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Mehr Daten für prozessoptimierte Frische

GS1 DataMatrix: Mehr Daten für prozessoptimierte FrischeDie Einführung zweidimensionaler Datenträger auf Frischeartikeln löst Probleme der bisherigen Praxis. Ein Pilotprojekt von Coop und Bell zeigt: Nicht nur die Hardware und Software müssen ertüchtigt sein. Es braucht auch Anpassungen bei Abpack- und Kommissionierprozessen.

Der Bedarf an Informationen und die Präzision, mit der Warenströme im Detailhandel gehandhabt werden wollen, nehmen zu. Gerade die Zulieferer und Vermarkter von Frischlebensmitteln hegen schon länger die Hoffnung, moderne Datenträger verwenden zu können. Denn Frischwaren wie vorverpackter Käse, Fleisch und Fisch ab Theke oder von Kunden individuell abgewogenes Gemüse und Früchte haben die sperrige Eigenschaft, in Form und Gewicht nicht standardisiert zu sein, weswegen jede Einheit sich auch im Preis unterscheidet.

Aktuell werden mengenvariable Konsumeinheiten zwar mit einem EAN-13-Strichcode gekennzeichnet, der aber die Restricted Circulation Number (RCN) mit Informationen zum Gewicht oder zum Preis enthält. Eine RCN ist eindeutig je Händler, jedoch nicht händlerübergreifend. Somit ist sie nicht mit einer Global Trade Item Number (GTIN) als weltweit eindeutige Produktkennzeichnung gleichzusetzen. Die bisherige Praxis hat manche Nachteile; so müssen beispielsweise Zulieferer von Frischprodukten ihre Ware je nach Abnehmer verschieden kennzeichnen und vorrätig halten.  

Neue Möglichkeiten
Gemäss den Vorgaben von GS1 Global ist es seit dem Jahr 2020 erlaubt, zweidimensionale Datenträger wie GS1 DataMatrix oder GS1 QR-Code auf der Basis partnerschaftlicher Absprachen innerhalb der Lieferkette zu verwenden. 2D-Datenträger von GS1 bieten den Vorteil, die Frischware nicht nur mit einer GTIN als eindeutige Produktidentifikation, sondern auch mit dem Gewicht, dem Preis, dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), der Chargennummer oder weiteren Informationen zu versehen. Die Anzahl Attribute lässt sich fast unbegrenzt erweitern. Dank den im Code integrierten Datenbezeichnern (AI) sind auch die auszulesenden Daten richtig interpretierbar.

Die von GS1 publizierte Anwendungsempfehlung «2D-Datenträger für Frischprodukte» stellt typische Geschäftsfälle dar: So kann ein Abverkauf abgelaufener Ware an der Kasse unterbunden, ein automatischer Preisnachlass für Frischware kurz vor dem MHD gewährt oder gar ein Produktrückruf chargengenau organisiert werden.

Hard- und Software
Allerdings müssen einige Bedingungen technischer wie organisatorischer Natur erfüllt sein, damit die Einführung eines neuen Datenträgers dann auch Nutzen stiftet. Interessant sind die Erfahrungen aus einem Pilotprojekt, welches Grossverteiler Coop mit Fleischverarbeiter Bell angestossen hat.  

Simone Sporing, Leiterin B2B-Informatik & Prozesse Warenwirtschaft bei Coop, zieht daraus erste Schlüsse: «Rückblickend war der Ersatz der Hardware die grösste Baustelle; sie hat sich über Jahre hingezogen. » In Bezug auf eine rasche Einführung zweidimensionaler Codes mussten nicht nur Laserscanner an den digitalen Kassensystemen (vom Personal bediente Kassen und Selfscanning-Systeme), aber auch Handscanner im Lager auf die Image-Technologie umgerüstet werden. «Auch die Software-Anpassungen waren erheblich, um durchgängige Prozesse abbilden zu können», fährt Sporing fort.

GS1 DataMatrix erste Wahl
Die Pilotprojekt-Teilnehmer entschieden sich bewusst für die Freischaltung des GS1 DataMatrix für ihre Warenwirtschaftsprozesse. Der Grund ist offensichtlich: Viele Hersteller lassen auch den QR-Code auf ihre Produktverpackungen drucken; diese Symbologie wird inzwischen übermässig häufig für Marketingzwecke verwendet und verweist auf eine spezifische URL des Herstellers. Das Freischalten des DataMatrix für die Image-Scanner gewährleistet Prozesssicherheit und die gleichzeitige «Nichtlesbarkeit» des QRCodes vermeidet ein Chaos an der Kasse.

