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Digitalisierung ist, wenn der Mensch den Unterschied macht

Logistik 4.0 ist in aller Munde. Die Chancen und Risiken der neuen Technologien sowie ihre Herausforderungen werden vielerorts diskutiert. Wir haben dazu mit einem Mann der Praxis gesprochen: Oskar Kramer, Logistikexperte und Landesleiter von Gebrüder Weiss Schweiz, schildert seine Sicht der Dinge und gibt einen persönlichen Ausblick auf die «Logistik der Zukunft».

GS1 network: Herr Kramer, alle sprechen von Digitalisierung. Glauben Sie, eine digitalisierte Welt sei eine bessere?
Oskar Kramer: Das kann ich nicht beurteilen. Jede Generation hat ihre Herausforderungen. Tatsache ist, dass wir uns diesem Thema stellen müssen. Wichtig wird sein, die Chancen zu erkennen und zu nutzen.

Kommen wir auf die Logistik zu sprechen. Was verstehen Sie unter Logistik 4.0 und wie ist der aktuelle Entwicklungsstand in der Schweiz?
Für mich bedeutet Logistik 4.0 die Vernetzung von Technik, Prozessen und Infrastruktur. Die Schweiz ist meiner Einschätzung nach auf einem guten Weg, den technologischen Fortschritt positiv zu nutzen. Es herrschen beste Voraussetzungen, um die Digitalisierung voranzutreiben: Das Land ist finanzstark, es gibt sehr innovative Unternehmen sowie hervorragend ausgebildete Fachkräfte – auch wenn wir von Letzteren sicherlich noch mehr benötigen.

Plaudern Sie mal aus dem Nähkästchen: Wie macht sich ein international agierendes Logistikunternehmen wie Gebrüder Weiss die Digitalisierung zunutze?
Wir nutzen die Kommunikationstechnologien sehr stark. Die internationale Vernetzung von Mitarbeitern und Partnern ist eine sehr wichtige Voraussetzung, um Kunden optimale Dienstleistungen zu bieten. Im Bereich Logistik arbeiten wir mit belegloser Kommissionierung. Automatische Dispoprogramme helfen uns, Mengen zu bündeln und Ressourcen einzusparen. Auch digitale Lernkonzepte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Auf diese Weise kann die Wissensvermittlung individuell auf die Lernbedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten sowie unabhängig von Zeit und Ort umgesetzt werden.

Sind Sie mit dem Status quo zufrieden?
Darf man als Führungskraft zufrieden sein? Wir sind in eine gute Richtung unterwegs, haben aber sicher noch wichtige Schritte vor uns. Hier denke ich insbesondere an die Datenauswertung und die Nutzung von Algorithmen für unsere Geschäftsfelder.

Ein optimistischer Blick in die Zukunft: Können Sie Ihre Idealvorstellung einer digitalisierten Logistikkette skizzieren?
Im Idealfall übermitteln uns die Kunden alle notwendigen Auftragsdaten elektronisch und wir wickeln sämtliche standardisierten Prozesse automatisch ab. Algorithmen steuern den Einsatz der passenden Verkehrsmittel, wodurch sich die Auslastung erhöht. Bei den Hauptläufen nutzen wir autonome Fahrzeuge.

Etwas konkreter: Kommunizieren wir in der Logistik 4.0 überhaupt noch miteinander?
Dass wir als Menschen nicht mehr kommunizieren (müssen), ist in meinen Augen ein Irrglaube. Die einzelnen Services werden sich in Zukunft nicht mehr grossartig voneinander unterscheiden. Umso wichtiger wird daher der Faktor Mensch werden, über den sich die Dienstleister noch voneinander differenzieren können. Dabei geht es in erster Linie darum, den Kunden zu verstehen und eine vertrauensvolle Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Wie denken Sie über den regulären Einsatz autonomer Fahrzeuge?
Der autonome Gütertransport wäre sicher sinnvoll und würde das Problem des Fahrermangels lösen. Die Technik ist bereits weit fortgeschritten. Dennoch werden sich autonome Fahrzeuge mittelfristig wohl nicht durchsetzen. Es fehlen noch die Rechtssicherheit und die notwendigen Infrastrukturen zum Beispiel auf Strassen und Schienen. In Einzelfällen, auf definierten Strecken, werden autonome Fahrzeuge dagegen bestimmt schon bald eingesetzt.

Welche Herausforderungen gilt es noch zu meistern, bis die von Ihnen skizzierte ideale digitalisierte Logistikkette Wirklichkeit ist?
Die grösste Herausforderung wird sein, die Digitalisierung in einer für die Mitarbeitenden angenehmen Geschwindigkeit umzusetzen. Denn ohne dass das Personal den Weg mitgeht, kann Digitalisierung nicht funktionieren. Dazu gehört auch, die Tätigkeitsfelder und Ausbildungen den Entwicklungen anzupassen. Wichtig ist, dass der Mensch gegenüber der Technik die Oberhand behält. Und nicht zuletzt muss ausreichend Kapital vorhanden sein, um den strukturellen und technologischen Wandel zu finanzieren.

Es gibt ja auch Skeptiker. Stichworte: Verdrängung des Menschen, Hackerangriffe oder Fremdsteuerung. Was sagen Sie denen?
Skeptiker brauchen wir, da wir nach wie vor mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben müssen. Ein Sprichwort besagt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Es ist aus meiner Sicht eine Illusion, nur mit Robotern und Digitalisierung Geschäfte machen zu wollen. Ohne Menschen geht es nicht. Denn sie sind in vielen Punkten weit flexibler als die Technik. Zum Thema Schreckensszenario von Hackerangriffen – diesbezüglich wird es wichtig sein, klare Regeln zu definieren und diese gesetzlich zu untermauern.

Die Fragen stellte Claudia Saltuari.

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