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Die Vielfalt der Ovo-Familie pflegen

Ein Besuch beim Ovo-Hersteller zeigt: Nicht nur unterschiedliche Rezepturen, auch Verpackungen je nach Exportmarkt, Auslobungswünsche von Grossverteilern sowie regulatorische Details führen zu einer grossen Zahl an Produktvarianten. Das Unternehmen Wander AG bewältigt diese mit einem integralen Stammdaten- Management und GS1 Instrumenten.
Angefangen hat alles in der Berner Altstadt. Der deutsche Apotheker Georg Wander suchte vor über 150 Jahren ein Mittel gegen Mangelernährung. Auf der Basis von Gerste entwickelte er einen löslichen Malzextrakt und schaffte den Durchbruch. Sein Sohn Albert verfeinerte das Pulver mit Ei, Milch und Kakao. So entstand auch der Name Ovomaltine: «ovum» ist die lateinische Bezeichnung für Ei und «malt» das englische Wort für Malz. 
 
Jung, vielfältig und gesund
1904 kam das Pulvergetränk auf den Schweizer Markt und wurde damals noch über den Gesundheitsfachhandel vertrieben. Erstaunlich, wie jugendlich eine über Hundertjährige daherkommt, denn inzwischen hat sie in der Schweiz nicht weniger als 31 Nachkommen. Die Ovo-Markenfamilie ist im Schweizer Detailhandel omnipräsent. Heute gehört die Marke der englischen Firma Associated British Foods. Hergestellt wird das Instantgetränk für die Schweiz und Europa weiterhin im bernischen Neuenegg.
 
«So unterschiedlich unsere Kunden und Datenplattformen sind: die Datenquelle muss immer dieselbe und absolut zuverlässig sein.»
Dawn King, EDI Business Analystin bei der Wander AG
 
Dabei hat sich die Herstellung der Ovo- Grundmasse nicht gross verändert: Das Gersten-Malz-Körnergemisch muss geschrotet und in einem Bottich gekocht werden. Danach wird dem Malzextrakt durch einen Vakuumverdampfer das Wasser entzogen. Der honigähnlichen Substanz werden unter anderem kondensierte Milch, fettarmer Kakao, Rapsöl und Kochsalz beigemischt. Auf horizontal angeordneten Bändern wird der Ovo-Dicksaft in einem der drei meterlangen Bandtrockner vakuumgetrocknet und danach fein gemahlen. Das kontinuierliche und schonende Trocknen ist die zentrale Verfahrenstechnik auch für alle anderen malzhaltigen Produkte wie Jemalt, Dawamalt, Ovo Choco usw., die im Werk Neuenegg der Wander AG hergestellt werden.
 
Erst danach beginnt die eigentliche Vielfalt: Überall topmoderne spezialisierte Abfüllanlagen und Verpackungsmaschinen, die je nach Zielmarkt und Darreichungsform zum Einsatz kommen. Das Nationalgetränk Ovomaltine kennt jedes Schweizer Kind in Form der 500-Gramm-Dose oder als Nachfüllbeutel. Nicht so im preissensiblen Deutschland: Das Ovo-Pulver wird dort in formschönen Kunststoffbehältern (Jars) abgefüllt, um der Premium-Anmutung zu genügen, oder in Nachfüllbeutel. 
 
Schliesslich haben auch die verschiedenen Frühstückskulturen in Europa zur Vielfalt der Ovo-Familie beigetragen. «Deutschland ist ein ausgeprägter Markt für Brotaufstriche», sagt Fredy Jaeggi, Leiter Absatz- und Produktionsplanung und Stammdatenkoordinator bei der Wander AG. Man orientiert sich bei der Verpackung an der Nuss- Nougat-Crème des italienischen Marktführers, weswegen die Ovo Crunchy Cream im Einwegglas mit Schraubdeckel abgepackt wird. 
 
Transparenz mit System
Um beim Paradebeispiel Ovo zu bleiben: Von blossem Auge ist die Vielfalt der Darreichungsformen und Produktvarianten noch überschaubar. Die Umsetzung der Lebensmittelinformationsverordnungen des Bundes (LIV) und der EU (LMIV) erhöht die zu beherrschende Komplexität der Produktevielfalt für die Hersteller und Markeneigner von Lebensmitteln zusätzlich. Hier sorgt das GS1 System für die verlangte Transparenz und ermöglicht Rückverfolgbarkeit. 
 
Ob nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben, ob Zutatenliste und Allergene: Der Gesetzgeber fordert die Vollständigkeit, Aktualität und Korrektheit solcher Angaben, unabhängig davon, ob die Konsumenten ein Produkt aus dem Regal holen oder dieses im Onlinehandel beziehen. Eine europaweite Harmonisierung des Lebensmittelrechts hat jedoch nicht notwendigerweise eine Vereinfachung der Kennzeichnung zur Folge. Das GS1 System hilft, hier Ordnung zu schaffen. Die Ovo-Rezepturen sind je nach Zielland verschieden. Es ist einleuchtend: Inhaltlich unterschiedliche Produkte sind nicht identisch und brauchen deshalb verschiedene Identifikationsnummern (GTIN).
 
