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Schwerpunkt 2013

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Die richtige Pflege für den richtigen Kunden

 Mit OPAN hat die Spitex Bern das Patienten-Stammdaten-Management standardisiert.Rund 3300 Patienten können im Berner Stadtgebiet und der Gemeinde Kehrsatz jedes Jahr auf die Spitex Bern zählen. Dafür muss diese komplexe Prozesse managen und logistische Meisterleistungen erbringen. Denn: Jeder Tag ist anders.

«Routine» ist ein Wort, das Marius Muff nur selten in den Mund nimmt. Er ist Betriebsmanager und stellvertretender Geschäftsführer der Spitex Bern und muss sich täglich mit den «7R der Logistik» auseinandersetzen: die richtige Ware in der richtigen Qualität und Menge zum richtigen Zeitpunkt zu den richtigen Kosten am richtigen Ort für den richtigen Kunden zur Verfügung stellen.
Doch im Pflegebetrieb ändern sich alle sieben Variablen täglich. «Es kann jederzeit passieren, dass ein Patient wieder ins Spital muss», sagt Marius Muff. «Zudem haben wir 170 bis 180 Neueintritte pro Monat. Die Ausgangslage ändert sich wirklich jeden Tag.» Hinzu kommt ein achter Faktor: der richtige Mitarbeitende. Denn nicht alle Mitarbeitenden dürfen alle Leistungen erbringen. «Die Einsatzplanung ist sehr komplex. Wir müssen die Wirtschaftlichkeit, Arbeitsgesetze, Sicherheitsaspekte, aber auch Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse berücksichtigen. Und das ist nicht immer alles miteinander kompatibel.» Standardrouten gäbe es zwar. Sie beruhen auf den beruflichen Qualifikationen der Mitarbeitenden. Doch auch diese werden fast täglich angepasst. «Ich vergleiche das immer mit einem Spinnennetz. Wenn ich an einem Ende ziehe, hat das Auswirkungen auf das ganze Netz.»

Mit dem Velo zu den Kunden
Gefahrene Kilometer sind deshalb bei der Routenoptimierung nur ein Faktor von vielen. Rund 580 000 Kilometer werden bei der Spitex Bern jedes Jahr zurückgelegt – auch auf dem Zweirad. «Wir nutzen ungefähr gleich viele Velos wie E-Bikes», erklärt Marius Muff. Nur gerade ein Drittel der Einsatzfahrzeuge sind Autos. Dem Transport von Material stehe das nicht im Weg. «Unsere Mitarbeitenden sind mit Rucksäcken und an den Fahrrädern montierten Körben ausgestattet. Umfangreichere Lieferungen werden per Post zugestellt.»
Öffentliche Verkehrsmittel kommen für die Spitex Bern nicht in Frage. «Wir könnten schon den ÖV nutzen, aber wir wären schnell pleite», meint Marius Muff trocken. «Das würde uns rund 1,5 Millionen Franken mehr kosten.» Das Pflegematerial, wie beispielsweise Desinfektionsmittel, wird dezentral in den einzelnen Spitex-Betrieben gelagert. Es wird nur in Kombination mit einem Einsatz an den Kunden geliefert. «Reine Materiallieferungen gibt es nicht.»

Standardisierte Anmeldung
Um zumindest einen Teil der Prozesskomplexität zu reduzieren, setzt die Spitex Bern auf OPAN, die Online- Patientenanmeldung. Damit können die Zuweiser, also Spitäler und Arztpraxen, aber auch Privatpersonen die Patienten für Spitex-Dienstleistungen anmelden. «So erheben wir die Stammdaten standardisiert», erklärt Karin Zehnder, Produktverantwortliche von OPAN. Die Zuweiser können über die viersprachige Website unter anderem die Adressdaten des Patienten, den Pflegeauftrag sowie ihre eigenen Zuweiserdaten erfassen. «Damit stellen wir sicher, dass die zuweisende Stelle bei Rückfragen schnell erreichbar ist.»
Für jede Zuweisergruppe wird ein eigenes Formular bereitgestellt. Die Idee zu OPAN wurde Ende 2011 geboren. Ausschlaggebende Motivationen seien das Bedürfnis von Seiten der Spitäler sowie der Eigenbedarf gewesen, wie Martin Bächli, Leiter Innovation und Integration sowie Mitglied der Geschäftsleitung, erklärt. «Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine standardisierten Überweisungen. Sie erfolgten über verschiedene Kanäle, wie beispielsweise Telefon, E-Mail oder Fax. So erhielten wir immer wieder andere Daten in unterschiedlicher Reihenfolge. » Das führte zu Mehraufwand für die Mitarbeitenden. «Salopp gesagt: Früher wurden Mails geschrieben nach dem Motto ‹die melden sich dann schon, wenn etwas fehlt›.» Problematisch sei ausserdem gewesen, dass für den Zuweiser nicht immer eindeutig klar war, welche Spitex für den Patienten zuständig ist. Beide Seiten sollen dank OPAN je mindestens eine halbe Stunde Abklärungszeit pro Fall einsparen.

