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Gemeinsam Herausforderungen meistern

Andreas Meyer, CEO SBB(hg) Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB sind ein Unternehmen, das auf langfristige Strategien ausgerichtet ist, das aber gleichzeitig auf kurzfristige Ereignisse flexibel reagieren muss. Das kann zu einigen Zerreissproben führen. Wie geht die Geschäftsführung damit um? Das Gespräch mit SBB-Chef Andreas Meyer fand im September 2009 statt.

 

Seit bald drei Jahren steht Andreas Meyer an der Spitze des Banhunternehmens. Es waren drei turbulente Jahre, die den neuen Chef der SBB und seine Mitarbeitenden herausforderten. Im folgenden Gespräch äussert sich Andreas Meyer zu seinen Erfahrungen und seinen Visionen als CEO der SBB. 

Herr Meyer, beim Personenverkehr der SBB ist trotz der schlechten Konjunktur ein ständiger Zuwachs zu verzeichnen. Das ist ein beneidenswerter Erfolg. Daneben werden aber doch einige Probleme sichtbar. Wohin und wie steuern Sie die SBB?
In den nächsten paar Jahren werden wir bei den Angebotsverbesserungen keine Quantensprünge vollführen können. In den nächsten fünf Jahren wollen wir vor allem die Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit sicherstellen. Uns ist bewusst geworden, dass wir die Herausforderungen nur gemeinsam meistern können. Die SBB ist in verschiedene Divisionen eingeteilt, die bisher als unabhängige, finanziell optimierte Geschäftsbereiche handelten. In der Vergangenheit wurde bewusst divisionsbezogen gedacht und gehandelt. Dem Kunden ist es jedoch egal, welche Division die Verspätung verursacht. Er will einfach eine schnelle Lösung. Um das hochkomplexe System Eisenbahn noch stärker auf die Kundenbedürfnisse fokussieren zu können, ist intern eine enge Zusammenarbeit notwendig. Diese beginnt an der Spitze und setzt sich fort bis zu den Menschen an der Basis. Gerade diese engagierten Mitarbeitenden realisieren oftmals zuerst, wenn ein Arbeitsprozess nicht optimal abläuft, und unterbreiten dann Verbesserungsvorschläge. Dieses stetige Ringen um optimale Lösungen war eine anspruchsvolle Aufgabe, die uns eine klare Ausrichtung brachte: zusammen mehr Kräfte mobilisieren in einer herausfordernden Zeit für eine anspruchsvolle Aufgabe. Dieser Ansatz floss unter  anderem ins eben aufgebaute Bahnverkehrszentrum ein, wo alle wichtigen Mitarbeitenden, die in den verschiedenen Divisionen Operationen steuern, beieinander sind.


Der erfolgreiche Personenverkehr verursacht auch einige Probleme. Zusätzlich zur intensiven Nutzung durch den Pendler-, Regional- und den Fernverkehr wird das Netz vom Event-Verkehr beansprucht. Wo sehen Sie die Belastungsgrenzen für die Trassen?
Wir stellen auf gewissen Strecken eine hohe Belastung, insbesondere in qualitativer Hinsicht, fest. Auf der einen Seite warten wir mit einem umfangreichen Angebot auf – beispielsweise zwischen Basel und Zürich mit dem Halbstundentakt –, auf der anderen Seite werden gleichzeitig auf dem gleichen Streckenabschnitt noch Baustellen unterhalten, so auf der Linie Olten– Liestal. Ein anspruchsvolles Angebot, kombiniert mit Unterhaltsauf gaben, erschwert das Führen und Betreuen des hoch belasteten Netzes. Die Betriebsführung, die Baustellen und das Rollmaterial können deshalb nicht für sich allein betrachtet werden. Die Herausforderung für uns besteht darin, den angespannten Fahrplan nicht noch stärker zu belasten und gleichzeitig Bau und Betrieb bis hin zu Rollmaterial und Personaleinsatz möglichst optimal und wirtschaftlich in Einklang zu bringen.


