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Nach dem Lehrgang mit dem «Fahrstuhl nach oben»

 

Hans Bossard, Leiter Geschäftsbereich Bildung bei GS1 SchweizDas Weiterbildungsangebot von GS1 Schweiz findet derzeit grosses Interesse. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen sich – mit dem richtigen Timing – antizyklisch fortbilden. Doch die Unternehmen sparen an den Bildungskosten, berichtet Hans Bossard, Leiter Geschäftsbereich Bildung bei GS1 Schweiz.

 

(as) Lesen Sie, warum sich Eigeninitiative lohnt, was die GS1 Lehrgänge gegenüber anderen Anbietern auszeichnet und warum die verbandsübergreifende Harmonisierung von Lehrgangsinhalten derzeit nicht so richtig vom Fleck kommt.

 

 

GS1 network: Containerschiffe werden eingemottet, die Weltwirtschaft ist in der Krise. Wie ist die Nachfrage nach Weiterbildung in der Logistik derzeit?

Hans Bossard: Wir beobachten vor allem zwei Entwicklungen. Zum einen lassen sich potenzielle Teilnehmende gern überzeugen, dass jetzt der richtige Moment für eine Weiterbildung ist. Auf der anderen Seite sind Unternehmen aber äusserst restriktiv mit Bildungsausgaben und haben teilweise ihre diesbezüglichen Budgets sogar blockiert, zahlen den Mitarbeitenden also gar nichts mehr oder nur Teilbeträge an die Weiterbildung. Deshalb erleben wir, dass Zurückhaltung dominiert, weil sich viele Weiterbildungsinteressierte die Kosten der Weiterbildung persönlich nicht leisten können.

 

Gemeinhin soll man sich doch gerade in Flautezeiten weiterbilden, um dann in besseren Zeiten voll einsatzfähig zu sein?

Wir hatten seit Langem nicht mehr so viele Interessenten an Informationsveranstaltungen wie derzeit. Mitarbeitende zahlreicher Firmen möchten sich genau jetzt antizyklisch weiterbilden, um beim nächsten Aufschwung wieder parat zu sein. Das ist ein sehr gutes Timing. Mangels Kostenbeiträgen der Arbeitgeber scheitern diese Vorhaben leider (zu) oft. Hier kann ich nur an die Firmen appellieren, das Engagement der Mitarbeitende zu unterstützen. Das aufdatierte Wissen kommt ihnen ja im nächsten Aufschwung zugute.

 

Welches Interesse steht hinter der Weiterbildung: ein neuer Job oder eine bessere Qualifikation für die aktuelle Tätigkeit?

Unsere Lehrgänge bieten insbesondere die Möglichkeit, sich vom Spezialisten zum Generalisten zu entwickeln, wenn man bisher vor allem auf einem Fachgebiet oder in einem Teilprozess der Logistik Experte ist. Die Weiterbildung bietet auch Chancen für eine berufliche Veränderung, doch ist diese nicht der erste Antrieb für einen Seminar-oder Lehrgangsbesuch. Meist möchten sich Mitarbeitende in der eigenen Firma weiterentwickeln, neue Aufgaben oder Führungsverantwortung übernehmen und/oder den heutigen Job noch besser erledigen.

 

Welches Bildungsangebot ist momentan am meisten gefragt?

Das ist der Vorbereitungslehrgang Logistikfachmann, der zur eidgenössischen Berufsprüfung hinführt. Dieser Abschluss stösst auf grosses Interesse, und im laufenden Jahr bereiten sich insgesamt weit über 400 Personen auf die eidgenössischen Prüfungen vor. Die breite Verankerung dieses Berufsbildes zeigt sich auch daran, dass nicht nur GS1 Schweiz Vorbereitungslehrgänge anbietet, sondern noch 14 weitere Institutionen, die mindestens den Versuch wagen, Klassen zu führen.

 

Wie unterscheiden sich die Vorbereitungskurse bei den verschiedenen Anbietern?

Wir bieten sicher einige Vorteile, da wir der zentrale Logistikverband der Schweiz sind und über ein besonders gutes Netzwerk verfügen. Das kommt vor allem der Praxisnähe unseres Bildungsangebots zugute. Unser Dozentenstamm rekrutiert sich ausschliesslich aus Persönlichkeiten, die in operativen und konzeptionell-strategischen Geschäftsbereichen tätig sind und Führungs-oder Beraterfunktion haben.

 

Ist Blended Learning (internetgestütztes Lernen) ein Thema?

