. Das erforderliche Temperaturband kann auch ohne aktive Kühlung entlang der gesamten Kühlkette garantiert werden. In Abhängigkeit des Verpackungsherstellers ist dies für bis zu 48 Stunden möglich. Bereits heute verwendet rund ein Drittel der befragten Schweizer Unternehmen passive Kühllösungen im Lebensmitteltransport. Mittelfristig wird dieser Anteil noch deutlich zunehmen. Neue Lösungen werden immer leichter, wodurch die Zuladung steigt und die Transportkosten sinken.
 
Datenlogger
Für den Umschlag von temperaturgeführten Lebensmitteln werden Datenlogger aufgrund der Möglichkeiten zur Verknüpfung mit der Cloud-Technologie immer wichtiger. Diese prozessor- gesteuerten Speichereinheiten nehmen über eine Schnittstelle Daten auf und legen sie auf einem lokalen Speicher- medium ab. Sie unterstützen die vollständige Kontrolle der Kühlkette, indem die Temperaturen durchgängig gemessen, dokumentiert und kontrolliert werden.
 
Aufgrund hoher gesetzlicher Anforderungen an Qualität und Rückverfolgbarkeit kommt dieser Technologie in der temperaturgeführten Lebensmittellogistik eine wichtige Rolle zu. Darüber hinaus überzeugen Datenlogger durch einfache Installation und Handhabung sowie lange Batterieleistung und geringe Grösse. Die Verknüpfung mit der Cloud-Technologie vereinfacht den Datenzugang für die Akteure in der Supply Chain und kommt dem Wunsch nach erhöhter Transparenz in Lebens- mittel-Supply-Chains entgegen. Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Unternehmen nutzt im Umschlag bereits Datenlogger mit lokaler Speicherung. Gerade aufgrund deren möglicher Vernetzung in Clouds ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.
 
Zunehmende Automatisierung im Lager
Da bei der Lagerung von Kühl- und Tiefkühlprodukten temperaturbedingt widrige Arbeitsbedingungen herrschen, werden diverse Lösungen zur Erhöhung des Automatisierungsgrades erprobt. Ein Beispiel stellen automatisierte Lager- und Kommissioniersysteme dar, die dem Prinzip «Ware zu Mensch» folgen. Kleine Regaleinheiten werden dabei von fahrbaren Robotern aufgenommen und zum Kommissioniertisch der Lagermitarbeitenden transportiert.
 
Diese Technologie erreicht allerdings nur bei hoher Auslastung ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis, da sie eine Neukonzeption der vorhandenen Lagerinfrastruktur bedingen kann sowie hohe Wartungs- und Instandhaltungs- kosten anfallen. Erste Pilotprojekte für die Automatisierung des Kommissionierens selbst gestalten sich aufgrund der enorm hohen Prozesskomplexität schwierig.
 
Insgesamt wird deutlich, dass die technologischen Entwicklungen bei Transport, Umschlag und Lagerung von temperaturgeführten Lebensmitteln rasant voranschreiten. Schweizer Unternehmen sollten kritisch hinterfragen, mit welchen neuen Lösungen nachhaltiger Mehrwert erzielt werden kann. Ein solcher entsteht nicht nur durch effektivere und effizientere interne Prozessabläufe, sondern vor allem auch durch neue Angebote für den Kunden. Schliesslich gewinnt das Management von Daten entlang des physischen Warenstroms, die für digitale Value-added Services verwendet werden können, an Bedeutung. Diese technologiegestützte Erfüllung von Kundenbedürfnissen verspricht langfristig Erfolg.
 
Weiterführende Informationen zur temperaturgeführten Lebensmittellogistik finden Sie in der aktuellen Logistikmarktstudie Schweiz 2018.
 
Prof. Dr. Erik Hofmann
Mathias Mathauer
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