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«Für Laien ist eine gute Fälschung kaum vom Original zu unterscheiden.»

Ruth Mosimann, Abteilungsleiterin, Swissmedic Swissmedic – die Überwachungsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte in der Schweiz – nahm am 1. Januar 2002 als Nachfolgeorganisation der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) ihren Betrieb auf.

(bs) Swissmedic ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes (dem EDI angegliedert), in ihrer Organisation und Betriebsführung selbstständig und mit eigener Budgetkompetenz. Sämtliche Arzneimittel für Menschen und Tiere dürfen erst mit der Zulassung von Swissmedic in der Schweiz auf den Markt gebracht werden.

Zudem müssen dem Institut sämtliche klinischen Studien gemeldet werden. Pharmaunternehmen und Vertreiber können keinerlei Einfluss auf Verlauf und Ausgang des Verfahrens nehmen. Ruth Mosimann leitet bei Swissmedic die Abteilung «Kontrolle illegale Arzneimittel ».

GS1 network: Wie beurteilen Sie heute die Situation von Produktfälschungen im Bereich der Arzneimittel bezüglich der Folgen für die Wirtschaft und für die Gesundheit der Menschen?
Ruth Mosimann: Für Swissmedic steht die Gesundheit der Bevölkerung im Fokus. Und da mache ich mir bezüglich der Gefahren grosse Sorgen. Die Folgen von Arzneimittelfälschungen können tödlich sein.

Welche Entwicklung im Verlauf der letzten zwanzig Jahre hat zur heutigen Situation geführt?
Vor zwanzig Jahren traten erste Arzneimittelfälschungen in Drittweltländern auf, Europa war davon jedoch nicht betroffen. Ich kann mich erinnern, dass die Weltgesundheitsorganisation in den späten Achtzigerjahren über das Phänomen berichtete, was sich damals noch sehr exotisch anhörte. In den letzten zehn Jahren breitete sich das Problem stark aus. Als besonders erschreckend empfinde ich das kürzliche Auftreten von neun verschiedenen Fälschungen in englischen Apotheken. In Afrika, Asien und Südamerika gehören Arzneimittelfälschungen zu den ständigen Gefahren für die öffentliche Gesundheit. Immer wieder kommen dort Fälle vor, die zum Tode führen.

Ist die Schweiz besonders von Arzneimittelfälschungen betroffen?
In der Schweiz wurden aufgrund des gut funktionierenden Liefersystems noch nie Fälschungen in der legalen Vertriebskette entdeckt. Fälschungen kommen hierzulande nur im illegalen Handel oder bei Importen nach persönlichen Bestellungen über das Internet vor.

Wer sind die Fälscher?
Alle Arzneimittelfälscher sind für mich Kriminelle. Sie stellen die Tabletten, Kapseln usw. in mobilen oder gut versteckten Werkstätten her. Selten liefern die Hersteller direkt an die Patienten, sondern an eine lange Kette von Zwischenhändlern, die an den Fälschungen mitverdienen. Diese Händler sind genauso kriminell, da sie bewusst illegale Ware weiterverkaufen, die schliesslich, am Schluss der Lieferkette, die Gesundheit der Patienten gefährdet. Hersteller und Händler riskieren bei Arzneimittelfälschungen oft weniger als zum Beispiel mit dem Drogenhandel. In vielen Ländern ist das Strafmass relativ gering. 

Welche rechtlichen Instrumente gibt es in der Schweiz, um gegen Fälscher vorzugehen? Genügen diese Instrumente?
In der Schweiz gibt es gute rechtliche Instrumente: Einerseits gibt es das Markenschutzgesetz, mit dem die Markeninhaberin (d. h. die Pharmafirma) gegen Fälscher auf privatrechtlicher Basis vorgehen kann. Andererseits können bei Arzneimittelfälschungen aufgrund des Heilmittelrechts die Behörden wirksame Massnahmen ergreifen. Die Kantone können Massnahmen bei illegaler Abgabe treffen, das heisst, wenn keine kantonale Detailhandelsbewilligung vorliegt. Swissmedic ist zuständig für Massnahmen gegen Personen oder Firmen, die illegal Arzneimittel herstellen, importieren, vertreiben, exportieren. Auch die nicht bewilligte Vermittlung von Arzneimitteln ist verboten und wird geahndet. Und das Anbieten und Anpreisen im Internet und auf anderen Kanälen gilt als Vermittlung.