Wir bieten bereits heute eine eLearning-Plattform an, auf der sich Teilnehmer der Lehrgänge zum Logistikfachmann und dipl. Logistikleiter laufend Einzelfragen oder Tests aussetzen und ihre Fortschritte überprüfen können. Von einer weiteren Trainingsmöglichkeit mit rund 1000 Fragen profitieren die Absolventen im Lehrgang zum dipl. Logistik-IT-Leiter.

 

Wird es einmal Lehrgänge geben, die vorrangig per Internet ablaufen?

Für die Bildungsstufen, auf denen wir vor allem tätig sind, eignet sich das Internet nicht als ausschliessliches Lehrmedium. Einzelne Lehrgangsteilnehmer haben noch keinen Zugang zu einem privaten Computer mit Internetzugang. Vor allem aber ist der Direktunterricht nicht ersetzbar. Klassen-verband und Gruppendynamik tragen zum Lernerfolg wesentlich bei. Dozenten können bei Unklarheiten direkt und unmittelbar gefragt werden. Sie können motivieren und Lernhelfer sein. Wir bevorzugen für unsere Zielgruppe den direkten Kontakt und den persönlichen Austausch der Lehrgangsteilnehmer. Zur laufenden Überprüfung des Lernerfolges bieten eLearning-Plattformen aber eine ideale Unterstützung.

 

GS1 Schweiz bietet neben öffentlichen Informationsveranstaltungen zur Bildungslandschaft im Berufsfeld Logistik/SCM und zum Lehrangebot auch die persönliche Weiterbildungsberatung an. Wie kann man sich das vorstellen?

Wenn jemand eine längere Weiterbildung machen möchte, sich aber über deren Ausrichtung noch unsicher ist, sitzen wir mit ihm zusammen. Es geht darum, unter vier Augen eine Standortbestimmung vorzunehmen und Entwicklungsperspektiven herauszufinden. Anschliessend kann es zur Empfehlung einer Weiterbildung kommen, wobei wir, wenn es uns angebracht erscheint, auch Angebote von anderen Organisationen empfehlen.

 

Ist dieses Angebot kostenpflichtig?

Wir offerieren diese persönliche Weiterbildungsberatung gratis und ohne weitere Verpflichtungen. Wir möchten nicht, dass jemand erst nach zwei, drei Monaten merkt, dass er im falschen Seminar oder Lehrgang sitzt! Zufriedene Absolventen kommen letztlich auch uns zugute. Rund 15 bis 20 Mal pro Halbjahr führen wir derzeit solche persönlichen Beratungen durch.

 

Welche Rolle spielen GS1-typische Themen wie das GS1 System, EPC/RFID und eCommerce/EDI in Ihren Angeboten?

Mit diesen Themen befassen sich mehrere von uns angebotene Seminare. Besucher kommen vor allem aus Unternehmen, die neu Verbandsmitglied geworden sind und unsere Systeme einsetzen möchten. Hier wird mit Kleinklassen von teilweise nur drei oder vier Teilnehmenden ganz intensiv gearbeitet. Alle diese Seminare finden in unseren Räumlichkeiten in Bern statt. Die Dozenten sind unsere internen Spezialisten.

 

Welche Rolle spielt die internationale Kooperation für das Weiterbildungsangebot?

Wir sind Mitglied der ELA (European Logistics Association) und als Schweizer Zertifizierungsstelle für die Vergabe der ELA-Zertifikate verantwortlich. GS1 Schweiz bringt sich auch aktiv in diese Organisation ein. Wer bei uns den Lehrgang zum Logistikfachmann absolviert und die Berufsprüfung besteht, erhält gleichzeitig ein Junior-Zertifikat der ELA. Absolventen der Höheren Fachprüfungen zum dipl. Logistikleiter und dipl. Logistik-IT-Leiter erhalten ein Senior-Zertifikat. Jüngst haben die ersten 16 Teilnehmer eines vom Logistikinstitut der Uni St. Gallen angebotenen «berufsbegleitenden Diplomlehrgangs Logistikmanagement» das europäische (ELA) Master-Zertifikat erworben. Seminare für das GS1 System betreffendes Wissen werden von GS1 Organisationen weltweit anerkannt.

 

Warum haben Teilnehmer von GS1 Lehrgängen eine höhere Erfolgsquote in den Prüfungen?

