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Mehr als eine digitale Datenablage

Das elektronische Patientendossier (EPD) wird 2020 in der Schweiz verfügbar sein. Damit erhalten die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, ihre Unterlagen von Ärzten, Spitälern, Apotheken oder Pflegenden zu sammeln und all ihren Behandelnden zugänglich zu machen. 

Spitäler, Psychiatrie- und Reha-Kliniken müssen 2020 der digitalen Vernetzung angeschlossen sein – Pflegeheime und Geburtshäuser haben zwei Jahre länger Zeit. Arztpraxen, Apotheken und Spitex-Dienste werden sich schrittweise ebenfalls anschliessen. Es ist klar, was in den nächsten Jahren passieren wird. Spannend bleibt die Frage nach dem «Wie». Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) macht dazu zwei Aussagen:

  • • Gesundheitsfachpersonen und ihre Institutionen müssen (oder dürfen) sich einer zertifizierten Gemeinschaft oder Stammgemeinschaft anschliessen. Gemeint ist damit eine von mehreren dezentralen Umsetzungen des EPD.
  • • Hat ein Patient oder eine Patientin in der Schweiz ein EPD eröffnet, kann er oder sie davon ausgehen, dass nach einer Behandlung die wichtigsten Daten im EPD erfasst werden

Nutzen in der Praxis
Der Nutzen kann an einem Beispiel aus dem Alltag beschrieben werden: Nehmen wir an, eine Patientin wird nach einem längeren Spitalaufenthalt nach Hause entlassen. In der Regel verfasst das Spital dazu einen Austrittsbericht, in dem die aktuellen Diagnosen, bekannte Probleme oder die Medikation festgehalten sind. Meistens geht dieser Bericht zum Hausarzt, in der Schweiz in über 60 von 100 Fällen per Fax oder Post. Es kann aber sein, dass die erste Kontaktperson der Patientin nach dem Spitalaufenthalt eine Spitex- Mitarbeiterin ist. Hat die Patientin keine Kopie des Austrittsberichts mitbekommen, kennt die Pflegende weder Diagnosen, Probleme noch Medikation. Ohne Rücksprache mit dem Hausarzt fehlen wichtige Informationen für eine qualitativ gute Arbeit. Mit dem EPD lässt sich dieses Problem lösen: Im Dossier können alle an der Behandlung beteiligten Fachleute jederzeit die wichtigsten Unterlagen einsehen. Allerdings nur, wenn die Patientin oder der Patient ihnen ein Zugriffsrecht erteilt hat.

Koordinierte Versorgung
In den gesundheitspolitischen Prioritäten «Gesundheit2020» hat der Bundesrat das Ziel formuliert, zeitgemässe Versorgungsangebote zu fördern. Die Strukturen, Prozesse und Angebote  des ambulanten und stationären Gesundheitssystems sollen so weiterentwickelt und modernisiert werden, dass sie den demografischen und epidemiologischen Herausforderungen sowie den medizinisch-technischen Entwicklungen gerecht werden. Dazu soll die koordinierte Versorgung von der Früherkennung bis zur Palliative Care verbessert werden, um die Qualität der Versorgung zu erhöhen und unnötige Kosten zu vermeiden. Die Einführung des EPD ist eine der Massnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Denn eine zeitgemässe koordinierte Versorgung ist mit Fax- und Briefversand nicht zu haben. Die Fachwelt ist sich einig, dass die digitale Vernetzung eine notwendige Voraussetzung für mehr Qualität, Patientensicherheit und Effizienz ist. 

Interprofessionelle Zusammenarbeit
Im Interesse der Behandlungsqualität muss über alle Grenzen von Fachbereichen und Berufsgruppen hinweg mehr koordiniert und kommuniziert werden. Deshalb hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) in einer «Charta zur Zusammenarbeit der Gesundheitsfachleute» festgehalten, dass in Zukunft die Arbeitsmodelle so auszurichten sind, «dass sie eine integrierte Betreuung fördern und unterstützen».