Wird denn aus den Agglomerationen nicht noch eine stärkere Verdichtung des Verkehrs gefordert? Um all die Forderungen zu erfüllen, bräuchte es wohl noch andere, griffigere Massnahmen.
Wie gesagt, zurzeit sind keine grossen Sprünge mehr möglich. Heute geht es in erster Linie darum, jeden Tag an der Qualitätsverbesserung zu arbeiten und sich gleichzeitig auch wirtschaftlich vernünftig auszurichten. Philippe Gauderon, Leiter Infrastruktur, und ich  gaben Anfang dieses Jahres ein Netz- Audit in Auftrag, weil wir glauben, dass wir im Hinblick auf die nächste Leistungsvereinbarung mit dem Bund mehr Mittel benötigen, um im hoch belasteten Netz eine gute Qualität halten zu können. Die Wartungsintervalle werden kürzer. Im stark belasteten Netz steigt auch der Unterhaltsaufwand überproportional an. Es fehlt beim Unterhalt nicht an Mitarbeitenden, es fehlt an den entscheidenden Stellen an mehr Mitteln, weil wir unsere stark belasteten Gleise mit Präventivmassnahmen noch besser unterhalten müssen. Denn nur wenn wir die Anlagen vorausschauend warten, können wir deren Qualität und Verfügbarkeit halten.

Aber Unterhaltsarbeiten sind ja nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch der freien Zeitkapazitäten. Wann sollen diese zusätzlichen Arbeiten denn noch durchgeführt werden?
Das geht heute aus zwei Gründen zunehmend nur noch mit Streckensperrungen: Erstens ist es fast nicht mehr zumutbar, nachts bei so kurzen Zugfolgezeiten zu arbeiten, und zweitens ist es auch finanziell nicht attraktiv für uns und die Lieferanten.

Wenn man die Leserbriefe in den Zeitungen und im Internet etwas verfolgt, liest man hie und da den Vorwurf, die SBB spare am Unterhalt. Was meinen Sie zu diesen Äusserungen?
Nein, da sparen wir nicht, die Sicherheit ist oberstes Gebot, das ist mir wichtig. Aber wir stellen fest, dass in einem stark belasteten Netz ein überproportionaler Unterhalt notwendig ist, um die Qualität sicherzustellen. Das Gegenteil ist der Fall: Ich habe die Division Infrastruktur letztes Jahr ermutigt, Verluste in Kauf zu nehmen, weil gewisse Arbeiten nicht verschoben werden konnten. Das Audit dient letztlich uns und dem BAV als Grundlage, um objektiv zu beurteilen, ob die absehbaren Haushaltskürzungen der Eisenbahn überhaupt zumutbar sind. Meine Meinung dazu ist klar: nein.

Der Personenverkehr ist eines. Dazu kommt noch der Güterverkehr, der zum Teil die gleichen Trassen benutzt und wo wegen des Free Access auch Slots freigehalten werden müssen für andere Bahnunternehmen. Wäre eine separate Linienführung für den Personen- und den Güterverkehr nicht angebracht?
Es stellt sich tatsächlich die Frage, wie lange man diesen Mischverkehr noch fahren kann. Wenn ich freie Hand und die entsprechenden Gelder zur Verfügung hätte, dann würde ich den Personen- und den Güterverkehr auf verschiedenen Gleisen führen, denn dies wäre mit grossen Vorteilen verbunden. Doch dieses Vorhaben würde enorm viel Geld kosten. Deshalb glaube ich, dass wir im Rahmen der Weiterentwicklung der Infrastruktur überall dort, wo wir in Richtung einer Entmischung gehen können, dies auch tun werden. Aber um dies zu erreichen, wird es sehr viel Zeit und vor allem viel Geld brauchen.

Aber eine Entmischung des Verkehrs brächte schon eine Entlastung?
Eine Entmischung des Netzes würde auch bewirken, dass man auf den einzelnen Trassen gleichmässige Tempi fahren könnte. Und harmonisierte Tempi brächten Fahrplanstabilität und mehr Kapazität.