Vorteile
Das Pilotprojekt startete mit «Pangasiusfilet» und «Crevetten-Torpedos» paniert. Inzwischen werden immer mehr Produkte aus dem Seafood-Segment von Bell mit GS1 DataMatrix ausgezeichnet. Sporing schlägt eine Bresche für die Zulieferbetriebe: «Es ist wichtig, dass die Artikel nicht nur speziell für Coop, sondern generell gekennzeichnet werden können. Deshalb begrüssen wir die Initiative von GS1, dass der GS1 DataMatrix bis 2027 weltweit einsetzbar sein soll.»

Jürgen Schmidle, Projektleiter Operations Exzellenz bei Bell Schweiz AG, verweist auf einen weiteren Pluspunkt: «Mit dem einfachen Auslesen des MHD kann ein Supermarkt präziser vorausschauend bestellen. So erreichen wir, dass nachbestellte Frischware im Kühlregal möglichst innerhalb der MHD-Frist abverkauft sein wird. So reduzieren wir Foodwaste.»  

Herausforderungen
Die Umsetzung stellt die Lebensmittel herstellenden Unternehmen vor mehrere knifflige Aufgaben. So müssen sie eine weit höhere Datenmenge auf zwei Informationswegen dem Detailhandel übermitteln. Das heisst konkret: Mit der gleichen Präzision, mit welcher Bell die gelieferte Ware auf der Etikette (mit GTIN, MHD usw.) maschinenlesbar auszeichnet, werden Lieferungen dem Empfänger Coop via EDI DESADV (Despatch Advice) übermittelt.

«Die Umstellung hat Konsequenzen auf die alltägliche manuelle Arbeit in der Logistik», erläutert Jürgen Schmidle. «Beim Picking aus einem Behälter müssen Mitarbeitende MHD-genau, allenfalls chargengenau, kommissionieren.» Es kommt zweitens hinzu, dass nun beim abpackenden Betrieb eine höhere Datenmenge die unterschiedlichsten Software-Systeme (ERP-Auftragsverarbeitung, Kommissionier-Software, Preisauszeichnung usw.) fehlerfrei durchlaufen muss, damit schliesslich ein Etikettendrucker die Datamatrix-Symbole und Informationen in Klarschrift exakt ausdrucken kann.   

Drittens werden in Zukunft weitere Frischprodukte- Hersteller beispielsweise aus der milchverarbeitenden Industrie ihre hergebrachten Kennzeichnungsprozesse überdenken müssen. Bislang war es üblich, mit EAN-13-Barcodes versehene Verpackungsmaterialien (z. B. Tetrapak-Kartons, Folien-Banderolen usw.) vorrätig zu halten, um sie anschliessend in den Verpackungsprozess zu führen. Ein dynamischeres Anbringen maschinenlesbarer, komplexer 2D-Codes auf die Verpackung stellt die bisherige Praxis infrage. Für die Firmen, die RCNs im Abpackprozess andrucken, ist der Umstellungsaufwand kleiner, aber der Nutzen für die einheitliche Auszeichnung mit GTIN sehr hoch.

In Zukunft
Den mannigfaltigen Anforderungen zum Trotz beurteilen die beiden Verantwortlichen das Projekt positiv. Bell begann zwar mit einer überschaubaren Anzahl von «einfachen» Frischprodukten. Doch der grösste Fleischverarbeiter des Landes hat ambitionierte Pläne: Mit dem Bau des Frischprodukt-Logistikcenters in Oensingen werden alle Voraussetzungen erfüllt sein, eine grosse Anzahl Frischfleisch- und Geflügelprodukte inklusive Charcuterie mit GS1 2D-DataMatrix zu kennzeichnen.

Simone Sporing wünscht, dass die Branche sich auf einen verpflichtenden Fahrplan zur raschen Implementierung des neuen Standards verständigt: «Dies schafft auch Planungssicherheit für die Lieferanten, sodass sie ihre Produkte einheitlich mit einem GS1 DataMatrix kennzeichnen können.»

Manuel Fischer

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