In der Tat zeigen unsere Teilnehmer insgesamt oft überdurchschnittliche Prüfungsresultate. Der Grad des Prüfungserfolgs zeigt uns natürlich, ob ein Lehrgangsdurchlauf gut war und, vor allem, ob die Klasse und die einzelnen Teilnehmenden engagiert mitgearbeitet haben. Unsere Dozenten bestätigen immer wieder, dass unsere Lehrgangsteilnehmer sehr motiviert sind. Die sich erst im Klassenverband entwickelnde positive Gruppendynamik bildet ein wesentliches Motivadungsinteressierte in Richtung Generalist. Dazu kommt der Wunsch, in der beruflichen Laufbahn auch Führungspositionen einnehmen zu können. Dazu braucht es wiederum den ganzheitlichen Verständnisansatz.

 

 

Wie wird sich der Beruf des Logistikers in Zukunft entwickeln?

Für dieses Berufsfeld existieren zahlreiche Qualifikationsstufen, bis hinauf zum ETH-Master-Abschluss. Die Nachfrage nach qualifizierten Logistikgeneralisten auf allen Stufen wird weiterhin steigen. Immer mehr Fachleute suchen eine breit angelegte Weiterbildung und möchten fähig sein, die ganze Prozesskette zu überblicken und zu optimieren. Es wird immer Spezialisten und Generalisten brauchen, doch derzeit bewegen sich viele Bildungsinteressierte in Richtung Generalist. Dazu kommt der Wunsch, in der beruflichen Laufbahn auch Führungspositionen einnehmen zu können. Dazu braucht es wiederum den ganzheitlichen Verständnisansatz.

 

Welche Berufsaussichten bietet die eidgenössich anerkannte höhere Fachprüfung als dipl. Logistik-IT-Leiter?

Dies ist unser jüngstes Weiterbildungsangebot. Absolventen schlagen eine Brücke zwischen der physischen Logistik und der Informatik. Der LogistikIT-Leiter kann nach der Ausbildung selbstständig IT-Projekte als Projektleiter führen und das mit besonderem Augenmerk auf die Bedürfnisse der Logistik. Die Absolventen sind sehr zufrieden. Die Weiterbildung zum dipl. IT-Leiter ist sehr zukunftsträchtig, da der IT-Unterstützung in der Logistik eine immer wichtigere Rolle zukommt.

 

Ist das also eine IT-Ausbildung für Logistik-Fachleute?

Heute kommt der Grossteil der Teilnehmer aus der klassischen Logistik. Etwa ein Viertel hat einen IT-Wissenshintergrund, beispielsweise als Wirtschaftsinformatiker I oder II. Alle absolvieren den gleichen Lehrgang. Ab Herbst 2010 wird aber ein neues Konzept zum Tragen kommen. Es ist vorgesehen, dass je nach Vorwissen nicht mehr alle Teilnehmer die gleichen Module besuchen. Wir glauben, dass der Lehrgang – der heutige wie der zukünftige – für viele Logistiker und Informatiker eine wertvolle Weiterbildung bietet. Letztlich soll aber die heutige Funktion des «reinen» IT-Chefs nicht tangiert werden. Dies sei explizit gesagt, um Missverständnissen vorzubeugen.

 

Was berichten Absolventen des Lehrgangs?

Die Teilnehmer bringen bereits sehr viele Vorkenntnisse mit. Nach der Weiterbildung haben viele nochmals «den Lift nach oben» genommen. Sie haben besonders anspruchsvolle Projekte bekommen oder sind sichtbar in der Firmenhierarchie aufgestiegen.

 

Und die Firmen?

Für uns ist ein sehr gut sichtbarer Erfolgsausweis, dass Unternehmen wie zum Beispiel die Grossverteiler Migros und Coop, aber auch die Post immer wieder Mitarbeitende zu dieser Weiterbildung anmelden. Personalberater bestätigen zudem – und dies gilt für alle Abschlüsse –, dass GS1 Lehrgänge mit bestandener Prüfung ein wertvolles Element im CV sind.

 

Für diesen Lehrgang wird ja wie beim Logistikfachmann und Logistikleiter von GS1 eine durch das BBT beaufsichtigte Prüfung durchgeführt. Wie gut trennen Sie Lehrgangs-und Prüfungsbereich?

Wir ziehen intern einen klaren Strich. Sowohl im Weiterbildungs- als auch im Prüfungsteil gelten die Prüfungsordnung und die Wegleitung als Orientierung und Leitfaden für das Lehrgangskonzept und die Prüfungsdurchführung. Diese Dokumente bilden die Schnittstelle zwischen den beiden Funktionen. Dozenten prüfen nicht, Experten bilden nicht aus. So lautet unsere Devise. Darauf legt nach unseren Informationen auch das BBT grossen Wert.