Welche Massnahmen hat Swissmedic im Kampf gegen die Fälschungen vorgesehen, die über die rechtlichen Mittel hinausgehen? Gibt es Lücken im Kampf gegen die Fälschungen?
Es ist sehr wichtig, dass wir nicht nur illegale Aktivitäten ahnden, sondern dass wir die Bevölkerung über die Risiken informieren. Zum Beispiel be-  tonen wir bei jeder Gelegenheit, dass es gefährlich ist, Arzneimittel aus dem Internet zu bestellen. Ausserdem bemühen wir uns um guten Kontakt mit der Pharmaindustrie im gemeinsamen Kampf gegen Fälschungen und engagieren uns stark in der nationalen und internationalen Zusammenarbeit mit anderen Behörden. Lücken gibt es natürlich auch, denn bei allen Anstrengungen kann nie eine komplette Kontrolle im Kampf gegen Fälschungen realisiert werden. Dies vor allem auch, wenn kriminelle Organisationen in Ländern stationiert sind, mit denen Swissmedic nicht in direktem Kontakt steht.

Inwiefern können technische Massnahmen wie die Codierung und Standardisierung von Arzneimitteln (zum Beispiel RFID-Chips) eine Hilfe gegen Fälschungen sein?
Technische Massnahmen sind sicher sehr hilfreich. Dank visuellen Merkmalen können schlecht gefälschte Packungen rasch erkannt werden und dank Codierungen lassen sich deren Vertriebswege nachvollziehen.

Wo besteht am dringendsten Handlungsbedarf?
Grösster Handlungsbedarf besteht in der Öffentlichkeitsarbeit. Wenn die ganze Bevölkerung begreifen würde, dass nur Arzneimittel von anerkannten Fachpersonen vertrauenswürdig sind gäbe es keinen Markt mehr für illegale Arzneimittel.

Wie haben Sie bisher die Zusammenarbeit der 24 Mitglieder von STOP PIRACY erlebt? Gibt es ein Optimierungspotenzial?
Die Zusammenarbeit unter den STOP PIRACY-Mitgliedern ist sehr positiv. Es ist wichtig, dass eine gemeinsame Botschaft von vielfältigen Gruppen ausgesandt wird. Unter dem Dach von STOP PIRACY ziehen Behörden, Wirtschaft und Interessengruppen übereinstimmend und tatkräftig an einem Strick.

Was hat die Publikumskampagne konkret gebracht?
Das Medienecho, das die Kampagne auslöste, war überwältigend. Die Berichterstattung diente der gewünschten Sensibilisierung sehr, das heisst, die Bevölkerung erfuhr in verschiedensten Medien, dass es gefährlich, illegal und unfair ist, sich Arzneimittel und Raubkopien von Software, Film und Musik zu besorgen. Die Themen Arzneimittelfälschungen und illegale Importe aufgrund von Internet- Bestellungen sind seit der Kampagne sicher bekannter.

Was kann der/die Einzelne tun, wenn er/sie das Gefühl hat, ein illegales Arzneimittel zu erhalten? Wie kann man als Laie erkennen, ob es sich um ein legales oder ein gefälschtes Arzneimittel handelt?
Für Laien ist eine gute Fälschung kaum vom Original zu unterscheiden. Falls das Arzneimittel aus einer legalen Schweizer Quelle stammt, kann man aber Vertrauen haben, dass es sich nicht um eine Fälschung handelt. Falls das Produkt jedoch aus dubioser Quelle stammt, empfiehlt sich der Gang in eine Apotheke.

Die Fragen stellte Bernhard Stricker.

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