Kleiner Unterschied, grosse Wirkung
Doch die Praxis ist noch weit komplexer: Die spezifischen Wünsche der Grossverteiler, ebenso die Marketingstrategien pro Zielland sowie die kleinen Abweichungen pro Land bei der Umsetzung der LMIV sind zu beachten. Dawn King, EDI Business Analystin bei der Wander AG, schildert vertrackte Details: «Die Rezeptur kann für zwei Zielmärkte absolut identisch sein. Doch die Deklarationsvorschriften weichen je Land in kleinen Details voneinander ab. Das hat zur Folge, dass wir unterschiedliche Datensätze für jedes Zielland publizieren müssen.» So sind beispielsweise in einem EU-Land nur die 14 Hauptallergene in codierter Form zu übermitteln, beispielsweise «Nüsse» oder «Gluten», ohne spezifischere Angaben. Anders in der Schweiz: Die Detailhändler wünschen genaue Angaben wie «Haselnüsse» oder «Mandeln». 
 
Die einen Grossverteiler bestehen auf gesundheitsbezogenen Angaben auf ihren Verpackungen, andere nicht. Auch Zertifikate spezifischer Labels und Produktionsstandards sind je nach Wunsch des Handelspartners als Information zum gelisteten Produkt mitzuliefern. Die Vielfalt an Produkt- und Handelseinheiten (auch für zeitlich begrenzte Promotionen, z. B. ein Zweierpack für ein Display, Kartons für diese Zweierpacks usw.) führt dazu, dass das Unternehmen gut tausend GTIN-Identifikationsnummern für all seine Markenprodukte verwalten muss. 
 
Pflege der Produktstammdaten
Der Wunschzettel zeigt es: Die Liste der Produkteigenschaften pro GTIN wird à la longue nicht kürzer, sondern länger. Die Firma Wander verwendet, wie viele andere Lebensmittelhersteller auch, grosse Sorgfalt darauf, ihre Produktstammdaten gut zu pflegen. Das Unternehmen hat inzwischen den strategischen Nutzen eines effizienten Stammdaten-Managements erkannt. Hierzu werden personelle wie auch informationstechnologische Ressourcen bereitgestellt. Dazu Stammdatenkoordinator Fredy Jaeggi: «Bis vor Kurzem verfügten wir über kein System, das Stammdaten zusammengeführt darstellen konnte.» Jede Abteilung verwaltete und erzeugte Produktstammdaten und speicherte diese in unterschiedlichen Datenformaten. 
 
«Das Zusammenführen aller relevanten Stammdaten auf eine Datenbank soll Zeitersparnisse bringen, die Übersichtlichkeit erhöhen und mögliche Fehlerquellen reduzieren.»
Fredy Jaeggi, Leiter Absatz- und Produktionsplanung und Stammdatenkoordinator bei der Wander AG
 
Wander bildete unlängst ein Kompetenzcenter- Team, das über die Qualität und Vollständigkeit der Produktstammdaten wacht. Stammdaten aus dem Logistikbereich (Palettierung, Massangaben von Produkten usw.), aus Qualitätsmanagement/Lebensmittelrecht (Nährwerte, Allergene, Zertifikate, Zutaten) und aus dem Marketing (Bilder, Verkaufstext usw.) werden nun in ein zentralisiertes Produktinformationssystem (Syncworks) überführt. 
 
Das macht es viel einfacher, die Anzahl GTINs inklusive der dazu benötigten Artikelstammdaten per Knopfdruck an Abnehmer zu senden. Über den in der Schweiz domizilierten und von GS1 zertifizierten Datenpool GloLIB empfangen Distributoren und Grossverteiler via Global Data Synchronisation Network (GDSN) die benötigten Daten. Das GDSN verbindet Handels- und Industrieunternehmen auf der ganzen Welt. Im Stammdatenpool werden die Produktinformationen in einer zentralen Datenbank vom Hersteller einmalig digital erfasst. Alle angeschlossenen Händler oder Dienstleister werden mittels Push-Verfahren automatisch mit den Artikelstammdaten versorgt. Validierungsregeln stellen die Datenqualität sicher, bevor die Daten vom Lieferanten zum Empfänger weitergeleitet werden. 
 
Kleine Detailhändler werden über das GS1 Werkzeug trustbox mit Produktstammdaten versorgt. «Unser Ziel: So unterschiedlich unsere Kunden und Datenplattformen (Etiketten, Produkte Websites) sind: die Datenquelle muss immer dieselbe und absolut zuverlässig sein», sagt Dawn King. Der «Trusted Source of Data»-Ansatz gewährleistet die konsistente Nutzung der Artikelstammdaten vom Lieferanten bis hin zum Nutzer von Smartphone-Apps. 
 
Alle sind gefordert
Für den reibungslosen Datenverkehr haben nicht nur die Hersteller ihre Hausaufgaben zu machen, sondern auch weitere Partner in der Wertschöpfungskette. Europaweit sollten Distributoren und Grossverteiler in der Lage sein, sowohl Daten aus einem Datenpool zu empfangen als auch diese – in einem Atemzug – an ihre Marktpartner weiterzuleiten. Im Gespräch mit den QS- und Stammdaten-Experten bei Wander wird klar: Es ist noch ein langer Weg von der manuellen Eingabe zum Idealzustand automatischer Übernahme umfangreicher Datensätze. 
 
Auch betriebsintern braucht es Geduld. «Vorerst können wir auf das visuelle Überprüfen in Excel-Tabellen noch nicht verzichten, und auch unsere Produktmanager müssen Kontrollaufgaben übernehmen», sagt QM-Expertin Murielle Stauffer. Es besteht Grund zur Zuversicht, dass sich das mittelfristig ändert, wie Fredy Jaeggi erläutert: «Das neue Lebensmittelgesetz ist für alle Partner eine starke Motivation, auf automatisierte Datenübertragung umzustellen.»
 
Manuel Fischer
Joachim Heldt 
 
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