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Falsche Europaletten im Fokus

Falsche Europaletten im FokusImmer öfter kursieren billig gefälschte und minderwertige Europaletten. EPAL und GS1 Schweiz haben das Problem erkannt und planen rigorose Massnahmen. Denn die Palettenqualität ist letztlich entscheidend für die Sicherheit von Mitarbeitenden und Ladungen.

2017 war ein gutes Jahr für die Europalette: Die European Pallet Association e. V. (EPAL) verkündet ein Rekordergebnis. Im Jahresverlauf wurden 115,8 Millionen EPAL-Paletten hergestellt oder repariert. Das sind rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Schon seit Monaten sind die Kapazitäten der Hersteller und Reparateure ausgelastet. Die EPAL-Palette wird damit ihrer Rolle als Frühindikator für die Wirtschaft gerecht. Das schon seit einigen Jahren zunehmend bessere Konjunkturklima in wirtschaftlich starken Ländern treibt die Nachfrage nach dem standardisierten Ladungsträger auf neue Rekordniveaus. Die Zahl der insgesamt im Umlauf befindlichen Europaletten wird auf bis zu 500 Millionen Stück geschätzt.

«Die hervorragenden Zahlen des Jahres 2017 sind das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit aller EPAL-Nationalkomitees und Lizenznehmer und ein Zeichen dafür, dass Industrie und Handel verstärkt auf unabhängig geprüfte Qualität und Sicherheit setzen, die sich langfristig auszahlen», konstatierte Martin Leibrandt, CEO der EPAL. Die 1991 gegründete Organisation ist nicht gewinnorientiert und verantwortet Standardisierung und Qualitätssicherung der Palette.

Paletten werden gern gefälscht
Die starke Nachfrage akzentuiert indessen ein Problem, mit dem sich die EPAL-Organisation schon länger konfrontiert sieht: Einerseits werden nicht immer Paletten der gleichen Qualität gegeneinander getauscht, andererseits gibt es immer mehr Fälschungen von Paletten, die das florierende Tauschsystem infiltrieren. Ende 2016 wurden in Belgien Tausende gefälschte Paletten aus der Ukraine entdeckt. Laut Angaben der EPAL wurden vier ukrainische Lkws, beladen mit gefälschten Europaletten, gestoppt sowie bereits gelieferte Fälschungen beschlagnahmt. Die Paletten waren von minderer Qualität.

Obwohl es sich bei nur zehn Prozent der Fälschungen um EPAL-Paletten handelte, hat die EPAL ihre Markenrechtsverfolgung speziell in der Ukraine verstärkt, um das Problem der massenweisen Fälschungen in den Griff zu bekommen bekommen. Neben der Verfolgung der Fälscher investiert die EPAL auch in Schulungen der Zollbeamten, sodass gefälschte Paletten bereits an der EU-Aussengrenze beschlagnahmt werden können. «Wir investieren seit Jahren in die Bekämpfung von Markenrechtsverletzungen der Marke ‹EPAL im Oval›», sagt Martin Leibrandt. «Gefälschte und minderwertige Paletten haben im offenen Tauschpool keinen Platz», betont er. Für den EPAL-CEO sind Qualität, Sicherheit, Vertrauen und letztlich die Unversehrtheit von Mitarbeitenden und Waren besonders wichtige Werte.

«EPAL ist mehr als eine Palettenorganisation », betont Pierre Clénin, selbstständiger Holzagent und Vorstandsmitglied von EPAL International. «Wir investieren jedes Jahr Millionen von Euro in die Qualitätssicherung bei den Lizenznehmern und die Verfolgung von Fälschungen weltweit.» Clénin fordert GS1 auf, endlich ein Profil zu erstellen, welche Kriterien eine Palettenorganisation zu erfüllen hat. «Dem sehen wir sehr zuversichtlich entgegen », meint er.

