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Dem Datenberg seine Geheimnisse entreissen

Big Data - Dem Datenberg seine Geheimnisse entreissenDie Analyse grösster Datensammlungen eröffnet neue Potenziale für Unternehmen. Für Privatpersonen birgt Big Data aber auch Risiken.

Big Data: Hier geht es um Daten, die in grosser Menge und sehr rasch aus vielfältigen Quellen gewonnen werden. Im Englischen werden die drei «V» bemüht, um Big Data zu charakterisieren: Variety, Volume, Velocity. Die Datenmengen sind so gross, dass sie von klassischer Software nicht mehr verarbeitet werden können, beschreibt das Softwareunternehmen Oracle die Herausforderung des Themas Big Data.

Die Datenmengen sind gross und unstrukturiert, und der Wert der Daten ist noch unbekannt, beispielsweise bei Twitter-Feeds, Webseitenklicks oder Daten von Gerätesensoren. Die Volumen erreichen rasch Teraoder gar Petabytes. Oft gehen die Daten in Echtzeit ein und fliessen direkt in Speichermedien. Auf der anderen Seite werden auch Auswertungen und Aktionen in Echtzeit gewünscht.

In jüngerer Zeit sind zwei weitere V-Begriffe hinzugekommen: die Variabilität (Variability) und die Richtigkeit (Veracity). Laut dem Unternehmen SAS Software bezeichnet der erste Begriff einen Datenfluss, der von hoher Fluktuation und grosser Varianz geprägt ist, beispielsweise aus Social-Media-Kanälen. Die Richtigkeit adressiert die Datenqualität. Gerade wenn für komplexe Auswertungen verschiedenste Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander verknüpft werden, können verfälschte Inputs das Gesamtergebnis rasch wertlos machen.  

Dreiklang aus Strategie, Speicherung und Analyse
Die Definition einer Big-Data-Strategie ist für Unternehmen die Eintrittskarte in diese Welt, heisst es bei SAS. Diese klärt die Art und Weise der Datenerfassung ebenso wie das Vorgehen zur Datenspeicherung. Festgelegt werden die Methode der Datenverwaltung und die Nutzung innerhalb und ausserhalb der Organisation. Die Big-Data-Strategie ist die Voraussetzung für einen geschäftlichen Erfolg, der sich aus den gewonnenen Erkenntnissen speist. Big Data kann somit eine wertvolle Ressource sein.

Als Datenquellen kommen Datenströme aus dem IoT (Internet of Things) und anderen vernetzten Datenquellen wie Wearables, Fahrzeugen, medizinischen Geräten oder Industrieanlagen in Betracht. Beim Eintreffen der Daten wird entschieden, was gespeichert oder verworfen und was erst noch genauer analysiert werden muss. Eine weitere Quelle sind Social-Media- Daten aus Interaktionen auf Facebook, YouTube oder anderen Portalen. Hier sind die Mengen gross und die Struktur schwach, was Nutzung und Analyse besonders anspruchsvoll macht. Darüber hinaus können Daten aus öffentlichen Quellen genutzt werden, aber auch Lieferanten oder Kunden von Unternehmen kommen infrage.

Der nächste Schritt ist die Datenspeicherung. Vielfach genügen herkömmliche Lösungen, manchmal sind Cloudanwendungen gefragt. Schliesslich erfolgt die Analyse der vorhandenen Bestände, die im Idealfall zu Erkenntnissen führt, die eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage darstellen.  

Vielfältige Anwendungen für Handel und Industrie
Die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) hat eine Reihe von Anwendungsbeispielen zusammengetragen und in der Studie «Ethische Herausforderungen für Unternehmen im Umgang mit Big Data» publiziert. Eines davon ist das Social Scoring, das vor allem beim Online-Einkauf auf Rechnung eingesetzt wird. Die Händler kontern das Risiko verspäteter Zahlungen und von Zahlungsausfällen, indem sie die Auswahl der einem Kunden angezeigten Zahlungsmöglichkeiten aktiv steuern. Nur Kunden mit einem positiven Scoring-Wert bekommen «Rechnung» überhaupt als Zahlungsmöglichkeit angezeigt. Das Scoring erfolgt während des Bestellvorgangs durch einen Algorithmus aus verschiedenen Datenpunkten.

Ähnliche Auswertungen führen auch zu dynamischen Preisen in Internetshops. Ein Reisebüro beispielsweise gab Apple-Nutzern systematisch höhere Preise an, weil sie besonders hochwertige Endgeräte nutzten. Allgemein folgt die Preisgestaltung aber Parametern wie Nachfrage, Verfügbarkeit, Wetter, Uhrzeit oder Konkurrenzverhalten. Ein nächster Schritt werden individualisierte Preise sein.

Autohersteller wiederum werten Daten von in Fahrzeugen installierten Telematiksystemen aus, wie Fahrverhalten, Verschleiss- oder Verbrauchsdaten. Damit identifizieren sie über eine vorausschauende Analyse die Schwachstellen neuer Modelle und können mit entsprechenden Wartungs- oder Reparaturmassnahmen reagieren. Eine datengestützte, vorausschauende Wartungsplanung ist in der Industrie eines der häufigen Anwendungsmodelle von Big Data. Hierfür stehen schon heute umfangreiche Datensätze aus dem Alltagsbetrieb bereit, die sich auswerten lassen und eine höhere Verfügbarkeit und günstigere Wartungskosten ermöglichen.

Grosses Potenzial für die Schweiz
Für die SATW gehört Big Data zu den Schweizer Zukunftsthemen mit grossem Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft. Im «Technology Outlook» 2021 werden 45 Technologien und deren Anwendungsgebiete analysiert. Aus volkswirtschaftlicher Sicht besonders überzeugend sind für die SATW-Experten das Inter net of Things, Connected Machines und eben auch Big Data. Bei der Beurteilung werden Faktoren wie Umsatz, Marktpotenzial in den kommenden fünf Jahren, rechtlich-regulatorische Rahmenbedingungen und die Akzeptanz in der Schweizer Gesellschaft berücksichtigt.

Die grösste Branche in Bezug auf die Marktchancen für Big Data ist das Bankwesen, denn es hat dazu beigetragen, die Einführung von Technologien für die Big-Data-Analyse zu beschleunigen. Weitere Grossunternehmen aus den Branchen Einzelhandel, Telekommunikation und Transport haben eine Big-Data- Strategie für personalisierte Dienstleistungen und Kundenprofilierungen eingeführt und weiterentwickelt. Bei KMU dagegen gibt es kaum Hinweise auf eine verbreitete Nutzung von Big-Data-Technologien.

Allerdings birgt Big Data auch gewisse Risiken, gerade im Hinblick auf die Offenlegung persönlicher Daten von Individuen. Der Eidgenössische Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragte hat bereits darauf hingewiesen, dass Versicherungen ihre Leistungen verweigern könnten, wenn die Analyse von Gesundheitsdaten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zukünftige Krankheit vorhersagt. Geheimdienste könnten Privatpersonen auf mehreren Kanälen permanent überwachen, wenn ihre Big-Data-Algorithmen eine sicherheitspolitische Gefahr prognostizieren. Das oft vorgebrachte Argument, die genutzten Daten seien anonymisiert, trägt in Wirklichkeit nicht mehr: Bei der Zusammenführung von mehreren Datenbeständen könne eine De-Anonymisierung erfolgen, konstatiert der Datenschutzbeauftragte.  

Alexander Saheb

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