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Aus gutem Holz und intelligent

Europaletten sind in der Logistik unverzichtbar. Es gibt jedoch Probleme mit Fälschungen, Schwundraten und Beschädigungen. Forscher am Fraunhofer IML arbeiten zusammen mit Industriepartnern an der Serialisierung und Digitalisierung des Universalladungsträgers.

Sie ist genial einfach, genormt, überall auf der Welt und ganz sicher in jedem Lagerhaus in Europa anzutreffen: die klassische EPAL-Europalette, mit Seitenlängen von 800 × 1200 mm und einer Höhe von 144 mm. Ohne diesen genormten Ladungsträger dreht sich fast nichts in der Welt der Logistik. Man schätzt, dass weltweit 450 bis 500 Millionen Stück zu jedem Zeitpunkt im Umlauf sind.

Die denkende Palette
Gemeinhin schreibt man dieser Dutzendware keine Intelligenz zu. Weder die lizenzierten Hersteller noch Verlader, Spediteure oder Empfänger wissen über die im Umlauf befindlichen Mengen, über den aktuellen Aufenthaltsort oder den qualitativen Zustand der hölzernen Lastunterlagen exakt Bescheid. Recht häufig treten nämlich Fragen zu Qualität und Mengen der Paletten im Einsatz auf. Wie viele Einheiten weisen Bruchstellen auf, können deswegen keine Lasten mehr aufnehmen und sind somit nicht mehr tauschfähig? Nicht selten kommt es vor, dass ganze Sendungen samt Paletten verlustig gehen.

Ein unbefriedigender Sachverhalt angesichts eines Internets der Dinge (IoT, Internet of Things), das neue Perspektiven der Ortung und Interaktion für fest installierte wie bewegliche Dinge bietet. Denn mit IoT ist ja weit mehr gemeint als nur eine eindeutige Identifizierung physischer Objekte und ihre virtuelle Abbildung in einem Computer, sondern ein permanentes Sammeln von Daten durch an Objekte angebrachte Sensoren, ebenso ein ständiger Datenaustausch via Rechnernetzwerke zwischen Mensch, Internet und Objekten, schliesslich ein autonomes Vernetzen zwischen den Objekten.

Strategische Forschungsallianz
IoT-Technologien, aber auch bereits bewährte Methoden der zweifelsfreien Autoidentifikation von Gütern im Warenfluss, ermöglichen ein breites Feld von neuen Funktionen, die man an Ladungsträgern direkt anwenden könnte. Forscher am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund überlegten sich: Was wäre, wenn die Palette wüsste, woher sie kommt, wohin sie geht, wie sie behandelt wurde, welche Ladung sie trägt, welche Stösse und Temperaturen sie erfährt? Dazu ist es notwendig, dass der Ladungsträger als Objekt über sich selbst Auskunft gibt, das heisst über eine eindeutige Kennzeichnung verfügt, Umweltbedingungen registrieren und Informationen interaktiv austauschen kann.

Schon bald zeichnete sich ab: Das Forschungsvorhaben «intelligente Palette» ist zu facettenreich und kann nicht in einem zeitlich begrenzten Projekt mit klar definierten Zielen und in Kooperation mit einem einzigen Industriepartner erledigt werden. «Wir wollten den Freiraum haben, mehrere Technologien an der Palette auszuprobieren und Pilotprojekte durchzuführen», sagt Michael Koscharnyj, Teamleiter Verpackungslogistik am IML.

Aus diesem Grund wurde am IML das sogenannte «EPAL Enterprise Lab» gebildet, das sich mit dieser komplexen Thematik befasst. Darüber hinaus finden sich am Fraunhofer IML mehrere solcher «Enterprise Labs» mit Partnern aus der Privatwirtschaft, beispielsweise Dachser, DB Schenker, Rhenus Logistics oder Deutsche Telekom. Solche Labs zeichnen sich durch eine mindestens dreijährige strategische Zusammenarbeit mit Industriepartnern aus. Mitarbeitende aus den Unternehmen erhalten dabei die Gelegenheit, sich in modern eingerichteten Coworking- Arealen einzurichten, sich direkt in die IML-Forschungsteams einzubringen und Labors und Werkstätten in Dortmund benutzen zu dürfen. Interdisziplinär aufgestellte Projektgruppen arbeiten so an verschiedenen Aspekten der Digitalisierung der Europalette.

Kampf gegen Fälschungen und Schwund
Über ein solches Lab bringt auch die European Pallet Association (EPAL) ihre Forschungsinteressen am IML ein. Als Qualitätssicherungsverband vergibt sie die Lizenzen zur Herstellung und zur Reparatur der EPAL-Ladungsträger und wacht dabei über die normgerechte Fertigung sowie Reparatur mithilfe unabhängiger Prüfinstitute. Darüber hinaus ist die EPAL zuständig für den Schutz der Qualitätsmarke EPAL und bekämpft auf internationaler Ebene die Fälschung von EPAL-Paletten.