Der Güterverkehr ist seit Jahren die grosse Herausforderung der SBB. Verschiedene Lösungen wurden ausprobiert. Trotz aller Anstrengungen brachte keine den durchschlagenden finanziellen Erfolg. Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Einerseits hatte die Schweiz generell gute Rahmenbedingungen für den Güterverkehr geschaffen. Andererseits wurde die Frage, welche Auswirkungen eine rasche Liberalisierung auf den Gütermarkt haben könnte, nicht genug tief greifend reflektiert. Die Schweiz erleichterte den Marktzutritt, ohne sich bewusst zu sein, dass ein Markt erst dann spielt, wenn Distanzen von 400 km aufwärts gefahren werden können. Solch grosse Distanzen haben wir in der Schweiz gar nicht. Zudem sind wir beispielsweise im Vertrieb auch nicht gross genug, um mit Unternehmen in grösseren Ländern mithalten zu können. Gleichzeitig kommt der allgemeine Effekt der Liberalisierung verschärfend hinzu, indem jedes umliegende Land versucht, den Heimmarkt möglichst zu schützen. Dies waren einige ungünstige Faktoren, denen sich SBB Cargo bei der Liberalisierung stellen musste. Deshalb konzentrierte sie sich ganz natürlich auf die Nord-Süd-Achse. Heute geht es darum, zu prüfen, was im europäischen Umfeld erreichbar ist. Unsere Kunden wollen mit Sicherheit nicht nur Nord- Süd-Fahrten, sondern sie wünschen sich von SBB Cargo umfassende Logistiklösungen. Diese massgeschneiderten Kundenlösungen lassen sich nur mit Partnern zusammen auf die eine oder andere Art erbringen. Ich denke, dass SBB Cargo jetzt ein überzeugendes Angebot produziert, das gewinnbringend in eine Partnerschaft eingebracht werden kann.

Denken Sie dabei eher an eine andere Bahngesellschaft oder an Logistikunternehmen?
Unser erklärtes Ziel ist ein nachhaltiges Cargo-Geschäft, das qualitativ einen hohen Standard aufweist und finanziell ins Gleichgewicht kommt. In diesem Zusammenhang untersuchen wir zwei Varianten: Wir überprüfen derzeit, ob ein Anschluss an die SNCF oder an die Deutsche Bahn für uns vorteilhaft wäre. Eine denkbare zweite Variante wäre, dass SBB Cargo weiterhin im Alleingang, aber mit lockeren Partnerschaften arbeitet. Beide Varianten werden auch mit dem Konsortium «Rail Vision» diskutiert, zu welchem die Unternehmen Camion Transporte Wil, die Transportunternehmen Planzer, Bertschi Transport und die Hupac gehören. In beiden Szenarien werden die Möglichkeiten der Verknüpfung von Schiene und Strasse überprüft, um die Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Schiene noch besser voranzutreiben.

Von den Transportunternehmen hörten wir den Vorwurf, es bestehe nicht genügend Kapazität bei der SBB, sodass sie wieder vermehrt die Strasse für ihre Transporte benützen. Stimmt dieser Vorwurf?
Gerade in der jetzigen Zeit sind wir froh um jeden Kunden. In dieser wirtschaftlich flauen Zeit sind die Cargo- Trassen nicht ausgebucht. Was hingegen zu Diskussionen führt, ist die Tatsache, dass bei uns der Personenverkehr Priorität hat. Es ist sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass bei einem Prioritätskonflikt der Personenverkehr Vorrang geniesst. In der Regel bestehen für den Güterverkehr freie Trassen, aber im hoch belasteten Netz ist es für den Güterverkehr zweifellos schwieriger geworden. Deshalb hat man sich bei den Infrastruktur-Aus bauprojekten vorgenommen, sich nicht wie bei der Bahn 2000 primär auf den Personenverkehr zu fokussieren, sondern im Kernangebot auch die Bedürfnisse des Güterverkehrs mit zu berücksichtigen.

