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Sind Sie bereit für die Zukunft?

Corporate Foresight – Sind Sie bereit für die Zukunft?Produkte, Kunden und Märkte der Zukunft schon heute kennen Wer sich mit der Zukunft befasst, erkennt Chancen und Risiken früher und schafft sich Wettbewerbsvorteile. Während für Grossunternehmen die Corporate oder Strategic Foresight (es gibt unterschiedliche Begriffe) ein gängiger Prozess ist, tun sich kleinere Entitäten damit deutlich schwerer.

(as) Wenn Firmenlenker wüssten, was morgen passiert oder was in zwei Jahren am Markt gefragt ist, wäre die Planung einfach. Das ist jedoch nicht so, und deshalb befasst sich Corporate Foresight genau mit diesem unternehmerischen Umgang mit der Zukunft.

Dabei versucht man sich nicht an naturgemäss unmöglichen exakten Prognosen, sondern erarbeitet vielmehr «mögliche, wahrscheinliche und wünschenswerte Zukunftsentwicklungen», wie es beim KMU-Portal des SECO heisst. Zu diesem Zweck werden Verfahren und Methoden der Trend- und Zukunftsforschung eingesetzt. Man macht Umfeld-, Trend- und Publikationsanalysen. Anderswo setzt man auf den Entwurf von Szenarien oder Simulationsverfahren.

Haben Kongresse eine Zukunft?
So hat sich das Kongresshaus Zürich beispielsweise Gedanken gemacht über die Zukunft der Veranstaltungsform «Kongress». Das geschah, nachdem das Stimmvolk den geplanten Neubau des Kongresshauses an der privilegierten zentralen Stadtlage mit Seeanstoss verhindert hatte. Angesichts neuer Technologien wie Videokonferenzen habe man wissen wollen, ob sich die hohen Investitionen in ein eigens auf Kongresse ausgerichtetes Gebäude auch als zukunftssicher erweisen würden. Eine entsprechende Studie wurde dazu beim Gottlieb Duttweiler Institut in Auftrag gegeben, berichtet dessen Sprecher Alain Egli. An der gleichen Adresse lässt sich auch der «German Council of Shopping Centers» mit Zukunftsszenarien in Sachen Einzelhandel versorgen. Egli streicht allerdings heraus, dass die vom GDI erarbeiteten Szenarien sehr theoretischer Natur sind und das Institut auch keine weiteren Beratungsleistungen mit Blick auf die etwaige Umsetzung irgendwelcher unternehmerischer Entscheide liefert.

Man bewege sich oberhalb der Ebenen von Businessplan oder Geschäftsmodell. Dort richte sich der Blick auf Megatrends, und man versuche, fünf bis 25 Jahre der kommenden Zeiten zu umreissen. Manchmal ist verschiedene Branchen gehalten, oder es wird mit Mitarbeitenden der Firma ein Workshop veranstaltet. Eine weitere Variante sind die Studien des GDI. «Eine Landkarte der Zukunft» stellt gar GDI-Chef David Bosshart in Aussicht. Ziel wäre für die Firmen, zu handeln, bevor sich eine Situation entfaltet. Veränderungen müssten provoziert werden, anstatt bloss reaktiv zu warten, was da komme.

Zukunftsforschung ist bereits Teil der Strategie
Grosskonzerne lassen deshalb von der eigenen Verwaltungsorganisation solche Zukunftsszenarien im Rahmen ihrer Strategic-Foresight-Prozesse erarbeiten. Adrian Müller hat im Rah- men seiner Dissertation an der HSG eine umfangreiche Studie zum Thema erstellt. Kooperationspartner war das deutsche Beratungsunternehmen Z-Punkt. Für die Untersuchung wurden 152 Grossunternehmen im europäischen Raum befragt, die mindestens 150 Millionen Euro Jahresumsatz machen; die Hälfte macht jedoch teils sogar weit mehr als 10 Milliarden Euro Umsatz. Alle haben einen eigenen strategischen Foresight-Prozess implementiert. Insgesamt lieferten 40 Firmen aus 9 Ländern und 13 Branchen verwendbaren Dateninput. Vorrangig kamen diese aus Deutschland und der Schweiz. Rund ein Viertel der befragten Firmen betreibt Foresight seit weniger als drei Jahren, die Hälfte hat bis zu zehn Jahre Erfahrung damit, und drei Unternehmen lassen schon seit 30 Jahren Foresight-Prozesse laufen. Laut Müller bestätigt die Umfrage die strategische Relevanz von Strategic Foresight. Ein Grossteil der befragten Firmen bezieht aus den Methoden eine effiziente Unterstützung der strategischen Entscheidungsfindung. Die Ergebnisse des Foresight-Prozesses dienen vorrangig zur Unterstützung beim Business Development, was bei 90 Prozent der Firmen der Fall ist. Gefragt sind die Prognosen auch, wenn es um Portfolio-Entscheide oder die künftige Wettbewerbsstrategie geht. Für Infrastrukturplanung, Desinvestitionen und die Standortplanung sind die Prognostiker dagegen eher selten gefragt.