«Die intelligente Palette eröffnet mannigfaltige Möglichkeiten für die Logistik. Wir haben aber schnell erkannt, dass wir als ersten Schritt die Serialisierung der Tauschpaletten voranbringen müssen», sagt Thomas Beenen, General Manager Business Development bei EPAL. Dies geschieht durch eine eindeutige Kennzeichnung jeder einzeln produzierten Einheit und die Ablage der entsprechenden Nummer in einer zentralen Datenbank. Mit der Serialisierung will man typischen Problemen des Warenverkehrs mit diesem Ladungsträger zu Leibe rücken. Im Visier sind die hohen Schwundraten und das Inverkehrbringen von Fälschungen.

Allerdings muss die angestrebte Serialisierung auf einer zuverlässigen Methodik beruhen, die alle Teilnehmer im EPAL-Netzwerk anwenden können. So gewährleistet nur eine maschinelle Applizierung eine eindeutige Kennzeichnung. Zudem ist eine standardisierte Nummernfolge zu definieren, welche zumindest Seriennummer, Baujahr und Paletten-Typus verschlüsselt. Diese Angaben sollen in einem zweidimensionalen Code per Tintenstrahl-Verfahren auf einem der Klötze appliziert werden. Auch simple Fragen harren noch einer Lösung. Je nach Logistikkontext ist es sinnvoll, den unverwechselbaren Code an zwei oder auf vier Seiten des Universalladungsträgers aus Holz anzubringen.

Ein sensibles Stück Holz
Auch die Deutsche Telekom steuerte ihren Beitrag zur Digitalisierung der EPAL-Palette bei. Der im März 2018 an der Intralogistikmesse LogiMat präsentierte kleine, magentafarbene Zylinder enthält einen Low-Cost-Tracker. Dieser ist so konstruiert, dass er seine Position sowie Bewegungen, Schockeinwirkung und Temperaturverlauf feststellen und übermitteln kann. Für die Telekom ist die Europalette insofern ein interessantes Objekt, als der Tracker mit dem neuen Funkstandard NB-IoT ausgerüstet ist. Die Vorteile: Das Gerät kann kleine Datenpakete senden und empfangen, ohne dass für die Ausbreitung und das Auslesen des Funksignals zusätzliche Infrastruktur, wie stationäre Lesestationen, eingerichtet werden muss. Die Technologie verfügt über einen niedrigen Energiebedarf (Batterielaufzeit bis zu zehn Jahre) und eine hohe Durchdringung in Gebäuden, was Logistikzwecken zugutekommt.

Inzwischen haben die ersten 500 «intelligenten Paletten» einen Praxiseinsatz an typischen Logistikstandorten bestanden und waren in der Lage, typische Ereignisse (wie Beschleunigung, Bewegung, Temperaturveränderungen usw.) aufzuzeichnen. Dieses Pilotprojekt war wichtig, wie Koscharnyj erläutert: «Man kann gegenüber der Logistikbranche viel von der intelligenten Palette reden. Aber man muss auch zeigen, dass sie tatsächlich funktioniert.»
Die Fähigkeit der intelligenten Palette zur Interaktion mit ihrer Umwelt macht es möglich, dass Logistiker ganz unterschiedliche Fragen formulieren können und diese auf der iPAL-Plattform inForm von Kennzahlen beantwortet bekommen: Wo sind meine Paletten? Welche Routen legen sie zurück? Welcher Bestand ist an welchem Ort? Wann und wo ist ein Palettenstapel zusammengestürzt?

Geschäftsmodelle und Standardisierung
Daraus ergeben sich neue Geschäftsmodelle wie beispielsweise Online- Reservierungssysteme, die sich im Moment nur erahnen lassen – je nach Bedürfnis der diversen Branchen, welche nun das mit Intelligenz ausgerüstete Transporthilfsmittel aus Holz einsetzen wollen. Die Regeln waren bislang klar. Europaletten wurden in einem offenen, diskriminierungsfreien Poolsystem verwaltet und benutzt. Damit dies auch in der digitalen Zukunft so bleibt, ist weiterhin eine neutrale Instanz wie die EPAL notwendig, welche die Lizenzvergabe kontrolliert.
Wünschenswert ist, dass intelligente Ladungsträger in einer Sprache gekennzeichnet werden und interagieren, die alle Teilnehmer des Pools verstehen. So ist zwar das Funksignal NB-IoT standardisiert, nicht aber die Struktur der Daten an sich, die empfangen und gesendet werden sollen. Die IMLForscher stehen deswegen in Kontakt mit Spezialisten der weltweiten GS1 Community, die ihre jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der standardisierten Autoidentifikation von Objekten in die Forschungsprojekte einbringen.

Manuel Fischer

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