In Ihrem Jahresbericht steht, dass bis zum Jahr 2030 20 Milliarden Franken in modernes Rollmaterial investiert werden sollen. Dazu kommt, dass immer mehr, immer schnellere und schwerere Züge den Verschleiss der festen Infrastruktur fördern, was den Unterhalt massiv verteuert. Wie gedenkt die SBB das dazu notwendige Geld zu beschaffen?
Genau um dieses Problem aufzuzeigen, führen wir das erwähnte Netz-Audit durch. Wir können nicht immer nur neue Ausbauprojekte finanzieren, sondern müssen auch das bestellte und vorhandene Material, das uns anvertraut ist, angemessen instand halten. Durchschnittlich sind es 4 Prozent der Neuinvestitionen, die in den Unterhalt gesteckt werden. Wenn die Infrastruktur laufend vergrössert wird (mit der DML, der NEAT und der CEVA), dann fallen nicht nur die einmaligen Investitionskosten, sondern auch die wiederkehrenden, aufwendigen Auslagen für Betrieb und Unterhalt dieser Infrastruktur an. Dies dürfen wir auf gar keinen Fall vernachlässigen, sonst arbeiten wir nicht in der Qualität, die in der Schweiz von uns gefordert wird. Was die Finanzierung der Investitionen und des Unterhalts angeht, basieren diese finanziellen Beiträge primär auf den Leistungsvereinbarungen zwischen dem Bund und der SBB. Diese Abmachung regelt, was von der SBB verlangt wird und wie viel Geld dem Unternehmen dafür zugesprochen wird. Dazu kommen noch Trasseneinnahmen für die Infrastruktur und Einnahmen aus dem Güter- und Personenverkehr. Im Personenverkehr erhält die SBB von Bund und Kantonen Abgeltungen für den bestellten Regionalverkehr.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass Politiker die Nachfolgekosten zu wenig ernst nehmen.
Es ist eine unserer Aufgaben, aufzuzeigen, was wir wann und wo benötigen und wie viel es kostet. Genauso wichtig ist es aber darauf hinzuweisen, welche Konsequenzen zu erwarten sind, wenn wir die Mittel dafür nicht erhalten. Beispielsweise können wir dann das Angebot nicht wie gewünscht ausbauen, weil schlicht die Kapazitäten fehlen. Im Weiteren müssen wir darlegen, wann wir die Gelder für Neuinvestitionen benötigen. Das Parlament stimmte im März 2009 über das ZEB-Kernangebot ab. Dabei wurden 5,4 Milliarden Franken gesprochen. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass diese Mittel zu spät fliessen.

Könnten Sie etwas konkreter werden?
Wir können die ersten Projekte mit diesen Fondsgeldern wahrscheinlich ab dem Jahr 2016 zu bauen beginnen. Die Zufahrten zum Gotthard-Basistunnel müssten aber schon im Jahr 2017 bereitstehen, denn die AlpTransit AG kommt mit dem Bau sehr gut voran. Nun besteht die Gefahr, dass bei der Eröffnung des Basistunnels die Zufahrten noch nicht gebaut sind und somit die volle Funktion der Nord-Süd- Verbindung als Flachbahn nicht von Beginn weg erfüllt ist. Wir müssen etwa sechs Jahre vor der Eröffnung mit den Anpassungen der Zufahrten beginnen können. Diese Ausbauten sind Bestandteil des ZEB-Kernangebots. Das heisst, die ersten Franken müssten bereits 2010 fliessen, damit die Planungsarbeiten rechtzeitig begonnen werden können und der Bau im Jahr 2012 startet. Die sechs aus unserer Sicht wichtigsten ZEB-Projekte, die NEAT-Zufahrten, gehören auch dazu, sie beanspruchen rund 1,6 Milliarden dieser 5,4 Milliarden Franken. Und im Augenblick ist nicht absehbar, wie und wann diese Vorhaben mit den bisherigen Instrumenten finanziert werden können.

Neben all diesen notwendigen Zusatzbauten spricht man aber bereits von einer Netzerweiterung. Was muss man sich unter dem Stichwort Bahn 2030 vorstellen?
Das ZEB-Kernangebot bildet die Basis, auf der dann Netzerweiterungen aufgebaut werden können. Doch dafür gibt es heute mehr Ideen als Geld. Ich denke dabei an das berühmteste nicht gebaute Gleis in der Schweiz, jenes dritte Gleis zwischen Lausanne und Genf, oder an vereinfachte Bahnhofzufahrten und Tiefbahnhöfe. Das sind alles Wünsche, für die ich volles Verständnis habe. Wenn wir jedoch alle Visionen kritisch betrachten, müssen wir uns der Frage stellen: Wann sind die finanziellen Mittel vorhanden, um all diese durchaus sinnvollen Ideen umzusetzen? Wir werden nicht darum herumkommen, all die Wünsche einer gewissenhaften und kritischen Prüfung in wirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher, betrieblicher und zeitlicher Hinsicht zu unterziehen. Dem Bund obliegt anschliessend die Priorisierung.