Einsatz vor allem zur strategischen Entscheidungsfindung
Strategic Foresight wird nicht mehr nur als Mittel zur Informationsbeschaffung, sondern zunehmend auch als Plattform für zukunftsgerichtete Reflexion und strategisches Denken verstanden. Vorrangig verfolgt man dabei eher «harte» Ziele, die einen konkreten und funktionalen Bezug zu spezifischen strategischen Aufgaben und Prozessen haben, wie Müller betont. Die weitaus grösste Zahl der Firmen (87,5 Prozent) bezweckt mit Strategic Foresight die generelle Unterstützung der strategischen Entscheidungsfindung. Dahinter rangiert die Unterstützung der Langfristplanung mit 77,5 Prozent. Die Unterstützung der Frühaufklärung und das Issue Management sind für 65 Prozent der Firmen Ziel der Zukunftsschau, und 58 Prozent streben eine Unterstützung des Innovationsprozesses an. Insgesamt herrscht zudem ein gewisser Pragmatismus bei der Nutzung von Foresight-Konzepten. Bei 35 der 40 Firmen, die für die Studie relevanten Input geliefert haben, dient Foresight der generellen Unterstützung der strategischen Entscheidungsfindung.

Im Rahmen der Forecast-Prozesse werden vorrangig Trendanalysen und Szenariotechniken eingesetzt. Darauf setzen 30 bzw. 18 Prozent der Firmen; sie zählen diese zwei zu ihren wichtigsten Methoden. Weniger intensiv werden ökonometrische Prognoseverfahren genutzt (14 Prozent). Sie dienen vorrangig zur Erstellung makroökonomischer Prognosen. Externe Wissensunterstützung kommt bei allen befragten Firmen durch die Auswertung von Studien und Publikationen hinzu. Während 80 Prozent der Firmen sich auf eine eigene Trenddatenbank stützen, ist der Einsatz von Spezialsoftware weniger verbreitet. Externe Berater werden vor allem situativ mit einbezogen.

Warenverfolgbarkeit ist ein Zukunftsthema
Für Unternehmen aus der Logistik könnten rund um den Megatrend Nachhaltigkeit verschiedene neue Anforderungen entstehen, meint Müller, der sich mit seiner Beratungsfirma Noocleus mittlerweile selbstständig gemacht hat. Beispielsweise würden Konsumenten immer mehr Informationen zur ökologischen und sozialen Unbedenklichkeit der gesamten Wertschöpfungskette verlangen. Das gelte nach Lebensmitteln nun auch zunehmend für Gebrauchsgüter. Welchen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt könnten Logistiker nun im Rahmen der von ihren Transportmitteln zurückgelegten Wegstrecken leisten? Was bedeutet das für deren Marken- und Kommunikationsstrategien? Da die Kunden immer mehr über die Wertschöpfungskette der von ihnen konsumierten Produkte wissen wollen, dürften auch neue integrierte Systeme zur Warenverfolgbarkeit aufkommen. Das sind laut Müller Systeme, die dem Kunden kompakt, vor Ort und in «real time», also kurz vor seiner Kaufentscheidung, die Produkt- und Entstehungsgeschichte der jeweiligen Ware vermitteln. «Schon heute sind hierzu erste iPhone-Applikationen in Entwicklung», berichtet Müller.

Während die Zukunft für grosse Firmen also durchaus Gegenstand alltäglicher Beschäftigung ist, sieht das bei kleineren Unternehmen noch anders aus. Zwar nehmen 84 Prozent von 146 befragten Schweizer KMU für sich in Anspruch, sich «systematisch» oder «eher systematisch» mit der Zukunft zu befassen. Sie blicken dabei ein bis sechs Jahre in die Zukunft. Dort erwarten sie rasche Umfeldveränderungen: Drei Viertel der Firmen glauben, dass neue Produkte oder Dienstleistungen ihrer Mitbewerber den Markt binnen nur eines Jahres nachhaltig verändern werden. Jedes fünfte Unternehmen erwartet zudem, dass es in fünf Jahren 51 bis 100 Prozent des Umsatzes mit neuen Produkten machen wird. Zwei Drittel glauben, dass das bei bis zu 50 Prozent ihrer Erlöse der Fall sein wird.

Doch bei näherer Betrachtung zeigt die nicht repräsentative Online-Umfrage der European Futurists Conference Lucerne und des KMU-Portals des SECO ein ernüchterndes Bild. Nur eine Minderheit der Firmen wendet Instrumente der Zukunftsforschung in der Praxis an und setzt sie effektiv ein. «Szenarien, Delphi-Untersuchungen, Trendextrapolationen oder systematische Publikationsanalysen werden nur in einer Minderheit von Unternehmungen zumindest alle zwei Jahre durchgeführt», heisst es. Mager sieht es auch bei Umfeldanalysen aus. Da meint zwar mehr als die Hälfte der Firmen, sie mache in Abständen von zwei oder weniger Jahren eine solche. Bei genauerer Betrachtung zeige sich jedoch, dass diese Umfeldanalyse oft nur unvollständig sei.

Alexander Saheb

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