Die Abläufe und Arbeitsmodelle bei der Patientenversorgung werden im elektronischen Zeitalter anders sein als in der analogen Welt. Insbesondere beim EPD kann eine Information für eine Vielzahl von Medizinern, Pharmazeuten, Pflegenden oder Therapeuten nützlich sein. Vor diesem Hintergrund haben acht nationale Berufsverbände der Gesundheitsfachpersonen die «Interprofessionelle Arbeitsgruppe elektronisches Patientendossier» (IPAG EPD) gegründet. Hauptziel der IPAG ist es, die Bedürfnisse und Anforderungen der anderen Berufsgruppen zu verstehen und prozessorientierte Lösungen zu erarbeiten, die von allen Gruppen getragen werden. Ein erstes Resultat dieser Arbeit sind die fachlichen Vorgaben für die E-Medikation im Rahmen des EPD.

Es ist neu, dass die Berufsgruppen auf einer solchen fachlichen Ebene zusammenarbeiten. Deshalb sind auch die Erkenntnisse der Gruppe interessant, die über die fachliche Arbeit hinausgehen. In der Eingabe für den «SAMWAward Interprofessionalität 2016» erwähnt die IPAG einige «Lessons Learned». So zeigte sich ein «erstaunlich ungenügendes Verständnis der Prozesse und Informationsbedürfnisse von Behandelnden anderer Berufsgruppen ». Auch wird festgestellt, dass während einer Behandlung viel kommuniziert wird, allerdings «mehrheitlich unter ein und derselben Berufsgruppe ». Die IPAG sieht hier «ein hohes Verbesserungspotenzial in der Versorgungsqualität ».

Gesundheitskompetenz der Bevölkerung
Gesundheitskompetente Menschen haben die Fähigkeit, im Alltag Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf ihre Gesundheit auswirken. Dabei geht es darum, mit welchem Verhalten eine Person die eigene Gesundheit fördern, Krankheiten vorsorgen oder bewältigen kann. Ernährung, Bewegung, Suchtverhalten oder Entscheidungen in Behandlungssituationen sind Stichworte dazu.

Mit dem EPD werden die Möglichkeiten der Bevölkerung für ein gesundheitskompetentes Verhalten erweitert. So werden Patienten über ein Zugangsportal die Dokumente rund um ihre Gesundheit einsehen können. Und sie entscheiden, welchen Gesundheitsfachpersonen sie welche Unterlagen zugänglich machen wollen – oder nicht. Jene Personen, welche diese Möglichkeiten nutzen wollen, müssen sich im digitalen Umfeld bewegen können. Wer dies nicht will oder kann, ist jedoch nicht vom EPD ausgeschlossen. Es ist möglich, eine stellvertretende Person zu bezeichnen, welche die eigenen Rechte vollständig wahrnehmen kann.

Das EPD ist auch ein Kulturprojekt
Die Arbeiten zur Einführung des EPD laufen in allen Kantonen – mal mehr, mal weniger intensiv. Wenn das digitale Dossier breiter verstanden wird als eine Dokumentenablage, dann wird die digitale Vernetzung die Zusammenarbeit der Gesundheitsfachpersonen und die Rolle ihrer Patientinnen und Patienten nachhaltig verändern und verbessern. Vor diesem Hintergrund ist die EPD-Einführung zwar auch ein komplexes Informatikvorhaben – vor allem ist es aber ein Kulturprojekt zur Veränderung des Umgangs mit Patienten und ihren Unterlagen. Erfreulich ist, dass immer mehr der in den Regionen verantwortlichen Personen dieses Potenzial des EPD erkennen. 

Adrian Schmid

Weitere Informationen:
eHealth Suisse
Kompetenz- und Koordinationsstelle
von Bund und Kantonen Schwarzenburgstrasse 157
CH-3003 Bern
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