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Pünktlichkeit steht im Zentrum

Prof. Dr. Ulrich Weidmann(bs) Prof. Dr. Ulrich Weidmann ist ein Kenner des Schweizer Verkehrssystems. An der Tagung von Cargo Forum Schweiz am 19. Mai in Bern sprach er über «Entwicklung des Bahnnetzes Schweiz: Bestimmungsgrössen, Prozesse und Perspektiven».

 

GS1 network: Wie sieht das Schweizer Bahnnetz 2020 in groben Zügen aus? Was wird vor allem gegenüber heute anders sein?
Ulrich Weidmann: Der Nord-Süd-Verkehr wird – auch dank des neuen Gotthard- und Ceneri-Basistunnels – stark zunehmen, wobei es akute Kapazitätsengpässe im Zulauf Basel–Arth-Goldau geben wird. Zu den kritischen Strecken gehört insbesondere die Juraquerung (Hauenstein). Ausserdem wird 2020 die Durchmesserlinie Zü- rich in Betrieb sein, was zur einer Beschleunigung des Reiseverkehrs Ost– West führen wird. Das ganze Bahnnetz wird ferner das eurokompatible Zugsicherungssystem ETCS Level 1 oder 2 enthalten. Dazu kommen die neu ausgebauten S-Bahn-Systeme Zürich, Bern, Basel und Léman sowie im Grenzverkehr die beiden Neubaustrecken Mendrisio–Varese und Genève–Annemasse.

Wie wird sich die Rolle (Funktion/ Aufgabe) der Transportlogistik bis 2020 verändern?
Ich vermute, dass sich an der Aufgabenteilung zwischen Logistikunternehmen und Transportfirmen grundsätzlich nicht allzu viel ändert. Grosse Bahnen werden noch verstärkt versuchen, logistische Gesamtleistungen anzubieten. Wieweit dies gelingt, muss angesichts der bereits sehr starken, präsenten Logistikunternehmungen offenbleiben. Dies könnte aber zu einem verschärften Preiskampf im Logistikbereich führen. Eher unwahrscheinlich ist, dass sich Logistikunternehmen verstärkt im Transportbereich engagieren.

Im Zentrum des Transportwesens werden Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit stehen. Sowohl bei Schiene wie bei Strasse ist eine weitere Überlastung kritischer Netzteile absehbar. Die finanziellen Mittel werden nicht ausreichen, um das Netz im Tempo der Nachfragezunahme auszubauen. Man wird deshalb versuchen, mittels Telematik und Verkehrs-IT noch zusätzliche Kapazitäten freizuspielen, wobei sich der Kapazitätsgewinn als nicht allzu gross erweisen wird. Interessanter könnte sein, dass die Laufzeit von Transporten künftig besser vorhergesagt werden kann (Transport zu spät, aber man weiss wenigstens, um wie viel).

Gemäss einer aktuellen Studie der HSG (Lehrstuhl für Logistikmanagement) im Auftrag des BAV hat die gegenwärtige Konjunkturkrise zur Folge, dass eine Rückverlagerung des Gütertransports von der Schiene auf die Strasse stattfindet. Wie interpretieren Sie diese Entwicklung?
Nach meinem Kenntnisstand betrifft dies insbesondere den kombinierten Verkehr. Ich führe die aktuelle Entwicklung auf das gleichzeitige Wirken von zwei Faktoren zurück: Einerseits sind es Dumpingpreise auf der Strasse, um die Menge zu retten. Andererseits ist die Preissensibilität der Kunden gestiegen. Meiner Meinung nach dürfte vor allem Ersteres eine kurzfristige Erscheinung sein, da vermutlich zum Teil unter den Kosten gefahren wird. Der zweite Faktor ist von der Wirtschaftslage abhängig, dürfte sich aber mittelfristig wieder entspannen.

Die Fragen stellte Bernhard Stricker.

 

Angaben zur Person

Prof. Dr. Ulrich Weidmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Verkehrssysteme am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme an der ETH Zürich.

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