Schwarzpeterspiel in der Schweiz
Paletten minderwertiger Qualität sind nämlich auch in der Schweiz ein Thema. Hierzulande sind rund 15 Millionen Europaletten im Umlauf, die von gut 30 000 Firmen genutzt werden. Im Allgemeinen werden Paletten Zug um Zug getauscht, pro beladene Europalette erhält der Partner eine unbeladene. Kann der Tausch nicht Zug um Zug vollzogen werden, erhält der Partner eine Gutschrift oder es wird eine Gebühr erhoben. Allerdings besteht das Risiko, dass nicht immer qualitativ gleichwertige Paletten ausgetauscht werden. Im schlechtesten Fall werden Europaletten beladen, die nicht mehr tauschfähig sind. Heute müssen die Transporteure unter Zeitdruck oft mangelhafte Europaletten annehmen. Durch dieses «Schwarzpeterspiel» verschlechtert sich die Qualität des Pools zunehmend, da eine Säuberung durch eine zentrale Stelle fehlt und die Verantwortlichkeiten nicht klar geregelt sind.

Thomas Bögli von GS1 Schweiz findet dafür klare Worte. «Der Tausch von Europaletten stellt seit Jahren für alle Beteiligten ein grosses Ärgernis dar», sagt der Leiter der Fachgruppe Tauschgerätepool Schweiz, die GS1 Schweiz und ASTAG ins Leben gerufen haben. Weil Holzpaletten nach durchschnittlich sieben bis neun Umläufen repariert oder entsorgt werden müssen, verlieren sie stetig an Wert. «In einem offenen Tauschsystem führt dieser Umstand zu Schummeleien», stellt Bögli fest.

Code of Conduct kommt
Die Fachgruppe will das aktuelle Tauschsystem gerechter und transparenter gestalten. In einem ersten Schritt werden für alle Poolteilnehmer verbindliche Regelungen betreffend Aufgaben, Pflichten und Rechte definiert. Die von der Fachgruppe erarbeitete Empfehlung für den Tausch von Europaletten im Sinne eines Code of Conduct wird voraussichtlich Mitte 2018 im Rahmen einer breiten Informationskampagne vorgestellt. Bestandteil der Lösung ist ein öffentliches Register auf der Website von GS1 Schweiz. Mit dem Eintrag verpflichten sich Unternehmen, die Regelungen zu beachten und ein Zeichen als fairer Paletten-Player zu setzen.

Die Einhaltung verbindlicher Normen ist auch wegen der steigenden Zahl moderner Lager- und Distributionszentren mit häufig hochautomatisierter innerbetrieblicher Materialflusstechnik sehr wichtig. Vorsichtigen Schätzungen zufolge ist etwa ein Drittel der in automatisierten Hochregallagern auftretenden Störungen auf beschädigte respektive mangelhafte Ladungsträger zurückzuführen. Die Betreiber solcher Anlagen werden in Zukunft wohl kaum mehr bereit sein, die hohen Folgekosten zu tragen. Bereits heute gibt es Unternehmen, die mangelhafte Tauschgeräte mitsamt der Ware zurückschicken – Kosten zu Lasten des Absenders.

In der Gesamtschau eines historischen Rückblicks ist die Europalette dennoch eine ausserordentliche Erfolgsgeschichte. 1952 tauschten die SBB erstmals genormte Flachpaletten aus Holz mit interessierten Verfrachtern aus. Das damals eingeführte Mass von 120 mal 80 Zentimeter gilt bis heute als Standard. Die Palette verbreitete sich rasch, 1960 wurde mit der Deutschen Bundesbahn der Europäische Paletten- Pool EPP gegründet. Diesem traten in den folgenden Jahren die Eisenbahnverwaltungen von 18 weiteren Ländern bei. Weil sich der Wildwuchs bei den hergestellten Paletten nicht eindämmen liess, wurde 1991 in München die EPAL gegründet, die European Pallet Association. Sie ist seit 1995 operativ tätig und soll eine einheitliche Qualität der Pool-Palette garantieren. Die EPAL ist heute in über 30 Ländern durch 14 Nationalkomitees vertreten, die sich der nationalen Umsetzung der EPAL-Ziele verpflichtet haben.

Alexander Saheb

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