Tendenz steigend
Nach 18 Monaten Entwicklungs- und Testphase ging OPAN im Februar 2013 online. Zunächst stand das System nur einigen Berner Spitälern zur Verfügung. Schnell wurde der Kreis der Anwender auf den ganzen Kanton Bern und darüber hinaus ausgedehnt. Seit Februar 2015 umfasst er auch Privatpersonen, Hausärzte und Arztpraxen.
Heute nutzen bereits 72 Spitex-Organisationen sowie gegen 100 Spitäler aus der ganzen Schweiz OPAN, Tendenz steigend. «Wir sind bisher sehr zufrieden», meint Martin Bächli. Im Januar 2015 wurde mit über 600 Anmeldungen ein neuer Rekord aufgestellt.
Für die kommenden Monate rechnet die Spitex Bern damit, dass die Zahl der Benutzer weiter steigt. «Für einzelne Spitex-Organisationen, so zum Beispiel im Kanton Graubünden, war der Nutzen von OPAN zu Beginn nicht sofort ersichtlich, da sie teilweise direkt in ein Spital integriert sind und gemeinsame Systeme nutzen», erklärt Martin Bächli. «Die steigende Zahl der Anmeldungen aus diesen Regionen zeigt uns jedoch, dass sowohl diese Spitex-Organisationen als auch die entsprechenden Spitäler die Vorteile von OPAN schätzen.»
Dennoch ewartet Martin Bächli nicht, dass wirklich alle OPAN nutzen werden. Dafür gibt es mehrere Gründe. «Einzelne Spitex-Verbände haben eigene Lösungen oder schlichtweg keinen Bedarf», erklärt er. Ein weiterer Grund dürften die Kosten sein. «In unserem Modell leisten die Empfänger, also die Spitex-Organisationen, einen finanziellen Beitrag. Je nach Finanzierungsverhältnissen im jeweiligen Kanton kann es sich nicht jede Organisation leisten, eine externe Dienstleistung einzukaufen, obwohl die Zeiteinsparung grösser ist als der direkte Kostenaufwand.»  Den OPAN-Nutzern steht die Validierungsstelle zur Verfügung. Sie bietet Unterstützung bei technischen Problemen und stellt die Qualität und Vollständigkeit der Daten sicher.
Ein wesentlicher Schritt zu weniger Komplexität der Prozesse – für alle Akteure. Und ein Schritt zu mehr Freiraum, um auf Veränderungen flexibel reagieren zu können. ||

Katharina Birk

Spitex mit dem Swiss Logistics Public Award 2014 ausgezeichnet
Die Spitex Bern ist die fünftgrösste der knapp 600 Basisorganisationen des Spitex Verbands Schweiz. Für ihre logistischen Meisterleistungen wurde stellvertretend der Spitex Verband Schweiz mit dem Swiss Logistics Public Award 2014 ausgezeichnet. Der Dachverband selbst erbringt keine Pflegeleistungen und hat sich deshalb etwas Besonderes einfallen lassen, um die einzelnen Mitglieder an der Auszeichnung teilhaben zu lassen: Der Swiss Logistics Public Award ist als Wanderpokal ausgeschrieben worden, um den sich die einzelnen Spitex-Verbände bewerben können. Die Spitex Bern hatte mit ihrem Projekt OPAN Erfolg.
Mehr zur Auszeichnung von Spitex: www.gs1.ch/n151.02

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