Die Nachfrage nach Angeboten der SBB nimmt ständig zu. Aber irgendwann kann die Bahn ja nicht mehr ausbauen, weil die bestehenden Trassen keinen zusätzlichen Verkehr mehr erlauben. Was für Massnahmen sehen Sie, um der steigenden Nachfrage trotzdem nachkommen zu können?
Rein physisch gesehen haben wir noch beliebig viel Entwicklungspotenzial. Es wäre zum Beispiel möglich, zusätzliche Schienenstränge neben bereits existierende zu bauen. Ich denke, es ist mehr eine Frage der Finanzen als eine der physischen Verfügbarkeit. Wichtig ist hingegen, dass alle Verkehrsträger auf die kombinierte Mobilität hinwirken. Eine unkoordinierte Verkehrsplanung wäre nicht sinnvoll. Für uns bedeutet dies zum Beispiel, noch mehr Park& Rail-Plätze anzubieten. Auch verbesserte Zufahrten zu den Bahnhöfen mit genügend Kapazitäten sind hilfreich. Die einzelnen Verkehrsträger müssen noch verstärkt auf vernetzte Lösungen hinwirken. Kurz: Kooperation statt Konfrontation.

Herr Meyer, Sie sind seit bald drei Jahren CEO der SBB. Was war Ihre Motivation, diese Aufgabe zu übernehmen?
Mich reizte die Attraktivität eines so komplexen Systems, das hervorragende Leistungen erbringt und das in hohem Mass von allen Schweizerinnen und Schweizern geschätzt wird. Nachdem ich dreizehn Jahre im Ausland war, sah ich hier eine Möglichkeit, etwas für die Schweiz, ihre Regionen und Menschen zu tun. Es ist etwas Schönes, für die eigene Heimat tätig zu sein.

Also ein gewisser Patriotismus?
Es ist nicht nur patriotisch. Im ersten halben Jahr, als ich bei der SBB war, besuchte ich alle Kantone, ganz allein. Das ging mir unter die Haut. Ich spürte dabei, wie gross die Bedeutung der SBB für die einzelnen Kantone ist. Ich hatte die Wirkung unterschätzt, welche die Bahn für die einzelnen Regionen bezüglich Arbeits- und Wohnort oder bezüglich Tourismus ausübt. Das war sehr eindrücklich.

Haben sich Ihre damaligen Vorstellungen verwirklicht?
Generell darf ich sagen, dass ich gerade in diesen motivierenden Faktoren bestärkt wurde. Bei einer genauen Betrachtung zeigen sich dann aber auch die potenziellen Herausforderungen. Ich denke dabei an die hohe Netzbelastung oder die Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements.

Welche Ereignisse haben Sie emotional am meisten berührt?
Am tiefsten berühren mich Unfälle, vor allem, wenn dabei unsere Mitarbeitenden involviert sind. Mir läuft es immer noch kalt den Rücken hinunter, wenn ich an den Unfall denke, der sich in einem unserer Rangierbahnhöfe ereignete und bei dem einem Mitarbeiter beide Beine ab getrennt wurden. Solch schwere Betriebsunfälle treffen mich am härtesten. Sie führen mir mit grosser Brutalität vor Augen, dass das Bahnsystem nebst faszinierenden Elementen auch grosse Gefahren in sich birgt. Das ist das Schlimmste für mich, wenn das Schicksal einzelner Menschen von einem Tag auf den andern umgekrempelt wird. Und deshalb dulden wir keine Kompromisse bei der Sicherheit.

Was war das Erfreulichste, was Sie als CEO der SBB bisher erlebt haben?
Das Tollste war das Fussballfest, die Euro 08. Wir hatten uns sehr intensiv darauf vorbereitet und haben tatsächlich unser Ziel erreicht: Das Fest begann bei uns in den Zügen und fand auch dort wieder seinen Ausklang. Und es war sehr schön, dass wir einen Beitrag leisten durften, um das Ansehen der Schweiz zu fördern und ihre Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen. 

Die Fragen stellte Hannes Gysling.
Aus Swiss Engineering, By Rail.Now

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