 

Wie gestaltet sich die nunmehr bald dreizehn Jahre dauernde Zusammenarbeit mit dem BBT, dem Bundesamt für Bildung und Technologie?

Das BBT hat die Oberaufsicht über die Prüfungen inne. Es anerkennt, dass wir sehr gute und sehr faire Prüfungsstrukturen und Prüfungsmechanismen haben. Diese Meinung vertreten auch unsere Lehrgangs- und Prüfungsabsolventen.

 

Das BBT hat fünf Logistikverbände aufgerufen, Abschlüsse auf Berufs- und höherer Fachprüfungs-Stufe zu harmonisieren. Wie ist der Stand der Dinge?

Das vom BBT lancierte Projekt Swiss-SupplyChain hatte ursprünglich zum Ziel, die Zahl der von den fünf Verbänden auf zwei Bildungsstufen angebotenen 14 Abschlüsse zu verringern. Das gelingt nun leider nicht, weil einerseits die Überschneidungen zu gering sind und andererseits jeder Verband daran interessiert ist, seine spezifischen Abschlüsse zu behalten. Wir haben uns aber darauf geeinigt, bei den Berufsprüfungen in sechs Themenbereichen und bei den höheren Fachprüfungen bei acht Themenbereichen die gleichen Kompetenzen zu prüfen. Dabei geht es um allgemeine und betriebswirtschaftliche Themen sowie um Sozialkompetenzen, aber nicht um spezifisch logistisches Fachwissen und entsprechende Handlungskompetenzen. Wesentlich ist, dass wir die entsprechenden Prüfungsmodule gegenseitig anerkennen, was den Kandidaten bei einer zweiten Berufs- oder höheren Fachprüfung zugute kommt und diesen Abschluss vereinfacht.

 

Was ist nun konkret noch geplant?

Es hat einige Jahre gedauert, bis wir das eben Gesagte erreicht haben. Am 30. September wollen wir die neuen Prüfungsordnungen und Wegleitungen dem BBT zur Genehmigung einreichen. In diesem Zusammenhang haben wir noch verschiedene Teilvereinbarungen zu treffen. So geht es um vereinheitlichte Zulassungsbestimmungen, Prüfungsdauer, Prüfungsformen, Bewertungskriterien usw.

 

Wie hat das BBT die Gespräche begleitet?

Die Diskussion wurde vom BBT lanciert, doch erst in jüngster Zeit hat man sich von Seiten des Amtes aktiver mit dem Projektverlauf befasst. Ich hätte mir – durch etwas klarere Vorgaben und einen damit verbundenen gesunden Druck» seitens des BBT – mehr Erfolg für dieses Kooperationsprojekt gewünscht.

 

Wir sind am Ende unserer Themenliste angekommen. Gibt es noch etwas, was Sie den Leserinnen und Lesern mitgeben möchten?

Es ist allgemein bekannt, dass Weiterbildung am besten antizyklisch zu fördern ist. Das neu erworbene Wissen, die neu erworbenen Fähigkeiten stehen dann in Zeiten wirtschaftlicher Erholung bereit. Doch leider kürzen Firmen derzeit ihre Weiterbildungsbudgets oder frieren sie ganz ein. Ich möchte an alle Weiterbildungswilligen appellieren, ihre Pläne nicht aufzugeben. Wer jetzt eine Weiterbildung machen will, sollte die Chance packen. Wenn die Firma keine Unterstützung leistet, sollte man die Eigenfinanzierung prüfen. Eine Weiterbildung kann nicht nur Türöffner für neue Tätigkeiten sein, sondern auch helfen, die bisherige Tätigkeit noch besser zu erledigen und in diesem Sinne auch den heutigen Job, die heutige Funktion zu sichern.

 

Gern möchte ich Ihnen noch zwei persönliche Fragen stellen. Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Arbeit?

Ich bin seit 35 Jahren in der Erwachsenenbildung tätig. Von Haus aus bin ich kein Logistiker, sondern Erwachsenenbildner mit betriebswirtschaftlichem und technischem Hintergrund. Den Menschen bei ihrer beruflichen und teilweise sogar persönlichen Weiterentwicklung zu helfen, ist eine sehr schöne und ausserordentlich befriedigende Tätigkeit. Man sieht, dass innerhalb eines Jahres enorme Fortschritte und Veränderungen möglich sind.

 

Welche Weiterbildung haben Sie selbst zuletzt besucht?

Ich habe vor zwei Jahren eine Weiterbildung zum Mediator an der Fachhochschule Nordwestschweiz absolviert.

 

Die Fragen stellte Alexander Saheb.

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